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Aus Hegels Religionsphilosophie:

Indem im Stufengange, in der Entwicklung der Religion
die Hauptmomente gezeigt werden,
wie diese Stufen auch historisch existierten,
bildet das eine Reihe von Gestaltungen, eine Geschichte der Religion. [..]


Die bestimmten Religionen sind zwar nicht unsere[christliche] Religion;
aber als wesentliche, wenn auch als untergeordnete Momente,
die der absoluten Wahrheit nicht fehlen dürfen,
sind sie in der unsrigen enthalten .
 
Wir haben es also in ihnen nicht mit einem Fremden,
sondern mit dem Unsrigen zu tun,
und die Erkenntnis, daß es so sei,
ist die Versöhnung der wahrhaften Religion mit der falschen . [..]
 

Die bestimmten Religionen der Völker zeigen uns allerdings oft genug
die verzerrtesten und bizarresten Ausgeburten
von Vorstellungen des göttlichen Wesens
und dann von Pflichten und Verhaltungsweisen im Kultus.
 
Aber wir dürfen uns die Sache nicht so leicht machen
und sie so oberflächlich fassen,
daß wir diese religiösen Vorstellungen und Gebräuche
als Aberglauben, Irrtum und Betrug verwerfen
oder nur dies darin sehen, daß sie von der Frömmigkeit herkommen,
und sie s o als etwas Frommes gelten lassen,
sie mögen sonst beschaffen sein, wie sie wollen.
 
Auch nicht bloß die Sammlung und Bearbeitung
des Äußerlichen und Erscheinenden kann uns befriedigen.
 
Das höhere Bedürfnis ist vielmehr, den Sinn,
das Wahre und de n Zusammenhang mit dem Wahren,
kurz das Vernünftige darin zu erkennen .
 
Es sind Mensch en , die auf solche Religionen verfallen sind;
es muss also Vernunft darin
u nd in aller Zufälligkeit eine höhere Notwendigkeit sein.
 
Diese Gerechtigkeit müssen wir ihnen widerfahren lassen,
denn das Menschliche, Vernünftige in ihnen ist auch das Unsere,
wenn auch in unserem höheren Bewußtsein nur als Moment.
 
Die Geschichte der Religionen in diesem Sinne auffassen heißt,
sich auch mit dem versöhnen, was Schauderhaftes,
Furchtbares oder Abgeschmacktes in ihnen vorkommt,
und es rechtfertigen.
 
Wir sollen es keineswegs richtig oder wahr finden,
wie es in seiner ganzen unmittelbaren Gestalt vorkommt
- davon ist gar nicht die Rede - ,
aber wenigstens den Anfang, die Quelle
als ein Menschliches erkennen , aus dem es hervorgegangen ist.
 
Das ist die Versöhnung mit diesem ganzen Gebiet,
die Versöhnung, die sich im Begriff vollendet.

[..]

Die Religionen, wie sie aufeinander folgen,
sind determiniert durch den Begriff , nicht äußerlich bestimmt,
bestimmt vielmehr durch die Natur des Geistes ,
der sich gedrängt hat in der Welt,
sich zum Bewußtsein seiner selbst zu bringen. [..]

Wa s durch den Begriff bestimmt ist, hat existieren müssen,
und die Religionen, wie sie aufeinander gefolgt sind,
sind nicht in zufälliger Weise entstanden.
 
Der Geist ist es, der das Innere regiert,
und es ist abgeschmackt, nach Art der Historiker
hier nur Zufälligkeit zu sehen.
 
Indem wir diese bestimmten Religionen nach dem Begriff betrachten,
so ist dies eine rein philosophische Betrachtung dessen,was ist. [..]