womit den Anfang machen ?
Logik
Aug 1996
Die Hauptschwierigkeit eines Anfanges in der Philosophie
liegt laut Hegel darin,
ihn entweder
unmittelbar oder vermittelt
zu nehmen.
Nimmt man ihn unmittelbar,
so ist er das
Prinzip,
der absolute Anfang und Grund von allem,
das, woheraus das ganze Universum erzeugt wird.
Wie bei den Alten das Wasser, das Feuer oder der Gedanke.
Nimmt man ihn vermittelt, so ist dieser Anfang des Universums
vermittelt durch das Denken
oder Erkennen.
Entsprechend dieser Vorstellung muss also der Anfang
in der subjektiven Tätigkeit liegen.
Die Einsicht, daß beide Seiten,
die subjektive Tätigkeit sowie deren Gegenstand
die
beiden Momente der Wahrheit selbst
sind,
führt auf die wahre Betrachtung des Anfanges der Philosophie.
Das Reich der Wahrheit
und somit das Element worin der Anfang gemacht werden muss,
ist das
Wissen
und der Anfang selber das
reine Wissen
,
das, welches sich selber Gegenstand ist,
welches selbst Beziehendes, Bezogenes
und deren Beziehung gleichzeitig ist.
“Die Wissenschaft
sucht nicht die Wahrheit,
sie ist in der Wahrheit..”
(Einleitung, Wissensch. d. Logik)
Zur Frage, ob nun das Wissen ein unmittelbares oder vermitteltes sei,
wird bemerkt,
daß es nichts gibt, was nicht
zugleich Vermitteltes und Unmittelbares
ist
und daß die wissenschaftliche Erörterung in jedem logischen Satz
den
Gegensatz
von Unmittelbarem und Vermitteltemsowie dessen
Einheit
und Wahrheit enthält.
Ferner setzt diese Frage die Kenntnis
der wahren Natur des Wissens, des Erkennens und Denkens bereits voraus,
welche aber erst innerhalb der Wissenschaft erworben werden kann.
Es geht hier um den Anfang der Wissenschaft
und damit um den
logischen Anfang
.
Dieser muss im Element des frei für sich seienden Denkens,
im reinen Wissen gemacht werden.
Dieser Anfang ist nun, wie alles,
teils vermittelt, teils unmittelbar zu nehmen.
Vermittelt
ist er durch die Wissenschaft des Bewußtseins,
die
Phänomenologie des Geistes,
deren
Resultat das
reine Wissen
ist.
In ihr wird vom
sinnlichen Bewußtsein
ausgegangen,
welches das eigentliche unmittelbare Wissen,
das
in der Wissenschaft Erste
und somit die eigentliche Voraussetzung ist,
weil der Gegenstand, auf welchen dieses Wissen sich bezieht,
selbst ein für dieses unmittelbarer und gegebener ist.
Das reine Wissen,
als Resultat der Wissenschaft des erscheinenden Geistes (Phäno)
und als Voraussetzung der reinen Wissenschaft (Logik),
ist
die zur Wahrheit gewordene Gewißheit
.
Es ist die Gewißheit, die den
Gegenstand als sich selbst weiß,
ihn innerlich gemacht hat,
und das Wissen von sich als dem Gegenständlichen gegenüber,
aufgegeben hat.
Da das reine Wissen keinen anderen Gegenstand hat als nur sich selbst
und diese Voraussetzung im Fortgang der Wissenschaft bestehen bleibt,
ist
nur aufzunehmen, was bereits an sich im Wissen vorhanden ist.
Aus demselben Grund,
daß das reine Wissen die Beziehung auf Anderes
und damit auf Vermittlung aufgehoben hat,
ist
ebenso nur einfache Unmittelbarkeit
vorhanden.
Der wahre Ausdruck für diese Unmittelbarkeit ist das
reine Sein
,
d.h. Sein überhaupt ohne weitere Bestimmung und Erfüllung.
Das reine Sein, als vermittelt genommen,
ist durch die Beziehung und Vermittlung
von Wissen und Gegenstand (endliches Wissen, Phäno)
und das Aufheben diese Vermittlung (absolutes oder reines Wissen) entstanden.
Soll es in seiner Unmittelbarkeit genommen werden,
so muss nach dem
ersten unmittelbaren Denken für sich
gefragt werden.
Und dieser unmittelbare Anfang des Denkens als solches ist,
daß es ist, also das
reine Sein.
Nach dieser Darlegung des Anfangs
wird im Folgenden auf
drei Vorstellungen
eingegangen,die
gegen das Sein als Anfang
sp rechen könnten.
Eine Vorstellung ist,
daß der Anfang
hypothetisch oder problematisch sein müsse,
da man, um ein absolut Wahres als Resultat zu erhalten,
mit einem ersten Wahren anfangen müsse,
von dem man aber noch nicht wissen könne,
ob er ein erstes Wahres sei.
Hierzu wird bemerkt, daß zwar das reine Sein
weder ein hypothetischer noch ein problematischer Anfang
ist,
weil es das Rein-Unmittelbare ist,
welches, als reines Wissen des reinen Wissens,
kein Anderes zu seinem Ersten hat
und damit reine Unbestimmtheit ist,
in dieser Vorstellung aber dennoch richtige Voraussetzungen
bezüglich des logischen Fortganges enthalten sind.
Daß nämlich das
Vorwärtsgehen
in der Wissenschaft
zugleich ein Rückwärtsgehen
in den Grund,
zum Ursprünglichen und Wahren ist,
so dass einerseits das Erste, womit der
Anfang
gemacht wird,
als etwas angesehen werden muss,
das aus dem Letzten, dem absoluten Grund von allem, erzeugt wurde,
also als ein Resultat.
Andererseits ist der
Grund,
in den die Wissenschaftliche Bewegung zurückgeht,
als ein aus dem Ersten abgeleitetes und somit seinerseits
als Resultat
zu betrachten.
Das wichtigste vor allem ist,
daß das Ganze einen solchen
Kreislauf
darstellt.
Ferner darf der Fortgang vom Anfang nicht so gesehen werden,
daß von einem Seienden zum anderen Seienden
bloß übergegangen wird,
sondern das alles
Folgende eine weitere Bestimmung des Anfanges ist,
in welchem der Anfang die sich erhaltende
Grundlage
bleibt.
Der Anfang ist schon das Ganze, nur völlig unbestimmt und das Fortschreiten ist die Bestimmung des Ganzen.
Am Ende erst zeigt sich das Ganze als völlig bestimmtund auch damit erst als vollständig erkannt.
Die zweite Vorstellung, die betrachtet wird,
ist die des
reinen Anfanges
als solchen,
d.h., daß selbst die Bestimmung des Seins als Anfang
weggelassen werden müsse.
Die Vorstellung des Anfangs als Anfang ist somit Nichts, aber ein solches, aus welchem etwas, also ein Sein, werden soll.
Der Anfang enthält den Fortgang zu etwas, zum Sein.
Sonst finge nichst an, sondern wäre schon fertig.
Er ist die Einheit von Sein und Nichts.
Es soll aber nicht schon mit einem Konkreten,
sondern mit dem Abstraktesten angefangen werden.
Diese Vorstellung, obwohl sie meint eine abstrakte zu sein,
ist bereits eine konkrete,
d.h. eine Vorstellung von einem
Konkreten,
aus welcher die in ihr enthaltenen Bestimmungen
herausanalysiert werden, so dass solches Analysieren
nicht über die subjektive Weise des Denkens hinausgeht.
Die dritte genannte Vorstellung ist die,
welche das
Ich als den Anfang
betrachtet.
Diese Vorstellung resultiert daraus,
daß mit einem ersten, unmittelbaren Wahren
angefangen werden müsse.
Das Problem, mit dem Ich anzufangen, besteht darin,
es als
abstraktes
statt als
konkretes
aufzufassen.
Das Ich ist einerseits die abstrakte Sichaufsichselbstbezogenheit,
andererseits die konkrete mannigfaltige Welt des einzelnen Ichs.
Das, womit der Anfang gemacht werden soll, ist das abstrakte Ich,
was das selbe wäre, wie der Standpunkt des reinen Wissens.
Weil aber niemand unmittelbar, direkt
diese abstrakte Seite bei sich vorfindet,
kommt es zur Verwechslung
mit dem eigenen, subjektiven, konkreten Ich.
Um mit dem abstrakten Ich anzufangen,
müßte deshalb eine notwendige Fortbewegung
vom konkreten zum abstrakten Ich dargestellt worden sein,
was nichts anderes wäre als die Bewegung
vom unmittelbaren Bewußtsein zum reinen Wissen. (Phäno)
Eine weitere Bemerkung hierzu ist, daß es in der
Wissenschaft
um das
Dasein des Innerlichen im Denken
zu tun ist.
Das Ich kann zwar an sich, d.h., innerlich,
als abstraktes Ich oder als intellektuelle Anschauung
oder als reines Wissen bestimmt werden,
aber es kommt eben in der Wissenschaft darauf an,
dieses Innerliche in seiner notwendigen Entäußerung darzulegen,
d.h. ihm Dasein im Denken zu geben.
Was vom Göttlichen, Ewigen oder Absoluten
im Anfang der Wissenschaft da ist,
ist die erste, einfache, unmittelbare Bestimmung.
Das, was in der Vorstellung vom Absoluten mehr liegt, als im reinen Sein,
soll erst in dem denkenden Wissen hervortreten.
Jedes Wort für das Absolute, z.B. Gott, Wesen usw.
ist am Anfang nicht mehr als das reine Sein und nur leeres Wort.