Der Tod ist Entstehung von Leben und Geist
Die nächste Bestimmung aber,
welche sich an die Veränderung anknüpft, ist,
daß die Veränderung, welche
Untergang
ist,
zugleich Hervorgehen eines neuen Lebens
ist,
daß aus dem Leben Tod, aber aus dem Tod Leben hervorgeht.
Es ist dies ein großer Gedanke,
den die
Orientalen
erfaßt haben,und wohl der
höchste ihrer Metaphysik
.
In der Vorstellung von der
Seelenwanderung
ist er in Beziehung auf das Individuelle enthalten;
allgemeiner bekannt ist aber das Bild des
Phönix,
von dem Naturleben,
das ewig sich selbst seinen Scheiterhaufen bereitet
und sich darauf verzehrt,
so daß aus seiner Asche
ewig das neue, verjüngte, frische Leben hervorgeht.
Dies Bild ist aber nur asiatisch, morgenländisch,
nicht abendländisch
.
Der Geist, die Hülle seiner Existenz verzehrend,
wandert nicht bloß in eine andere Hülle über,
noch steht er nur verjüngt aus der Asche seiner Gestaltung auf,
sondern er geht erhoben, verklärt,
ein reinerer Geist aus derselben hervor.
Er tritt allerdings gegen sich auf, verzehrt sein Dasein,
aber indem er es verzehrt,
verarbeitet
er dasselbe,und was seine
Bildung
ist,wird zum Material,
an dem seine Arbeit ihn zu neuer Bildung erhebt.
(VP)
Das Nähere aber ist,
daß das
Endliche
nicht bloß von außen her beschränkt wird,
sondern durch seine eigene Natur sich aufhebt
und
durch sich selbst in sein Gegenteil übergeht
.
So sagt man z. B.: der Mensch ist sterblich,
und betrachtet dann das Sterben als etwas,
das nur in äußeren Umständen seinen Grund hat,
nach welcher Betrachtungsweise
es zwei besondere Eigenschaften des Menschen sind,
lebendig und auch sterblich zu sein.
Die wahrhafte Auffassung aber ist diese,
daß das
Leben
als solches den
Keim des Todes
in sich trägt
und daß überhaupt das Endliche sich in sich
selbst widerspricht und dadurch sich aufhebt.
(Enz-L)
Das Endliche ist als das Negative bestimmt,
muss sich von sich befreien;
dies erste, natürliche, unbefangene
Sichbefreien des Endlichen von seiner Endlichkeit
ist der Tod;
dies ist das
Verzichtleisten auf das Endliche
,
und es wird hier real, actualiter gesetzt,
was das natürliche Leben an sich ist.
Die
sinnliche Lebendigkeit
des Einzelnen hat ihr
Ende
im Tode.
Die einzelnen Empfindungen sind als einzeln vorübergehend:
eine verdrängt die andere;
ein Trieb, eine Begierde vertreibt die andere.
Dieses Sinnliche setzt sich realiter als das, was es ist,
in seinem Untergange.
Im Tode ist das
Endliche als aufgehobenes gesetzt
.
Aber der Tod ist
nur die abstrakte Negation
des an sich Negativen;
er ist
selbst ein Nichtiges
, die offenbare Nichtigkeit.
Aber die gesetzte Nichtigkeit
ist
zugleich
die aufgehobene und die
Rückkehr zumPositiven
.
Hier tritt das Aufhören, das
Loskommen von der Endlichkeit
ein.
Dies Loskommen von der Endlichkeit ist im Bewußtsein
nicht das, was der Tod ist,
sondern dies Höhere ist im
Denken,
- schon in der Vorstellung, soweit darin das Denken tätig ist.
(
VR)