Zweites Kapitel: Die Musik

Blicken wir auf den Gang zurück, den wir bisher in der Entwicklung der besonderen Künste verfolgt haben, so begannen wir mit der Architektur.

Sie war die unvollständigste Kunst, denn wir fanden sie unfähig, in der nur schweren Materie, welche sie als ihr sinnliches Element ergriff und nach den Gesetzen der Schwere behandelte, Geistiges in angemessener Gegenwart darzustellen, und mussten sie darauf beschränken, aus dem Geiste für den Geist in seinem lebendigen, wirklichen Dasein eine kunstgemäße äußere Umgebung zu bereiten.

Die Skulptur dagegen zweitens machte sich zwar das Geistige selbst zu ihrem Gegenstande, doch weder als partikularen Charakter noch als subjektive Innerlichkeit des Gemüts, sondern als die freie Individualität, welche sich ebensowenig von dem substantiellen Gehalt als von der leiblichen Erscheinung des Geistigen abtrennt, sondern als Individuum nur ((131)) so weit in die Darstellung hineingeht, als es zur individuellen Verlebendigung eines in sich selbst wesentlichen Inhalts erforderlich ist, und als geistiges Inneres die Körperformen nur um so viel durchdringt, als es die in sich unzerschiedene Einigung des Geistes und seiner ihm entsprechenden Naturgestalt zuläßt.

Diese für die Skulptur notwendige Identität des nur in seinem leiblichen Organismus - statt im Elemente seiner eigenen Innerlichkeit - für sich seienden Geistes teilt dieser Kunst die Aufgabe zu, als Material noch die schwere Materie beizubehalten, die Gestalt derselben aber nicht, wie die Architektur, als eine bloß unorganische Umgebung nach den Gesetzen des Lastens und Tragens zu formieren, sondern zu der dem Geist und seiner idealen Plastik adäquaten klassischen Schönheit umzuwandeln.

Wenn sich die Skulptur in dieser Rücksicht besonders geeignet zeigte, den Gehalt und die Ausdrucksweise der klassischen Kunstform in Kunstwerken lebendig werden zu lassen, während die Architektur, welchem Inhalt sie sich auch dienstbar erweisen mochte, in ihrer Darstellungsart über den Grundtypus einer nur symbolischen Andeutung nicht hinauskam, so treten wir drittens mit der Malerei in das Gebiet des Romantischen hinein.

Denn in der Malerei ist zwar auch noch die äußere Gestalt das Mittel, durch welches sich das Innere offenbar macht, dies Innere aber ist die ideelle, besondere Subjektivität, das aus seinem leiblichen Dasein in sich gekehrte Gemüt, die subjektive Leidenschaft und Empfindung des Charakters und Herzens, die sich nicht mehr in die Außengestalt total ergießen, sondern in derselben gerade das innerliche Fürsichsein und die Beschäftigung des Geistes mit dem Bereich seiner eigenen Zustände, Zwecke und Handlungen abspiegeln.

Um dieser Innerlichkeit ihres Inhalts willen kann die Malerei sich nicht mit der einerseits nur als schwer gestalteten, andererseits nur ihrer Gestalt nach aufzufassenden, unpartikularisierten Materie begnügen, sondern darf sich nur den Schein und Farbenschein derselben zum sinnlichen Ausdrucksmittel erwählen.

Dennoch ist die Farbe nur ((132)) da, um räumliche Formen und Gestalten, als in lebendiger Wirklichkeit vorhanden, selbst dann noch scheinbar zu machen, wenn die Kunst des Malens zu einer Magie des Kolorits sich fortbildet, in welcher das Objektive gleichsam schon zu verschweben beginnt und die Wirkung fast nicht mehr durch etwas Materielles geschieht.

Wie sehr deshalb die Malerei sich auch zu dem ideelleren Freiwerden des Scheines entwickelt, der nicht mehr an der Gestalt als solcher haftet, sondern sich in seinem eigenen Elemente, in dem Spiel der Scheine und Widerscheine, in den Zaubereien des Helldunkels für sich selber zu ergehen die Erlaubnis hat, so ist doch diese Farbenmagie immer noch räumlicher Art, ein auseinanderseiender und daher bestehender Schein.

  1. Soll nun aber das Innere, wie dies bereits im Prinzip der Malerei der Fall ist, in der Tat als subjektive Innerlichkeit sich kundgeben, so darf das wahrhaft entsprechende Material nicht von der Art sein, daß es noch für sich Bestand hat.

Dadurch erhalten wir eine Äußerungsweise und Mitteilung, in deren sinnliches Element die Objektivität nicht als räumliche Gestalt, um darin standzuhalten, eingeht, und bedürfen ein Material, das in seinem Sein-für-Anderes haltlos ist und in seinem Entstehen und Dasein selbst schon wieder verschwindet.

Dies Tilgen nicht nur der einen Raumdimension, sondern der totalen Räumlichkeit überhaupt, dies völlige Zurückziehen in die Subjektivität nach seiten des Inneren wie der Äußerung, vollbringt die zweite romantische Kunst - die Musik.

Sie bildet in dieser Beziehung den eigentlichen Mittelpunkt derjenigen Darstellung, die sich das Subjektive als solches sowohl zum Inhalte als auch zur Form nimmt, indem sie als Kunst zwar das Innere zur Mitteilung bringt, doch in ihrer Objektivität selber subjektiv bleibt, d.h. nicht wie die bildende Kunst die Äußerung, zu der sie sich entschließt, für sich frei werden und zu einer in sich ruhig bestehenden Existenz kommen läßt, sondern dieselbe als Objektivität aufhebt und dem äußeren nicht gestattet, als Äußeres sich uns gegenüber ein festes Dasein anzueignen. ((133))

Insofern jedoch das Aufheben der räumlichen Objektivität als Darstellungsmittels ein Verlassen derselben ist, das noch erst von der sinnlichen Räumlichkeit der bildenden Künste selber herkommt, so muss sich diese Negation ganz ebenso an der bisher ruhig für sich bestehenden Materialität betätigen, wie die Malerei in ihrem Felde die Raumdimensionen der Skulptur zur Fläche reduzierte.

Die Aufhebung des Räumlichen besteht deshalb hier nur darin, daß ein bestimmtes sinnliches Material sein ruhiges Außereinander aufgibt, in Bewegung gerät, doch so in sich erzittert, daß jeder Teil des kohärierenden Körpers seinen Ort nicht nur verändert, sondern auch sich in den vorigen Zustand zurückzuversetzen strebt.

Das Resultat dieses schwingenden Zitterns ist der Ton, das Material der Musik.

Mit dem Ton nun verläßt die Musik das Element der äußeren Gestalt und deren anschauliche Sichtbarkeit und bedarf deshalb zur Auffassung ihrer Produktionen auch eines anderen subjektiven Organs, des Gehörs, das wie das Gesicht nicht den praktischen, sondern den theoretischen Sinnen zugehört und selbst noch ideeller ist als das Gesicht.

Denn die ruhige, begierdelose Beschauung von Kunstwerken läßt zwar die Gegenstände, ohne sie irgend vernichten zu wollen, für sich, wie sie da sind, ruhig bestehen, aber das, was sie auffaßt, ist nicht das in sich selbst Ideellgesetzte, sondern im Gegenteil das in seiner sinnlichen Existenz Erhaltene.

Das Ohr dagegen vernimmt, ohne sich selber praktisch gegen die Objekte hinauszuwenden, das Resultat jenes inneren Erzitterns des Körpers, durch welches nicht mehr die ruhige materielle Gestalt, sondern die erste ideellere Seelenhaftigkeit zum Vorschein kommt.

Da nun ferner die Negativität, in die das schwingende Material hier eingeht, einerseits ein Aufheben des räumlichen Zustandes ist, das selbst wieder durch die Reaktion des Körpers aufgehoben wird, so ist die Äußerung dieser zwiefachen Negation, der Ton, eine Äußerlichkeit, welche sich in ihrem Entstehen durch ihr Dasein selbst wieder vernichtet und an sich selbst verschwindet. ((134))

Durch diese gedoppelte Negation der Äußerlichkeit, welche im Prinzipe des Tons liegt, entspricht derselbe der inneren Subjektivität, indem das Klingen, das an und für sich schon etwas Ideelleres ist als die für sich real bestehende Körperlichkeit, auch diese ideellere Existenz aufgibt und dadurch eine dem Innerlichen gemäße Äußerungsweise wird.

  1. Fragen wir nun umgekehrt, welcher Art das Innere sein müsse, um sich seinerseits wiederum dem Klingen und Tönen adäquat erweisen zu können, so haben wir bereits gesehen, daß für sich, als reale Objektivität genommen, der Ton dem Material der bildenden Künste gegenüber ganz abstrakt ist.

Gestein und Färbung nehmen die Formen einer breiten, vielgestaltigen Welt der Gegenstände in sich auf und stellen dieselbe ihrem wirklichen Dasein nach dar; die Töne vermögen dies nicht.

Für den Musikausdruck eignet sich deshalb auch nur das ganz objektlose Innere, die abstrakte Subjektivität als solche.

Diese ist unser ganz leeres Ich, das Selbst ohne weiteren Inhalt.

Die Hauptaufgabe der Musik wird deshalb darin bestehen, nicht die Gegenständlichkeit selbst, sondern im Gegenteil die Art und Weise widerklingen zu lassen, in welcher das innerste Selbst seiner Subjektivität und ideellen Seele nach in sich bewegt ist.

  1. Dasselbe gilt für die Wirkung der Musik.

Was durch sie in Anspruch genommen wird, ist die letzte subjektive Innerlichkeit als solche; sie ist die Kunst des Gemüts, welche sich unmittelbar an das Gemüt selber wendet.

Die Malerei z.B., wie wir sahen, vermag zwar gleichfalls das innere Leben und Treiben, die Stimmungen und Leidenschaften des Herzens, die Situationen, Konflikte und Schicksale der Seele in Physiognomien und Gestalten auszudrücken; was wir aber in Gemälden vor uns haben, sind objektive Erscheinungen, von denen das anschauende Ich als inneres Selbst noch unterschieden bleibt.

Man mag sich in den Gegenstand, die Situation, den Charakter, die Formen einer Statue oder eines Gemäldes noch so sehr versenken und vertiefen, das Kunstwerk bewundern, darüber außer sich kommen, sich noch so ((135)) sehr davon erfüllen - es hilft nichts, diese Kunstwerke sind und bleiben für sich bestehende Objekte, in Rücksicht auf welche wir über das Verhältnis des Anschauens nicht hinauskommen.

In der Musik aber fällt diese Unterscheidung fort.

Ihr Inhalt ist das an sich selbst Subjektive, und die Äußerung bringt es gleichfalls nicht zu einer räumlich bleibenden Objektivität, sondern zeigt durch ihr haltungsloses freies Verschweben, daß sie eine Mitteilung ist, die, statt für sich selbst einen Bestand zu haben, nur vom Inneren und Subjektiven getragen und nur für das subjektive Innere dasein soll.

So ist der Ton wohl eine Äußerung und Äußerlichkeit, aber eine Äußerung, welche gerade dadurch, daß sie Äußerlichkeit ist, sogleich sich wieder verschwinden macht.

Kaum hat das Ohr sie gefaßt, so ist sie verstummt; der Eindruck, der hier stattfinden soll, verinnerlicht sich sogleich; die Töne klingen nur in der tiefsten Seele nach, die in ihrer ideellen Subjektivität ergriffen und in Bewegung gebracht wird.

Diese gegenstandslose Innerlichkeit in betreff auf den Inhalt wie auf die Ausdrucksweise macht das Formelle der Musik aus.

Sie hat zwar auch einen Inhalt, doch weder in dem Sinne der bildenden Künste noch der Poesie; denn was ihr abgeht, ist eben das objektive Sichausgestalten, sei es zu Formen wirklicher äußerer Erscheinungen oder zur Objektivität von geistigen Anschauungen und Vorstellungen.

Was nun den Verlauf angeht, den wir unseren weiteren Betrachtungen geben wollen, so haben wir erstens den allgemeinen Charakter der Musik und ihrer Wirkung im Unterschiede der übrigen Künste, sowohl von seiten des Materials als auch von seiten der Form, welche der geistige Inhalt annimmt, bestimmter herauszuheben.

Zweitens müssen wir die besonderen Unterschiede erörtern, zu denen sich die musikalischen Töne und deren Figurationen teils in Rücksicht auf ihre zeitliche Dauer, teils in Beziehung auf die qualitativen Unterschiede ihres realen Erklingens auseinanderbreiten und vermitteln.

Drittens endlich erhält die Musik ein Verhältnis zu dem ((136)) Inhalt, den sie ausdrückt, indem sie sich entweder den für sich schon durch das Wort ausgesprochenen Empfindungen, Vorstellungen und Betrachtungen begleitend anschließt oder sich frei in ihrem eigenen Bereich in fesselloserer Selbständigkeit ergeht.

Wollen wir nun aber jetzt, nach dieser allgemeinen Angabe des Prinzips und der Einteilung der Musik, zur Auseinandersetzung ihrer besonderen Seiten fortschreiten, so tritt der Natur der Sache nach eine eigene Schwierigkeit ein.

Weil nämlich das musikalische Element des Tons und der Innerlichkeit, zu welcher der Inhalt sich forttreibt, so abstrakt und formell ist, so kann zum Besonderen nicht anders übergegangen werden, als daß wir sogleich in technische Bestimmungen verfallen, in die Maßverhältnisse der Töne, in die Unterschiede der Instrumente, der Tonarten, Akkorde usf.

In diesem Gebiete aber bin ich wenig bewandert und muss mich deshalb im voraus entschuldigen, wenn ich mich nur auf allgemeinere Gesichtspunkte und einzelne Bemerkungen beschränke.

  1. Allgemeiner Charakter der Musik

Die wesentlichen Gesichtspunkte, welche in Rücksicht auf die Musik im allgemeinen von Belang sind, können wir in nachstehender Reihenfolge in Betracht ziehen:

Erstens haben wir die Musik auf der einen Seite mit den bildenden Künsten, auf der anderen mit der Poesie in Vergleich zu bringen.

Zweitens wird sich uns dadurch näher die Art und Weise ergeben, in der die Musik einen Inhalt zu fassen und darzustellen vermag.

Drittens können wir uns aus dieser Behandlungsart bestimmter die eigentümliche Wirkung erklären, welche die Musik im Unterschiede der übrigen Künste auf das Gemüt ausübt. ((137))

  1. Vergleich mit den bildenden Künsten und der Poesie

In Ansehung des ersten Punktes müssen wir die Musik, wenn wir sie in ihrer spezifischen Besonderheit klar herausstellen wollen, nach drei Seiten mit den anderen Künsten vergleichen.

  1. Erstens steht sie zur Architektur, obschon sie derselben entgegengesetzt ist, dennoch in einem verwandtschaftlichen Verhältnis.

aa) Wenn nämlich in der Baukunst der Inhalt, der sich in architektonischen Formen ausprägen soll, nicht wie in Werken der Skulptur und Malerei ganz in die Gestalt hereintritt, sondern von ihr als eine äußere Umgebung unterschieden bleibt, so ist auch in der Musik als eigentlich romantischer Kunst die klassische Identität des Inneren und seines äußerlichen Daseins in der ähnlichen, wenn auch umgekehrten Weise wieder aufgelöst, in welcher die Architektur als symbolische Darstellungsart jene Einheit zu erreichen noch nicht imstande war.

Denn das geistige Innere geht aus der bloßen Konzentration des Gemüts zu Anschauungen und Vorstellungen und deren durch die Phantasie ausgebildeten Formen fort, während die Musik mehr nur das Element der Empfindung auszudrücken befähigt bleibt und nun die für sich ausgesprochenen Vorstellungen des Geistes mit den melodischen Klängen der Empfindung umzieht, wie die Architektur auf ihrem Gebiet um die Bildsäule des Gottes in freilich starrer Weise die verständigen Formen ihrer Säulen, Mauern und Gebälke umherstellt.

bb) Dadurch wird nun der Ton und seine Figuration in einer ganz anderen Art ein erst durch die Kunst und den bloß künstlerischen Ausdruck gemachtes Element, als dies in der Malerei und Skulptur mit dem menschlichen Körper und dessen Stellung und Physiognomie der Fall ist.

Auch in dieser Rücksicht kann die Musik näher mit der Architektur verglichen werden, welche ihre Formen nicht aus dem Vorhandenen, ((138)) sondern aus der geistigen Erfindung hernimmt, um sie teils nach den Gesetzen der Schwere, teils nach den Regeln der Symmetrie und Eurhythmie zu gestalten.

Dasselbe tut die Musik in ihrem Bereich, insofern sie einerseits unabhängig vom Ausdruck der Empfindung den harmonischen Gesetzen der Töne folgt, die auf quantitativen Verhältnissen beruhen, andererseits sowohl in der Wiederkehr des Taktes und Rhythmus als auch in weiteren Ausbildungen der Töne selbst vielfach den Formen der Regelmäßigkeit und Symmetrie anheimfällt.

Und so herrscht denn in der Musik ebensosehr die tiefste Innigkeit und Seele als der strengste Verstand, so daß sie zwei Extreme in sich vereinigt, die sich leicht gegeneinander verselbständigen.

In dieser Verselbständigung besonders erhält die Musik einen architektonischen Charakter, wenn sie sich, losgelöst von dem Ausdruck des Gemüts, für sich selber ein musikalisch gesetzmäßiges Tongebäude erfindungsreich ausführt.

yy) Bei aller dieser Ähnlichkeit bewegt sich die Kunst der Töne jedoch ebensosehr in einem der Architektur ganz entgegengesetzten Reiche.

In beiden Künsten geben zwar die quantitativen und näher die Maßverhältnisse die Grundlage ab, das Material jedoch, das diesen Verhältnissen gemäß geformt wird, steht sich direkt gegenüber.

Die Architektur ergreift die schwere sinnliche Masse in deren ruhigem Nebeneinander und räumlicher äußerer Gestalt, die Musik dagegen die aus der räumlichen Materie sich freiringende Tonseele in den qualitativen Unterschieden des Klangs und in der fortströmenden zeitlichen Bewegung.

Deshalb gehören auch die Werke beider Künste zwei ganz verschiedenen Sphären des Geistes an, indem die Baukunst ihre kolossalen Bildungen für die äußere Anschauung in symbolischen Formen dauernd hinsetzt, die schnell vorüberrauschende Welt der Töne aber unmittelbar, durch das Ohr in das Innere des Gemüts einzieht und die Seele zu sympathischen Empfindungen stimmt.

  1. Was nun zweitens das nähere Verhältnis der Musik zu ((139)) den beiden anderen bildenden Künsten betrifft, so ist die Ähnlichkeit und Verschiedenheit, die sich angeben läßt, zum Teil schon in dem begründet, was ich soeben angedeutet habe.

  2. Am weitesten steht die Musik von der Skulptur ab, sowohl in Rücksicht auf das Material und die Gestaltungsweise desselben als auch in Ansehung der vollendeten Ineinsbildung von Innerem und Äußerem, zu welcher es die Skulptur bringt.

Zu der Malerei hingegen hat die Musik schon eine nähere Verwandtschaft, teils wegen der überwiegenden Innerlichkeit des Ausdrucks, teils auch in bezug auf die Behandlung des Materials, in welcher, wie wir sahen, die Malerei bis nahe an das Gebiet der Musik heranzustreifen unternehmen darf.

Dennoch aber hat die Malerei in Gemeinschaft mit der Skulptur immer die Darstellung einer objektiven räumlichen Gestalt zu ihrem Ziel und ist durch die wirkliche, außerhalb der Kunst bereits vorhandene Form derselben gebunden.

Zwar nimmt weder der Maler noch der Bildhauer ein menschliches Gesicht, eine Stellung des Körpers, die Linien eines Gebirgszuges, das Gezweig und Blätterwerk eines Baumes jedesmal so auf, wie er diese äußeren Erscheinungen hier oder dort in der Natur unmittelbar vor sich sieht, sondern hat die Aufgabe, dies Vorgefundene sich zurechtzulegen und es einer bestimmten Situation sowie dem Ausdruck, der aus dem Inhalt derselben notwendig folgt, gemäß zu machen.

Hier ist also auf der einen Seite ein für sich fertiger Inhalt, der künstlerisch individualisiert werden soll, auf der anderen Seite stehen ebenso die vorhandenen Formen der Natur schon für sich selber da, und der Künstler hat, wenn er nun diese beiden Elemente, wie es sein Beruf ist, ineinander bilden will, in beiden Haltpunkte für die Konzeption und Ausführung.

Indem er von solchen festen Bestimmungen ausgeht, hat er teils das Allgemeine der Vorstellung konkreter zu verkörpern, teils die menschliche Gestalt oder sonstige Formen der Natur, die ihm in ihrer Einzelheit zu Modellen dienen können, ((140)) zu generalisieren und zu vergeistigen.

Der Musiker dagegen abstrahiert zwar auch nicht von allem und jedem Inhalt, sondern findet denselben in einem Text, den er in Musik setzt, oder kleidet sich unabhängiger schon irgendeine Stimmung in die Form eines musikalischen Themas, das er dann weiter ausgestaltet; die eigentliche Region seiner Kompositionen aber bleibt die formellere Innerlichkeit, das reine Tönen, und sein Vertiefen in den Inhalt wird statt eines Bildes nach außen vielmehr ein Zurücktreten in die eigene Freiheit des Innern, ein Ergehen seiner in ihm selbst und in manchen Gebieten der Musik sogar eine Vergewisserung, daß er als Künstler frei von dem Inhalte ist.

Wenn wir nun im allgemeinen schon die Tätigkeit im Bereiche des Schönen als eine Befreiung der Seele, als ein Lossagen von Bedrängnis und Beschränktheit ansehen können, indem die Kunst selbst die gewaltsamsten tragischen Schicksale durch theoretisches Gestalten mildert und sie zum Genusse werden läßt, so führt die Musik diese Freiheit zur letzten Spitze.

Was nämlich die bildenden Künste durch die objektive plastische Schönheit erreichen, welche die Totalität des Menschen, die menschliche Natur als solche, das Allgemeine und Ideale, ohne die Harmonie in sich selbst zu verlieren, in der Partikularität des Einzelnen herausstellt, das muss die Musik in ganz anderer Weise ausführen.

Der bildende Künstler braucht nur dasjenige, was in der Vorstellung eingehüllt, was schon von Hause aus darin ist, hervor-, d.h. herauszubringen, so daß alles einzelne in seiner wesentlichen Bestimmtheit nur eine nähere Explikation der Totalität ist, welche dem Geiste bereits durch den darzustellenden Inhalt vorschwebt.

Eine Figur z.B. in einem plastischen Kunstwerke fordert in dieser oder jener Situation einen Körper, Hände, Füße, Leib, einen Kopf mit solchem Ausdrucke, solcher Stellung, solche andere Figuren, sonstige Zusammenhänge usf., und jede dieser Seiten fordert die anderen, um sich mit ihnen zu einem in sich selbst begründeten Ganzen zusammenzuschließen.

Die Ausbildung des Themas ist hier ((141)) nur eine genauere Analyse dessen, was dasselbe schon an sich selbst enthält, und je ausgearbeiteter das Bild wird, das dadurch vor uns steht, desto mehr konzentriert sich die Einheit und verstärkt sich der bestimmtere Zusammenhang der Teile.

Der vollendeteste Ausdruck des Einzelnen muss, wenn das Kunstwerk echter Art ist, zugleich die Hervorbringung der höchsten Einheit sein.

Nun darf allerdings auch einem musikalischen Werke die innere Gliederung und Abrundung zum Ganzen, in welchem ein Teil den anderen nötig macht, nicht fehlen; teils ist aber hier die Ausführung ganz anderer Art, teils haben wir die Einheit in einem beschränkteren Sinne zu nehmen.

bb) In einem musikalischen Thema ist die Bedeutung, die es ausdrücken soll, bereits erschöpft; wird es nun wiederholt oder auch zu weiteren Gegensätzen und Vermittlungen fortgeführt, so erweisen sich diese Wiederholungen, Ausweichungen, Durchbildungen durch andere Tonarten usf. für das Verständnis leicht als überflüssig und gehören mehr nur der rein musikalischen Ausarbeitung und dem Sicheinleben in das mannigfaltige Element harmonischer Unterschiede an, die weder durch den Inhalt selbst gefordert sind, noch von ihm getragen bleiben, während in den bildenden Künsten dagegen die Ausführung des Einzelnen und ins einzelne nur eine immer genauere Heraushebung und lebendige Analyse des Inhalts selber wird.

Doch läßt sich freilich nicht leugnen, daß auch in einem musikalischen Werke durch die Art und Weise, wie ein Thema sich weiterleitet, ein anderes hinzukommt und beide nun in ihrem Wechsel oder in ihrer Verschlingung sich forttreiben, verändern, hier unterzugehen, dort wieder aufzutauchen, jetzt besiegt scheinen, dann wieder siegend eintreten, sich ein Inhalt in seinen bestimmteren Beziehungen, Gegensätzen, Konflikten, Übergängen, Verwicklungen und Lösungen explizieren kann.

Aber auch in diesem Falle wird durch solche Durcharbeitung die Einheit nicht wie in der Skulptur und Malerei vertiefter und konzentrierter, sondern ist eher eine Ausweitung, Verbreitung, ((142)) 1 ein Auseinandergehen, eine Entfernung und Zurückführung, für welche der Inhalt, der sich auszusprechen hat, wohl der allgemeinere Mittelpunkt bleibt, doch das Ganze nicht so fest zusammenhält, als dies in den Gestalten der bildenden Kunst, besonders wo sie sich auf den menschlichen Organismus beschränkt, möglich ist.

yy) Nach dieser Seite hin liegt die Musik, im Unterschiede der übrigen Künste, dem Elemente jener formellen Freiheit des Inneren zu nahe, als daß sie sich nicht mehr oder weniger über das Vorhandene, den Inhalt, hinaus wenden könnte.

Die Erinnerung an das angenommene Thema ist gleichsam eine Er-Innerung des Künstlers, d.h. ein Innewerden, daß er der Künstler ist und sich willkürlich zu ergehen und hin- und herzutreiben vermag.

Doch wird das freie Phantasieren in dieser Rücksicht ausdrücklich von einem in sich geschlossenen Musikstück unterschieden, das wesentlich ein gegliedertes Ganzes ausmachen soll.

In dem freien Phantasieren ist die Ungebundenheit selber Zweck, so daß nun der Künstler unter anderem auch die Freiheit zeigen kann, bekannte Melodien und Passagen in seine augenblickliche Produktion zu verweben, ihnen eine neue Seite abzugewinnen, sie in mancherlei Nuancen zu verarbeiten, zu anderen überzuleiten und von da aus ebenso auch zum Heterogensten fortzuschreiten.

Im ganzen aber schließt ein Musikstück überhaupt die Freiheit ein, es gehaltener auszuführen und eine sozusagen plastischere Einheit zu beobachten oder in subjektiver Lebendigkeit von jedem Punkte aus mit Willkür in größeren oder geringeren Abschweifungen sich zu ergehen, auf dieselbe Weise hin und her zu wiegen, kapriziös einzuhalten, dies oder das hereinbrechen und dann wieder in einem flutenden Strome sich fortrauschen zu lassen.

Wenn man daher dem Maler, dem Bildhauer empfehlen muss, die Naturformen zu studieren, so besitzt die Musik nicht einen solchen Kreis schon außerhalb ihrer vorhandener Formen, an welche sie sich zu halten genötigt wäre.

Der Umkreis ihrer Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit von Formen fällt vornehmlich ((143)) in das Bereich der Töne selbst, welche in einen so engen Zusammenhang mit der Bestimmtheit des Inhalts, der sich in sie hineinlegt, nicht eingehen und in Rücksicht auf ihre Anwendung außerdem für die subjektive Freiheit der Ausführung meist einen weiten Spielraum übriglassen.

Dies ist der Hauptgesichtspunkt, nach welchem man die Musik den objektiver gestaltenden Künsten gegenüberstellen kann.

  1. Nach der anderen Seite drittens hat die Musik die meiste Verwandtschaft mit der Poesie, indem beide sich desselben sinnlichen Materials, des Tons, bedienen.

Doch findet auch zwischen diesen Künsten, sowohl was die Behandlungsart der Töne, als auch was die Ausdrucksweise angeht, die größte Verschiedenheit statt.

aa) In der Poesie, wie wir schon bei der allgemeinen Einteilung der Künste sahen, wird nicht der Ton als solcher mannigfaltigen, durch die Kunst erfundenen Instrumenten entlockt und kunstreich gestaltet, sondern der artikulierte Laut des menschlichen Sprechorgans wird zum bloßen Redezeichen herabgesetzt und behält deshalb nur den Wert, eine für sich bedeutungslose Bezeichnung von Vorstellungen zu sein.

Dadurch bleibt der Ton überhaupt ein selbständiges sinnliches Dasein, das, als bloßes Zeichen der Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken, seine ihm selbst immanente Äußerlichkeit und Objektivität eben darin hat, daß es nur dies Zeichen ist.

Denn die eigentliche Objektivität des Inneren als Inneren besteht nicht in den Lauten und Wörtern, sondern darin, daß ich mir eines Gedankens, einer Empfindung usf. bewußt bin, sie mir zum Gegenstande mache und so in der Vorstellung vor mir habe oder mir sodann, was in einem Gedanken, einer Vorstellung liegt, entwickle, die äußeren und inneren Verhältnisse des Inhalts meiner Gedanken auseinanderlege, die besonderen Bestimmungen aufeinander beziehe usf.

Wir denken zwar stets in Worten, ohne dabei jedoch des wirklichen Sprechens zu bedürfen.

Durch diese Gleichgültigkeit der Sprachlaute als sinnlicher ((144)) gegen den geistigen Inhalt der Vorstellungen usf., zu deren Mitteilung sie gebraucht werden, erhält der Ton hier wieder Selbständigkeit.

In der Malerei ist zwar die Farbe und deren Zusammenstellung, als bloße Farbe genommen, gleichfalls für sich bedeutungslos und ein gegen das Geistige selbständiges sinnliches Element; aber Farbe als solche macht auch noch keine Malerei, sondern Gestalt und deren Ausdruck müssen hinzukommen.

Mit diesen geistig beseelten Formen tritt dann die Färbung in einen bei weitem engeren Zusammenhang, als ihn die Sprachlaute und deren Zusammensetzung zu Wörtern mit den Vorstellungen haben.

Dadurch kann das Tonreich, da es nicht zur bloßen Bezeichnung dienen soll, in diesem Freiwerden zu einer Gestaltungsweise kommen, welche ihre eigene Form als kunstreiches Tongebilde zu ihrem wesentlichen Zweck werden läßt.

In neuerer Zeit besonders ist die Musik in der Losgerisenheit von einem für sich schon klaren Gehalt so in ihr eigenes Element zurückgegangen, doch hat dafür auch desto mehr an Macht über das ganze Innere verloren, indem der Genuß, den sie bieten kann, sich nur der einen Seite der Kunst zuwendet, dem bloßen Interesse nämlich für das rein Musikalische der Komposition und deren Geschicklichkeit, eine Seite, welche nur Sache der Kenner ist und das allgemeinmenschliche Kunstinteresse weniger angeht.

bb) Was nun aber die Poesie an äußerer Objektivität verliert, indem sie ihr sinnliches Element, soweit es nur irgend der Kunst vergönnt werden darf, zu beseitigen weiß, das gewinnt sie an innerer Objektivität der Anschauungen und Vorstellungen, welche die poetische Sprache vor das geistige Bewußtsein hinstellt.

Denn diese Anschauungen, Empfindungen, Gedanken hat die Phantasie zu einer in sich selbst fertigen Welt von Begebenheiten, Handlungen, Gemütsstimmungen ((145)) und Ausbrüchen der Leidenschaft zu gestalten und bildet in dieser Weise Werke aus, in welchen die ganze Wirklichkeit sowohl der äußeren Erscheinung als dem inneren Gehalt nach für unsere geistige Empfindung Anschauung und Vorstellung wird.

Dieser Art der Objektivität muss die Musik, insofern sie sich in ihrem eigenen Felde selbständig halten will, entsagen.

Das Tonreich nämlich hat, wie ich bereits angab, wohl ein Verhältnis zum Gemüt und ein Zusammenstimmen mit den geistigen Bewegungen desselben; weiter aber als zu einem immer unbestimmteren Sympathisieren kommt es nicht, obschon nach dieser Seite hin ein musikalisches Werk, wenn es aus dem Gemüte selbst entsprungen und von reicher Seele und Empfindung durchzogen ist, ebenso reichhaltig wieder zurückwirken kann.

Dies kann nun auch bei einem musikalischen Werke geschehen, sobald die Empfindungen, die es in uns seiner eigenen Natur und künstlerischen Beseelung nach erregt, sich in uns zu näheren Anschauungen und Vorstellungen ausbilden und somit auch die Bestimmtheit der Gemütseindrücke in festeren Anschauungen und allgemeineren Vorstellungen zum Bewußtsein bringen.

Dies ist dann aber unsere Vorstellung und Anschauung, zu der wohl das Musikwerk den Anstoß gegeben, die es jedoch nicht selber durch seine musikalische Behandlung der Töne unmittelbar hervorgebracht hat.

Die Poesie hingegen spricht die Empfindungen, Anschauungen und Vorstellungen selber aus und vermag uns auch ein Bild äußerer Gegenstände zu entwerfen, obgleich sie ihrerseits weder die deutliche Plastik der Skulptur und Malerei noch die Seeleninnigkeit der Musik erreichen kann und deshalb unsere sonstige sinnliche Anschauung und sprachlose Gemütsauffassung zur Ergänzung heranrufen muss.

yy) Drittens aber bleibt die Musik nicht in dieser Selbständigkeit ((146)) gegen die Dichtkunst und den geistigen Gehalt des Bewußtseins stehen, sondern verschwistert sich mit einem durch die Poesie schon fertig ausgebildeten und als Verlauf von Empfindungen, Betrachtungen, Begebnissen und Handlungen klar ausgesprochenen Inhalt.

Soll jedoch, die musikalische Seite eines solchen Kunstwerkes das Wesentliche und Hervorstechende desselben bleiben, so darf die Poesie als Gedicht, Drama usf. nicht für sich mit dem Anspruch auf eigentümliche Gültigkeit heraustreten.

Überhaupt ist innerhalb dieser Verbindung von Musik und Poesie das Übergewicht der einen Kunst nachteilig für die andere.

Wenn daher der Text als poetisches Kunstwerk für sich von durchaus selbständigem Wert ist, so darf derselbe von der Musik nur eine geringe Unterstützung erwarten; wie z.B. die Musik in den dramatischen Chören der Alten eine bloß untergeordnete Begleitung war.

Erhält aber umgekehrt die Musik die Stellung einer für sich unabhängigeren Eigentümlichkeit, so kann wiederum der Text seiner poetischen Ausführung nach nur oberflächlicher sein und muss für sich bei allgemeinen Empfindungen und allgemein gehaltenen Vorstellungen stehenbleiben.

Poetische Ausarbeitungen tiefer Gedanken geben ebensowenig einen guten musikalischen Text ab als Schilderungen äußerer Naturgegenstände oder beschreibende Poesie überhaupt.

Lieder, Opernarien, Texte von Oratorien usf. können daher, was die nähere poetische Ausführung angeht, mager und von einer gewissen Mittelmäßigkeit sein; der Dichter muss sich, wenn der Musiker freien Spielraum behalten soll, nicht als Dichter bewundern lassen wollen.

Nach dieser Seite hin sind besonders die Italiener, wie z.B. Metastasio und andere, von großer Geschicklichkeit gewesen, während Schillers Gedichte, die auch zu solchem Zweck in keiner [?] Weise gemacht sind, sich zur musikalischen Komposition als sehr schwerfällig und unbrauchbar erweisen.

Wo die Musik zu einer kunstmäßigeren Ausbildung kommt, versteht man vom Text ohnehin wenig oder nichts, besonders bei unserer deutschen Sprache ((147)) und Aussprache.

Daher ist es denn auch eine unmusikalische Richtung, das Hauptgewicht des Interesses auf den Text zu legen.

Ein italienisches Publikum z.B. schwatzt während der unbedeutenderen Szenen einer Oper, ißt, spielt Karten usf.; beginnt aber irgendeine hervorstechende Arie oder sonst ein wichtiges Musikstück, so ist jeder von höchster Aufmerksamkeit.

Wir Deutschen dagegen nehmen das größte Interesse an dem Schicksal und den Reden der Opernprinzen und -prinzessinnen mit ihren Bedienten, Schildknappen, Vertrauten und Zofen, und es gibt vielleicht auch jetzt noch ihrer viele, welche, sobald der Gesang anfängt, bedauern, daß das Interesse unterbrochen wird, und sich dann mit Schwatzen aushelfen.

  1. Musikalische Auffassung des Inhalts

Fragen wir nun zweitens nach der von den übrigen Künsten unterschiedenen Auffassungsweise, in deren Form die Musik, sei sie begleitend oder von einem bestimmten Text unabhängig, einen besonderen Inhalt ergreifen und ausdrücken kann, so sagte ich bereits früher, daß die Musik unter allen Künsten die meiste Möglichkeit in sich schließe, sich nicht nur von jedem wirklichen Text, sondern auch von dem Ausdruck irgendeines bestimmten Inhalts zu befreien, um sich bloß in einem in sich abgeschlossenen Verlauf von Zusammenstellungen, Veränderungen, Gegensätzen und Vermittlungen zu befriedigen, welche innerhalb des rein musikalischen Bereichs der Töne fallen.

Dann bleibt aber die Musik leer, bedeutungslos und ist, da ihr die eine Hauptseite aller Kunst, der ((148)) geistige Inhalt und Ausdruck abgeht, noch nicht eigentlich zur Kunst zu rechnen.

Erst wenn sich in dem sinnlichen Element der Töne und ihrer mannigfaltigen Figuration Geistiges in angemessener Weise ausdrückt, erhebt sich auch die Musik zur wahren Kunst, gleichgültig, ob dieser Inhalt für sich seine nähere Bezeichnung ausdrücklich durch Worte erhalte oder unbestimmter aus den Tönen und deren harmonischen Verhältnissen und melodischer Beseelung müsse empfunden werden.

  1. In dieser Rücksicht besteht die eigentümliche Aufgabe der Musik darin, daß sie jedweden Inhalt nicht so für den Geist macht, wie dieser Inhalt als allgemeine Vorstellung im Bewußtsein liegt oder als bestimmte äußere Gestalt für die Anschauung sonst schon vorhanden ist oder durch die Kunst seine gemäßere Erscheinung erhält, sondern in der Weise, in welcher er in der Sphäre der subjektiven Innerlichkeit lebendig wird.

Dieses in sich eingehüllte Leben und Weben für sich in Tönen widerklingen zu lassen oder den ausgesprochenen Worten und Vorstellungen hinzuzufügen und die Vorstellungen in dieses Element zu versenken, um sie für die Empfindung und Mitempfindung neu hervorzubringen, ist das der Musik zuzuteilende schwierige Geschäft.

aa) Die Innerlichkeit als solche ist daher die Form, in welcher sie ihren Inhalt zu fassen vermag und dadurch befähigt ist, alles in sich aufzunehmen, was überhaupt in das Innere eingehen und sich vornehmlich in die Form der Empfindung kleiden kann.

Hierin liegt dann aber zugleich die Bestimmung, daß die Musik nicht darf für die Anschauung arbeiten wollen, sondern sich darauf beschränken muss, die Innerlichkeit dem Inneren faßbar zu machen, sei es nun, daß sie die substantielle innere Tiefe eines Inhalts als solchen will in die Tiefen des Gemüts eindringen lassen oder daß sie es vorzieht, das Leben und Weben eines Gehalts in einem einzelnen subjektiven Innern darzustellen, so daß ihr diese subjektive Innigkeit selbst zu ihrem eigentlichen Gegenstande wird. ((149))

bb) Die abstrakte Innerlichkeit nun hat zu ihrer nächsten Besonderung, mit welcher die Musik in Zusammenhang kommt, die Empfindung, die sich erweiternde Subjektivität des Ich, die zwar zu einem Inhalt fortgeht, denselben aber noch in dieser unmittelbaren Beschlossenheit im Ich und äußerlichkeitslosen Beziehung auf das Ich läßt.

Dadurch bleibt die Empfindung immer nur das Umkleidende des Inhalts, und diese Sphäre ist es, welche von der Musik in Anspruch genommen wird.

yy) Hier breitet sie sich dann zum Ausdruck aller besonderen Empfindungen auseinander, und alle Nuancen der Fröhlichkeit, Heiterkeit, des Scherzes, der Laune, des Jauchzens und Jubelns der Seele, ebenso die Gradationen der Angst, Bekümmernis, Traurigkeit, Klage, des Kummers, des Schmerzes, der Sehnsucht usf. und endlich der Ehrfurcht, Anbetung, Liebe usf. werden zu der eigentümlichen Sphäre des musikalischen Ausdrucks.

  1. Schon außerhalb der Kunst ist der Ton als Interjektion, als Schrei des Schmerzes, als Seufzen, Lachen die unmittelbare lebendigste Äußerung von Seelenzuständen und Empfindungen, das Ach und Oh des Gemüts.

Es liegt eine Selbstproduktion und Objektivität der Seele als Seele darin, ein Ausdruck, der in der Mitte steht zwischen der bewußtlosen Versenkung und der Rückkehr in sich zu innerlichen bestimmten Gedanken, und ein Hervorbringen, das nicht praktisch, sondern theoretisch ist, wie auch der Vogel in seinem Gesang diesen Genuß und diese Produktion seiner selbst hat.

Der bloß natürliche Ausdruck jedoch der Interjektionen ist noch keine Musik, denn diese Ausrufungen sind zwar keine artikulierten willkürlichen Zeichen von Vorstellungen wie die Sprachlaute und sagen deshalb auch nicht einen vorgestellten Inhalt in seiner Allgemeinheit als Vorstellung aus, sondern geben am Tone und im Tone selber eine Stimmung und Empfindung kund, die sich unmittelbar in dergleichen Töne hineinlegt und dem Herzen durch das Herausstoßen ((150)) derselben Luft macht; dennoch aber ist diese Befreiung noch keine Befreiung durch die Kunst.

Die Musik muss im Gegenteil die Empfindungen in bestimmte Tonverhältnisse bringen und den Naturausdruck seiner Wildheit, seinem rohen Ergehen entnehmen und ihn mäßigen.

  1. So machen die Interjektionen wohl den Ausgangspunkt der Musik, doch sie selbst ist erst Kunst als die kadenzierte Interjektion und hat sich in dieser Rücksicht ihr sinnliches Material in höherem Grade als die Malerei und Poesie künstlerisch zuzubereiten, ehe dasselbe befähigt wird, in kunstgemäßer Weise den Inhalt des Geistes auszudrücken.

Die nähere Art und Weise, in welcher das Tonbereich zu solcher Angemessenheit verarbeitet wird, haben wir erst später zu betrachten; für jetzt will ich nur die Bemerkung wiederholen, daß die Töne in sich selbst eine Totalität von Unterschieden sind, die zu den mannigfaltigsten Arten unmittelbarer Zusammenstimmungen, wesentlicher Gegensätze, Widersprüche und Vermittlungen sich entzweien und verbinden können.

Diesen Gegensätzen und Einigungen sowie der Verschiedenheit ihrer Bewegungen und Übergänge, ihres Eintretens, Fortschreitens, Kämpfens, Sichauflösens und Verschwindens entspricht in näherer oder entfernterer Beziehung die innere Natur sowohl dieses oder jenes Inhalts als auch der Empfindungen, in deren Form sich Herz und Gemüt solch eines Inhalts bemächtigen, so daß nun dergleichen Tonverhältnisse, in dieser Gemäßheit aufgefaßt und gestaltet, den beseelten Ausdruck dessen geben, was als bestimmter Inhalt im Geist vorhanden ist.

Der inneren einfachen Wesenheit aber eines Inhalts erweist sich das Element des Tones darum verwandter als das bisherige sinnliche Material, weil der Ton, statt sich zu räumlichen Gestalten zu befestigen und als die Mannigfaltigkeit des Neben- und Außereinanders Bestand zu erhalten, vielmehr dem ideellen Bereich der Zeit anheimfällt und deshalb nicht zu dem Unterschiede des einfachen Inneren und der konkreten leiblichen Gestalt und Erscheinung fortgeht.

Dasselbe ((151)) gilt für die Form der Empfindung eines Inhalts, deren Ausdruck der Musik hauptsächlich zukommt.

In der Anschauung und Vorstellung nämlich tritt, wie beim selbstbewußten Denken, bereits die notwendige Unterscheidung des anschauenden, vorstellenden, denkenden Ich und des angeschauten, vorgestellten oder gedachten Gegenstandes ein; in der Empfindung aber ist dieser Unterschied ausgelöscht oder vielmehr noch gar nicht herausgestellt, sondern der Inhalt trennungslos mit dem Innern als solchem verwoben.

Wenn sich daher die Musik auch als begleitende Kunst mit der Poesie oder umgekehrt die Poesie sich als verdeutlichende Dolmetscherin mit der Musik verbindet, so kann doch die Musik nicht äußerlich veranschaulichen oder Vorstellungen und Gedanken, wie sie als Vorstellungen und Gedanken vom Selbstbewußtsein gefaßt werden, wiedergeben wollen, sondern sie muss, wie gesagt, entweder die einfache Natur eines Inhalts in solchen Tonverhältnissen an die Empfindung bringen, wie sie dem inneren Verhältnis dieses Inhalts verwandt sind, oder näher diejenige Empfindung selber, welche der Inhalt von Anschauungen und Vorstellungen in dem ebenso mitempfindenden als vorstellenden Geiste erregen kann, durch ihre die Poesie begleitenden und verinnigenden Töne auszudrücken suchen.

  1. Wirkung der Musik

Aus dieser Richtung läßt sich nun auch drittens die Macht herleiten, mit welcher die Musik hauptsächlich auf das Gemüt als solches einwirkt, das weder zu verständigen Betrachtungen fortgeht, noch das Selbstbewußtsein zu vereinzelten Anschauungen zerstreut, sondern in der Innigkeit und unaufgeschlossenen Tiefe der Empfindung zu leben gewohnt ist.

Denn gerade diese Sphäre, der innere Sinn, das abstrakte Sichselbstvernehmen ist es, was die Musik erfaßt und dadurch auch den Sitz der inneren Veränderungen, das Herz und Gemüt, als diesen einfachen konzentrierten Mittelpunkt des ganzen Menschen, in Bewegung bringt. ((152))

  1. Die Skulptur besonders gibt ihren Kunstwerken ein ganz für sich bestehendes Dasein, eine sowohl dem Inhalt als auch der äußeren Kunsterscheinung nach in sich beschlossene Objektivität.

Ihr Gehalt ist die zwar individuell belebte, doch selbständig auf sich beruhende Substantialität des Geistigen, ihre Form die räumlich totale Gestalt.

Deshalb behält auch ein Skulpturwerk als Objekt der Anschauung die meiste Selbständigkeit.

Mehr schon, wie wir bereits bei der Betrachtung der Malerei (Bd. III, S. 28) sahen, tritt das Gemälde mit dem Beschauer in einen näheren Zusammenhang, teils des in sich subjektiveren Inhalts wegen, den es darstellt, teils in betreff auf den bloßen Schein der Realität, welchen es gibt und dadurch beweist, daß es nichts für sich Selbständiges, sondern im Gegenteil wesentlich nur für Anderes, für das beschauende und empfindende Subjekt sein wolle.

Doch auch vor einem Gemälde noch bleibt uns eine selbständigere Freiheit übrig, indem wir es immer nur mit einem außerhalb vorhandenen Objekt zu tun haben, das durch die Anschauung allein an uns kommt und dadurch erst auf die Empfindung und Vorstellung wirkt.

Der Beschauer kann deshalb an dem Kunstwerke selbst hin und her gehen, dies oder das daran bemerken, sich das Ganze, da es ihm standhält, analysieren, vielfache Reflexionen darüber anstellen und sich somit die volle Freiheit für seine unabhängige Betrachtung bewahren.

aa) Das musikalische Kunstwerk dagegen geht zwar als Kunstwerk überhaupt gleichfalls zu dem Beginn einer Unterscheidung von genießendem Subjekt und objektivem Werke fort, indem es in seinen wirklich erklingenden Tönen ein vom Inneren verschiedenes sinnliches Dasein erhält; teils aber steigert sich dieser Gegensatz nicht wie in der bildenden Kunst zu einem dauernden äußerlichen Bestehen im Raume und zur Anschaubarkeit einer fürsichseienden Objektivität, sondern verflüchtigt umgekehrt seine reale Existenz zu einem unmittelbaren zeitlichen Vergehen derselben, - teils macht die Musik nicht die Trennung des äußerlichen Materials von ((153)) dem geistigen Inhalt wie die Poesie, in welcher die Seite der Vorstellung sich, von dem Ton der Sprache unabhängiger und von dieser Äußerlichkeit unter allen Künsten am meisten abgesondert, in einem eigentümlichen Gange geistiger Phantasiegestalten als solcher ausbildet.

Freilich könnte hier bemerkt werden, daß die Musik nach dem, was ich vorhin anführte, umgekehrt wieder die Töne von ihrem Inhalte loslösen und sie dadurch verselbständigen könne; diese Befreiung aber ist nicht das eigentlich Kunstgemäße, das im Gegenteil darin besteht, die harmonische und melodische Bewegung ganz zum Ausdruck des einmal erwählten Inhalts und der Empfindungen zu verwenden, welche derselbe zu erwecken imstande ist.

Indem nun der musikalische Ausdruck das Innere selbst, den inneren Sinn der Sache und Empfindung zu seinem Gehalt und den in der Kunst wenigstens nicht zu Raumfiguren fortschreitenden, in seinem sinnlichen Dasein schlechthin vergänglichen Ton hat, so dringt sie mit ihren Bewegungen unmittelbar in den inneren Sitz aller Bewegungen der Seele ein.

Sie befängt daher das Bewußtsein, das keinem Objekt mehr gegenübersteht und im Verlust dieser Freiheit von dem fortflutenden Strom der Töne selber mit fortgerissen wird.

Doch ist auch hier, bei den verschiedenartigen Richtungen, zu denen die Musik auseinandertreten kann, eine verschiedenartige Wirkung möglich.

Wenn nämlich der Musik ein tieferer Inhalt oder überhaupt ein seelenvollerer Ausdruck abgeht, so kann es geschehen, daß wir uns einerseits ohne weitere innere Bewegung an dem bloß sinnlichen Klang und Wohllaut erfreuen oder auf der anderen Seite mit den Betrachtungen des Verstandes den harmonischen und melodischen Verlauf verfolgen, von welchem das innere Gemüt nicht weiter berührt und fortgeführt wird.

Ja es gibt bei der Musik vornehmlich eine solche bloße Verstandesanalyse, für welche im Kunstwerke nichts anderes vorhanden ist als die Geschicklichkeit eines virtuosen Machwerks.

Abstrahieren wir aber von dieser Verständigkeit und lassen uns unbefangen gehen, so zieht uns das musikalische ((154)) Kunstwerk ganz in sich hinein und trägt uns mit sich fort, abgesehen von der Macht, welche die Kunst als Kunst im allgemeinen über uns ausübt.

Die eigentümliche Gewalt der Musik ist eine elementarische Macht, d.h. sie liegt in dem Elemente des Tones, in welchem sich hier die Kunst bewegt.

bb) Von diesem Elemente wird das Subjekt nicht nur dieser oder jener Besonderheit nach ergriffen oder bloß durch einen bestimmten Inhalt gefaßt, sondern seinem einfachen Selbst, dem Zentrum seines geistigen Daseins nach in das Werk hineingehoben und selber in Tätigkeit gesetzt.

So haben wir z.B. bei hervorstechenden, leicht fortrauschenden Rhythmen sogleich Lust, den Takt mitzuschlagen, die Melodie mitzusingen, und bei Tanzmusik kommt es einem gar in die Beine: überhaupt das Subjekt ist als diese Person mit in Anspruch genommen.

Bei einem bloß regelmäßigen Tun umgekehrt, das, insoweit es in die Zeit fällt, durch diese Gleichförmigkeit taktmäßig wird und keinen sonstigen weiteren Inhalt hat, fordern wir einerseits eine Äußerung dieser Regelmäßigkeit als solcher, damit dies Tun in einer selbst subjektiven Weise für das Subjekt werde, andererseits verlangen wir eine nähere Erfüllung dieser Gleichheit.

Beides bietet die musikalische Begleitung dar.

In solcher Weise wird dem Marsch der Soldaten Musik hinzugefügt, welche das Innere zu der Regel des Marsches anregt, das Subjekt in dies Geschäft versenkt und es harmonisch mit dem, was zu tun ist, erfüllt.

In der ähnlichen Art ist ebenso die regellose Unruhe an einer table d’hôte unter vielen Menschen und die unbefriedigende Anregung durch sie lästig; dieses Hinundherlaufen, Klappern, Schwätzen soll geregelt und, da man es nächst dem Essen und Trinken mit der leeren Zeit zu tun hat, die Leerheit ausgefüllt werden.

Auch bei dieser Gelegenheit wie bei so vielen anderen tritt die Musik hilfreich ein und wehrt außerdem andere Gedanken, Zerstreuungen und Einfälle ab.

yy) Hierin zeigt sich zugleich der Zusammenhang des subjektiven ((155)) Inneren mit der Zeit als solcher, welche das allgemeine Element der Musik ausmacht.

Die Innerlichkeit nämlich als subjektive Einheit ist die tätige Negation des gleichgültigen Nebeneinanderbestehens im Raum und damit negative Einheit.

Zunächst aber bleibt diese Identität mit sich ganz abstrakt und leer und besteht nur darin, sich selbst zum Objekt zu machen, doch diese Objektivität, die selbst nur ideeller Art und dasselbe was das Subjekt ist, aufzuheben, um dadurch sich als die subjektive Einheit hervorzubringen.

Die gleich ideelle negative Tätigkeit ist in ihrem Bereiche der Äußerlichkeit die Zeit.

Denn erstens tilgt sie das gleichgültige Nebeneinander des Räumlichen und zieht die Kontinuität desselben zum Zeitpunkt, zum Jetzt zusammen.

Der Zeitpunkt aber erweist sich zweitens sogleich als Negation seiner, indem dieses Jetzt, sobald es ist, zu einem anderen Jetzt sich aufhebt und dadurch seine negative Tätigkeit hervorkehrt.

Drittens kommt es zwar, der Äußerlichkeit wegen, in deren Elemente die Zeit sich bewegt, nicht zur wahrhaft subjektiven Einheit des ersten Zeitpunkts mit dem anderen, zu dem sich das Jetzt aufhebt, aber das Jetzt bleibt dennoch in seiner Veränderung immer dasselbe; denn jeder Zeitpunkt ist ein Jetzt und von dem anderen, als bloßer Zeitpunkt genommen, ebenso ununterschieden als das abstrakte Ich von dem Objekt, zu dem es sich aufhebt und in demselben, da dies Objekt nur das leere Ich selber ist, mit sich zusammengeht.

Näher nun gehört das wirkliche Ich selber der Zeit an, mit der es, wenn wir von dem konkreten Inhalt des Bewußtseins und Selbstbewußtseins abstrahieren, zusammenfällt, insofern es nichts ist als diese leere Bewegung, sich als ein Anderes zu setzen und diese Veränderung aufzuheben, d.h. sich selbst, das Ich und nur das Ich als solches darin zu erhalten.

Ich ist in der Zeit, und die Zeit ist das Sein des Subjekts selber.

Da nun die Zeit und nicht die Räumlichkeit als solche das wesentliche Element abgibt, in welchem der Ton in Rücksicht auf seine musikalische Geltung Existenz gewinnt und die ((156)) Zeit des Tons zugleich die des Subjekts ist, so dringt der Ton schon dieser Grundlage nach in das Selbst ein, faßt dasselbe seinem einfachsten Dasein nach und setzt das Ich durch die zeitliche Bewegung und deren Rhythmus in Bewegung, während die anderweitige Figuration der Töne, als Ausdruck von Empfindungen, noch außerdem eine bestimmtere Erfüllung für das Subjekt, von welcher es gleichfalls berührt und fortgezogen wird, hinzubringt.

Dies ist es, was sich als wesentlicher Grund für die elementarische Macht der Musik angeben läßt.

  1. Daß nun aber die Musik ihre volle Wirkung ausübe, dazu gehört noch mehr als das bloß abstrakte Tönen in einer zeitlichen Bewegung.

Die zweite Seite, die hinzukommen muss, ist ein Inhalt, eine geistvolle Empfindung für das Gemüt, und der Ausdruck, die Seele dieses Inhalts in den Tönen.

Wir dürfen deshalb keine abgeschmackte Meinung von der Allgewalt der Musik als solcher hegen, von der uns die alten Skribenten, heilige und profane, so mancherlei fabelhafte Geschichten erzählen.

Schon bei den Zivilisationswundern des Orpheus reichten die Töne und deren Bewegung wohl für die wilden Bestien, die sich zahm um ihn herumlagerten, nicht aber für die Menschen aus, welche den Inhalt einer höheren Lehre forderten.

Wie denn auch die Hymnen, welche unter Orpheus Namen, wenn auch nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt, auf uns gekommen sind, mythologische und sonstige Vorstellungen enthalten.

In der ähnlichen Weise sind auch die Kriegslieder des Tyrtaios berühmt, durch welche, wie erzählt wird, die Lakedämonier, nach so langen vergeblichen Kämpfen zu einer unwiderstehlichen Begeisterung angefeuert, endlich den Sieg gegen die Messenier durchsetzten.

Auch hier war der Inhalt der Vorstellungen, zu welchen diese Elegien anregten, die Hauptsache, obschon auch der musikalischen Seite, bei barbarischen Völkern und in Zeiten tief aufgewühlter Leidenschaften vornehmlich, ihr Wert und ihre Wirkung nicht abzusprechen ist.

Die Pfeifen ((157)) der Hochländer trugen wesentlich zur Anfeuerung des Mutes bei, und die Gewalt der Marseillaise, des Ca ira usf. in der Französischen Revolution ist nicht zu leugnen.

Die eigentliche Begeisterung aber findet ihren Grund in der bestimmten Idee, in dem wahrhaften Interesse des Geistes, von welchem eine Nation erfüllt ist und das nun durch die Musik zur augenblicklich lebendigeren Empfindung gehoben werden kann, indem die Töne, der Rhythmus, die Melodie das sich dahingebende Subjekt mit sich fortreißen.

In jetziger Zeit aber werden wir die Musik nicht für fähig halten, durch sich selbst schon solche Stimmung des Mutes und der Todesverachtung hervorzubringen.

Man hat z.B. heutigentags fast bei allen Armeen recht gute Regimentsmusik, die beschäftigt, abzieht, zum Marsch antreibt, zum Angriff anfeuert.

Aber damit meint man nicht den Feind zu schlagen; durch bloßes Vorblasen und Trommeln kommt der Mut noch nicht, und man müßte viel Posaunen zusammenbringen, ehe eine Festung vor ihrem Schalle zusammenstürzte wie die Mauern von Jericho.

Gedankenbegeisterung, Kanonen, Genie des Feldherrn machen’s jetzt und nicht die Musik, die nur noch als Stütze für die Mächte gelten kann, welche sonst schon das Gemüt erfüllt und befangen haben.

  1. Eine letzte Seite in Rücksicht auf die subjektive Wirkung der Töne liegt in der Art und Weise, in welcher das musikalische Kunstwerk im Unterschiede von anderen Kunstwerken an uns kommt.

Indem nämlich die Töne nicht wie Bauwerke, Statuen, Gemälde für sich einen dauernden objektiven Bestand haben, sondern mit ihrem flüchtigen Vorüberrauschen schon wieder verschwinden, so bedarf das musikalische Kunstwerk einerseits schon dieser bloß momentanen Existenz wegen einer stets wiederholten Reproduktion.

Doch hat die Notwendigkeit solch einer erneuten Verlebendigung noch einen anderen tieferen Sinn.

Denn insofern es das subjektive Innere selbst ist, das die Musik sich mit dem Zwecke zum Inhalt nimmt, sich nicht als äußere Gestalt und objektiv dastehendes Werk, sondern als subjektive ((158)) Innerlichkeit zur Erscheinung zu bringen, so muss die Äußerung sich auch unmittelbar als Mitteilung eines lebendigen Subjekts ergeben, in welche dasselbe seine ganze eigene Innerlichkeit hineinlegt.

Am meisten ist dies im Gesang der menschlichen Stimme, relativ jedoch auch schon in der Instrumentalmusik der Fall, die nur durch ausübende Künstler und deren lebendige, ebenso geistige als technische Geschicklichkeit zur Ausführung zu gelangen vermag.

Durch diese Subjektivität in Rücksicht auf die Verwirklichung des musikalischen Kunstwerks vervollständigt sich erst die Bedeutung des Subjektiven in der Musik, das nun aber nach dieser Richtung hin sich auch zu dem einseitigen Extrem isolieren kann, daß die subjektive Virtuosität der Reproduktion als solcher zum alleinigen Mittelpunkte und Inhalte des Genusses gemacht wird.

Mit diesen Bemerkungen will ich es in betreff auf den allgemeinen Charakter der Musik genug sein lassen.

  1. Besondere Bestimmtheit der musikalischen Ausdrucksmittel

Nachdem wir bisher die Musik nur nach der Seite hin betrachtet haben, daß sie den Ton zum Tönen der subjektiven Innerlichkeit gestalten und beseelen müsse, fragt es sich jetzt weiter, wodurch es möglich und notwendig werde, daß die Töne kein bloßer Naturschrei der Empfindung, sondern der ausgebildete Kunstausdruck derselben seien.

Denn die Empfindung als solche hat einen Inhalt, der Ton als bloßer Ton aber ist inhaltlos; er muss deshalb erst durch eine künstlerische Behandlung fähig werden, den Ausdruck eines inneren Lebens in sich aufzunehmen.

Im allgemeinsten läßt sich über diesen Punkt folgendes feststellen.

Jeder Ton ist eine selbständige, in sich fertige Existenz, die sich jedoch weder zur lebendigen Einheit wie die tierische oder menschliche Gestalt gliedert und subjektiv zusammenfaßt, noch auf der anderen Seite wie ein besonderes Glied ((159)) des leiblichen Organismus oder irgendein einzelner Zug des geistig oder animalisch belebten Körpers an ihm selber zeigt, daß diese Besonderheit nur erst in der beseelten Verbindung mit den übrigen Gliedern und Zügen überhaupt existieren und Sinn, Bedeutung und Ausdruck gewinnen könne.

Dem äußerlichen Material nach besteht zwar ein Gemälde aus einzelnen Strichen und Farben, die auch für sich schon dasein können; die eigentliche Materie dagegen, die solche Striche und Farben erst zum Kunstwerk macht, die Linien, Flächen usf. der Gestalt haben nur erst als konkretes Ganzes einen Sinn.

Der einzelne Ton dagegen ist für sich selbständiger und kann auch bis auf einen gewissen Grad durch Empfindung beseelt werden und einen bestimmten Ausdruck erhalten.

Umgekehrt aber, indem der Ton kein bloß unbestimmtes Rauschen und Klingen ist, sondern erst durch seine Bestimmtheit und Reinheit in derselben überhaupt musikalische Geltung hat, steht er unmittelbar durch diese Bestimmtheit sowohl seinem realen Klingen als auch seiner zeitlichen Dauer nach in Beziehung auf andere Töne, ja dieses Verhältnis teilt ihm erst seine eigentliche wirkliche Bestimmtheit und mit ihr den Unterschied, Gegensatz gegen andere oder die Einheit mit anderen zu.

Bei der relativeren Selbständigkeit bleibt den Tönen diese Beziehung jedoch etwas Äußerliches, so daß die Verhältnisse, in welche sie gebracht werden, nicht den einzelnen Tönen selbst in der Weise ihrem Begriff nach angehört wie den Gliedern des animalischen und menschlichen Organismus oder auch den Formen der landschaftlichen Natur.

Die Zusammenstellung verschiedener Töne zu bestimmten Verhältnissen ist daher etwas, wenn auch nicht dem Wesen des Tons Widerstrebendes, doch aber erst Gemachtes und nicht sonst schon in der Natur Vorhandenes.

Solche Beziehung geht insofern von einem Dritten aus und ist nur für einen Dritten, für den nämlich, welcher dieselbe auffaßt.

Dieser Äußerlichkeit des Verhältnisses wegen beruht die ((160)) Bestimmtheit der Töne und ihrer Zusammenstellung in dem Quantum, in Zahlenverhältnissen, welche allerdings in der Natur des Tons selbst begründet sind, doch von der Musik in einer Weise gebraucht werden, die erst durch die Kunst selbst gefunden und aufs mannigfaltigste nuanciert ist.

Nach dieser Seite hin macht nicht die Lebendigkeit an und für sich als organische Einheit die Grundlage der Musik aus, sondern die Gleichheit, Ungleichheit usf., überhaupt die Verstandesform, wie sie im Quantitativen herrschend ist.

Soll daher bestimmt von den musikalischen Tönen gesprochen werden, so sind die Angaben nur nach Zahlenverhältnissen sowie nach den willkürlichen Buchstaben zu machen, durch welche man die Töne bei uns nach diesen Verhältnissen zu bezeichnen gewohnt ist.

In solcher Zurückführbarkeit auf bloße Quanta und deren verständige, äußerliche Bestimmtheit hat die Musik ihre vornehmlichste Verwandtschaft mit der Architektur, indem sie, wie diese, sich ihre Erfindungen auf der festen Basis und dem Gerüste von Proportionen auferbaut, die sich nicht an und für sich zu einer organischen freien Gliederung, in welcher mit der einen Bestimmtheit sogleich die übrigen gegeben sind, auseinanderbreitet und zu lebendiger Einheit zusammenschließt, sondern erst in den weiteren Herausbildungen, welche sie aus jenen Verhältnissen hervorgehen läßt, anfängt, zur freien Kunst zu werden.

Bringt es nun die Architektur in dieser Befreiung nicht weiter als zu einer Harmonie der Formen und zu der charakteristischen Beseelung einer geheimen Eurhythmie, so schlägt sich dagegen die Musik, da sie das innerste subjektive freie Leben und Weben der Seele zu ihrem Inhalt hat, zu dem tiefsten Gegensatz dieser freien Innerlichkeit und jener quantitativen Grundverhältnisse auseinander.

In diesem Gegensatze darf sie jedoch nicht stehenbleiben, sondern erhält die schwierige Aufgabe, ihn ebenso in sich aufzunehmen als zu überwinden, indem sie den freien Bewegungen des Gemütes, die sie ausdrückt, durch jene notwendigen Proportionen einen sicheren ((161)) Grund und Boden gibt, auf dem sich dann aber das innere Leben in der durch solche Notwendigkeit erst gehaltvollen Freiheit hinbewegt und entwickelt.

In dieser Rücksicht sind zunächst zwei Seiten am Ton zu unterscheiden, nach welchen er kunstgemäß zu gebrauchen ist: einmal die abstrakte Grundlage, das allgemeine, noch nicht physikalisch spezifizierte Element, die Zeit, in deren Bereich der Ton fällt; sodann das Klingen selbst, der reale Unterschied der Töne, sowohl nach seiten der Verschiedenheit des sinnlichen Materials, welches tönt, als auch in Ansehung der Töne selbst in ihrem Verhältnis zueinander als einzelne und als Totalität.

Hierzu kommt dann drittens die Seele, welche die Töne belebt, sie zu einem freien Ganzen rundet und ihnen in ihrer zeitlichen Bewegung und ihrem realen Klingen einen geistigen Ausdruck gibt.

Durch diese Seiten erhalten wir für die bestimmtere Gliederung nachstehende Stufenfolge.

Erstens haben wir uns mit der bloß zeitlichen Dauer und Bewegung zu beschäftigen, welche die Kunst nicht zufällig belassen darf, sondern nach festen Maßen zu bestimmen, durch Unterschiede zu vermannigfaltigen hat und in diesen Unterschieden die Einheit wiederherstellen muss.

Dies gibt die Notwendigkeit für Zeitmaß, Takt und Rhythmus.

Zweitens aber hat es die Musik nicht nur mit der abstrakten Zeit und den Verhältnissen längerer oder kürzerer Dauer, Einschnitte, Heraushebungen usf., sondern mit der konkreten Zeit der ihrem Klang nach bestimmten Töne zu tun, welche deshalb nicht nur ihrer Dauer nach voneinander unterschieden sind.

Dieser Unterschied beruht einerseits auf der spezifischen Qualität des sinnlichen Materials, durch dessen Schwingungen der Ton hervorkommt, andererseits auf der verschiedenen Anzahl von Schwingungen, in welchen die klingenden Körper in der gleichen Zeitdauer erzittern.

Drittens erweisen sich diese Unterschiede als die wesentlichen Seiten für das Verhältnis der Töne in ihrem Zusammenstimmen, ihrer Entgegensetzung und Vermittlung.

Wir können ((162)) diesen Teil mit einer allgemeinen Benennung als die Lehre von der Harmonie bezeichnen.

Drittens endlich ist es die Melodie, durch welche sich auf diesen Grundlagen des rhythmisch beseelten Taktes und der harmonischen Unterschiede und Bewegungen das Reich der Töne zu einem geistig freien Ausdruck zusammenschließt und uns dadurch zu dem folgenden letzten Hauptabschnitte herüberleitet, welcher die Musik in ihrer konkreten Einigung mit dem geistigen Inhalte, der sich in Takt, Harmonie und Melodie ausdrücken soll, zu betrachten hat.

  1. Zeitmaß, Takt, Rhythmus

Was nun zunächst die rein zeitliche Seite des musikalischen Tönens betrifft, so haben wir erstens von der Notwendigkeit zu sprechen, daß in der Musik die Zeit überhaupt das Herrschende sei; zweitens vom Takt als dem bloß verständig geregelten Zeitmaß; drittens vom Rhythmus, welcher diese abstrakte Regel zu beleben anfängt, indem er bestimmte Taktteile hervorhebt, andere dagegen zurücktreten läßt.

[Zeitmaß] a) Die Gestalten der Skulptur und Malerei sind im Raum nebeneinander und stellen diese reale Ausbreitung in wirklicher oder scheinbarer Totalität dar.

Die Musik aber kann Töne nur hervorbringen, insofern sie einen im Raum befindlichen Körper in sich erzittern macht und ihn in schwingende Bewegung versetzt.

Diese Schwingungen gehören der Kunst nur nach der Seite an, daß sie nacheinander erfolgen, und so tritt das sinnliche Material überhaupt in die Musik, statt mit seiner räumlichen Form, nur mit der zeitlichen Dauer seiner Bewegung ein.

Nun ist zwar jede Bewegung eines Körpers immer auch im Raume vorhanden, so daß die Malerei und Skulptur, obschon ihre Gestalten der Wirklichkeit nach in Ruhe sind, dennoch den Schein der Bewegung darzustellen das Recht erhalten; in betreff auf diese Räumlichkeit jedoch nimmt die Musik die Bewegung nicht auf, und ihr bleibt deshalb zur Gestaltung nur die Zeit übrig, in welche das Schwingen des Körpers fällt. ((163))

[Fortströmen] aa) Die Zeit aber, demzufolge, was wir oben bereits gesehen haben, ist nicht wie der Raum das positive Nebeneinanderbestehen, sondern im Gegenteil die negative Äußerlichkeit: als aufgehobenes Außereinander das Punktuelle und als negative Tätigkeit das Aufheben dieses Zeitpunktes zu einem anderen, der sich gleichfalls aufhebt, zu einem anderen wird usf.

In der Aufeinanderfolge dieser Zeitpunkte läßt sich jeder einzelne Ton teils für sich als ein Eins fixieren, teils mit anderen in quantitativen Zusammenhang bringen, wodurch die Zeit zählbar wird.

Umgekehrt aber, da die Zeit das ununterbrochene Entstehen und Vergehen solcher Zeitpunkte ist, welche, als bloße Zeitpunkte genommen, in dieser unpartikularisierten Abstraktion keinen Unterschied gegeneinander haben, so erweist sich die Zeit ebensosehr als das gleichmäßige Hinströmen und die in sich ununterschiedene Dauer.

bb) In dieser Unbestimmtheit jedoch kann die Musik die Zeit nicht belassen, sondern muss sie im Gegenteil näher bestimmen, ihr ein Maß geben und ihr Fortfließen nach der Regel solch eines Maßes ordnen.

Durch diese regelvolle Handhabung kommt das Zeitmaß der Töne herein.

Da entsteht sogleich die Frage, weshalb denn überhaupt die Musik solcher Maße bedürfe.

Die Notwendigkeit bestimmter Zeitgrößen läßt sich daraus entwickeln, daß die Zeit mit dem einfachen Selbst, welches in den Tönen sein Inneres vernimmt und vernehmen soll, in dem engsten Zusammenhange steht, indem die Zeit als Äußerlichkeit dasselbe Prinzip in sich hat, welches sich im Ich als der abstrakten Grundlage alles Innerlichen und Geistigen betätigt.

Ist es nun das einfache Selbst, das sich in der Musik als Inneres objektiv werden soll, so muss auch schon das allgemeine Element dieser Objektivität dem Prinzip jener Innerlichkeit gemäß behandelt sein.

Das Ich jedoch ist nicht das unbestimmte Fortbestehen und die haltungslose Dauer, sondern wird erst zum Selbst als Sammlung und Rückkehr in sich.

Es beugt das Aufheben seiner, wodurch es sich zum Objekte ((164)) wird, zum Fürsichsein um und ist nun durch diese Beziehung auf sich erst Selbstgefühl, Selbstbewußtsein usf.

In dieser Sammlung liegt aber wesentlich ein Abbrechen der bloß unbestimmten Veränderung, als welche wir die Zeit zunächst vor uns hatten, indem das Entstehen und Untergehen, Verschwinden und Erneuen der Zeitpunkte nichts als ein ganz formelles Hinausgehen über jedes Jetzt zu einem anderen gleichartigen Jetzt und dadurch nur ein ununterbrochenes Weiterbewegen war.

Gegen dies leere Fortschreiten ist das Selbst das Beisichselbstseiende, dessen Sammlung in sich die bestimmtheitslose Reihenfolge der Zeitpunkte unterbricht, in die abstrakte Kontinuität Einschnitte macht und das Ich, welches in dieser Diskretion seiner selbst sich erinnert und sich darin wiederfindet, von dem bloßen Außersichkommen und Verändern befreit.

yy) Die Dauer eines Tones geht diesem Prinzip gemäß nicht ins Unbestimmte fort, sondern hebt mit seinem Anfang und Ende, das dadurch ein bestimmtes Anfangen und Aufhören wird, die für sich nicht unterschiedene Reihe der Zeitmomente auf.

Wenn nun aber viele Töne aufeinanderfolgen und jeder für sich eine von dem anderen verschiedene Dauer erhält, so ist an die Stelle jener ersten leeren Unbestimmtheit umgekehrt auch nur wieder die willkürliche und damit ebenso unbestimmte Mannigfaltigkeit von besonderen Quantitäten gesetzt.

Dieses regellose Umherschweifen widerspricht der Einheit des Ich ebensosehr als das abstrakte Sichfortbewegen, und es vermag sich in jener verschiedenartigen Bestimmtheit der Zeitdauer nur insofern wiederzufinden und zu befriedigen, als einzelne Quanta in eine Einheit gebracht werden, welche, da sie Besonderheiten unter sich subsumiert, selber eine bestimmte Einheit sein muss, doch als bloße Identität am Äußerlichen zunächst nur äußerlicher Art bleiben kann.

  1. Dies führt uns zu der weiteren Regulierung, welche durch den Takt hervorkommt.

[Metrum] aa) Das erste, was hier in Betracht zu ziehen ist, besteht ((165)) darin, daß, wie gesagt, verschiedene Zeitteile zu einer Einheit verbunden werden, in der das Ich seine Identität mit sich für sich macht.

Da nun das Ich hier vorerst nur als abstraktes Selbst die Grundlage abgibt, so kann sich diese Gleichheit mit sich in Rücksicht auf das Fort- und Fortschreiten der Zeit und ihrer Töne auch nur als eine selbst abstrakte Gleichheit, d.h. als die gleichförmige Wiederholung derselben Zeiteinheit wirksam erweisen.

Diesem Prinzip zufolge besteht der Takt seiner einfachen Bestimmung nach nur darin, eine bestimmte Zeiteinheit als Maß und Regel sowohl für die markierte Unterbrechung der vorher ununterschiedenen Zeitfolge als auch für die ebenso willkürliche Dauer einzelner Töne, welche jetzt zu einer bestimmten Einheit zusammengefaßt werden, festzustellen und dieses Zeitmaß an abstrakter Gleichförmigkeit sich stets wieder erneuern zu lassen.

Der Takt hat in dieser Rücksicht dasselbe Geschäft wie die Regelmäßigkeit in der Architektur, wenn diese z.B. Säulen von gleicher Höhe und Dicke in denselben Abständen nebeneinanderstellt oder eine Reihe von Fenstern, die eine bestimmte größe haben, nach dem Prinzipe der Gleichheit regelt.

Auch hier ist eine feste Bestimmtheit und die ganz gleichartige Wiederholung derselben vorhanden.

In dieser Einförmigkeit findet das Selbstbewußtsein sich selber als Einheit wieder, insofern es teils seine eigene Gleichheit als Ordnung der willkürlichen Mannigfaltigkeit erkennt, teils bei der Wiederkehr derselben Einheit sich erinnert, daß sie bereits dagewesen sei und gerade durch ihr Wiederkehren sich als herrschende Regel zeige.

Die Befriedigung aber, welche das Ich durch den Takt in diesem Wiederfinden seiner selbst erhält, ist um so vollständiger, als die Einheit und Gleichförmigkeit weder der Zeit noch den Tönen als solchen zukommt, sondern etwas ist, das nur dem Ich angehört und von demselben zu seiner Selbstbefriedigung in die Zeit hineingesetzt ist.

Denn im Natürlichen findet sich diese abstrakte Identität nicht.

Selbst die himmlischen Körper halten in ihrer Bewegung keinen ((166)) gleichförmigen Takt, sondern beschleunigen oder retardieren ihren Lauf, so daß sie in gleicher Zeit nicht auch gleiche Räume zurücklegen.

Ähnlich geht es mit fallenden Körpern, mit der Bewegung des Wurfs usf., und das Tier reduziert sein Laufen, Springen, Zugreifen usw. noch weniger auf die genaue Wiederkehr eines bestimmten Zeitmaßes.

Der Takt geht in betreff hierauf weit mehr vom Geiste allein aus als die regelmäßigen Größenbestimmtheiten der Architektur, für welche sich eher noch in der Natur Analogien auffinden lassen.

bb) Soll nun aber das Ich in der Vielheit der Töne und deren Zeitdauer, indem es immer die gleiche Identität, die es selbst ist und die von ihm herrührt, vernimmt, durch den Takt zu sich zurückkehren, so gehört hierzu, damit die bestimmte Einheit als Regel gefühlt werde, ebensosehr das Vorhandensein von Regellosem und Ungleichförmigem.

Denn erst dadurch, daß die Bestimmtheit des Maßes das willkürlich Ungleiche besiegt und ordnet, erweist sie sich als Einheit und Regel der zufälligen Mannigfaltigkeit.

Sie muss dieselbe deshalb in sich selbst hineinnehmen und die Gleichförmigkeit im Ungleichförmigen erscheinen lassen.

Dies ist es, was dem Takt erst seine eigene Bestimmtheit in sich selbst und hiermit auch gegen andere Zeitmaße, die taktmäßig können wiederholt werden, gibt.

yy) Hiernach nun hat die Vielheit, welche zu einem Takt zusammengeschlossen ist, ihre bestimmte Norm, nach welcher sie sich einteilt und ordnet, woraus denn drittens die verschiedenen Taktarten entstehen.

Das nächste, was sich in dieser Rücksicht angeben läßt, ist die Einteilung des Taktes in sich selbst nach der entweder geraden oder ungeraden Anzahl der wiederholten gleichen Teile.

Von der ersten Art sind z.B. der Zweiviertel- und der Viervierteltakt.

Hier zeigt sich die gerade Anzahl als durchgreifend.

Anderer Art dagegen ist der Dreivierteltakt, in welchem die untereinander allerdings gleichen Teile dennoch in ungerader Anzahl eine Einheit, bilden.

Beide Bestimmungen finden sich z.B. im Sechsachteltakt vereinigt, der numerisch zwar dem Dreivierteltakt ((167)) gleich zu sein scheint, in der Tat jedoch nicht in drei, sondern in zwei Teile zerfällt, von denen sich aber der eine wie der andere in betreff auf seine nähere Einteilung die Drei als die ungerade Anzahl zum Prinzipe nimmt.

Solche Spezifikation macht die sich stets wiederholende Regel jeder besonderen Taktart aus.

Wie sehr nun aber auch der bestimmte Takt die Mannigfaltigkeit der Zeitdauer und deren längere oder kürzere Abschnitte zu regieren hat, so ist doch seine Herrschaft nicht so weit auszudehnen, daß er dies Mannigfaltige sich ganz abstrakt unterwirft, daß also im Viervierteltakt z.B. nur vier ganz gleiche Viertelnoten vorkommen können, im Dreivierteltakt nur drei, im Sechsachtel sechs usf., sondern die Regelmäßigkeit beschränkt sich darauf, daß im Viervierteltakt z.B. die Summe der einzelnen Noten nur vier gleiche Viertel enthält, die sich im übrigen jedoch nicht nur zu Achteln und Sechzehntel zerstückeln, sondern umgekehrt ebensosehr wieder zusammenziehen dürfen und auch sonst noch großer Verschiedenheiten fähig sind.

  1. Je weiter jedoch diese reichhaltige Veränderung geht, um desto notwendiger ist es, daß die wesentlichen Abschnitte des Taktes sich in derselben geltend machen und als die vornehmlich herauszuhebende Regel auch wirklich ausgezeichnet werden.

Dies geschieht durch den Rhythmus, welcher zum Zeitmaß und Takt erst die eigentliche Belebung herzubringt.

aa) Das erste ist der Akzent, der mehr oder weniger hörbar auf bestimmte Teile des Taktes gelegt wird, während andere dagegen akzentlos fortfließen.

Durch solche nun selbst wieder verschiedene Hebung und Senkung erhält jede einzelne Taktart ihren besonderen Rhythmus, der mit der bestimmten Einteilungsweise dieser Art in genauem Zusammenhange steht.

Der Viervierteltakt z.B., in welchem die gerade Anzahl das Durchgreifende ist, hat eine gedoppelte Arsis: einmal auf dem ersten Viertel und sodann, schwächer jedoch, ((168)) auf dem dritten.

Man nennt diese Teile ihrer stärkeren Akzentuierung wegen die guten, die anderen dagegen die schlechten Taktteile.

Im Dreivierteltakt ruht der Akzent allein auf dem ersten Viertel, im Sechsachteltakt dagegen wieder auf dem ersten und vierten Achtel, so daß hier der doppelte Akzent die gerade Teilung in zwei Hälften heraushebt.

[Versanpassung] bb) Insofern nun die Musik begleitend wird, tritt ihr Rhythmus mit dem der Poesie in ein wesentliches Verhältnis.

Im allgemeinsten will ich hierüber nur die Bemerkung machen, daß die Akzente des Taktes nicht denen des Metrums direkt widerstreben müssen.

Wenn daher z.B. eine dem Versrhythmus nach nicht akzentuierte Silbe in einem guten Taktteile, die Arsis oder gar die Zäsur aber in einem schlechten Taktteile steht, so kommt dadurch ein falscher Widerspruch des Rhythmus der Poesie und Musik hervor, der besser vermieden wird.

Dasselbe gilt für die langen und kurzen Silben; auch sie müssen im allgemeinen mit der Zeitdauer der Töne so zusammenstimmen, daß längere Silben auf längere Noten, kürzere auf kürzere fallen, wenn auch diese Übereinstimmung nicht bis zur letzten Genauigkeit durchzuführen ist, indem der Musik häufig ein größerer Spielraum für die Dauer der Längen sowie für die reichhaltigere Zerteilung derselben darf gestattet werden.

[Synkopen] yy) Von der Abstraktion und regelmäßigen strengen Wiederkehr des Taktrhythmus ist nun drittens, um dies sogleich vorweg zu bemerken, der beseeltere Rhythmus der Melodie unterschieden.

Die Musik hat hierin eine ähnliche und selbst noch größere Freiheit als die Poesie.

In der Poesie braucht bekanntlich der Anfang und das Ende der Wörter nicht mit dem Anfang und Ende der Versfüße zusammenzufallen, sondern dies durchgängige Aufeinandertreffen gibt einen lahmen, zäsurlosen Vers.

Ebenso muss auch der Beginn und das Aufhören der Sätze oder Perioden nicht durchweg der Beginn und Schluß eines Verses sein; im Gegenteil, eine Periode endigt sich besser am Anfang oder auch in der ((169)) Mitte und gegen die letzteren Versfüße, und es beginnt dann eine neue, welche den ersten Vers in den folgenden hinüberführt.

Ähnlich verhält es sich mit der Musik in betreff auf Takt und Rhythmus.

Die Melodie und deren verschiedene Perioden brauchen nicht streng mit dem Anheben eines Taktes zu beginnen und mit dem Ende eines anderen zu schließen und können sich überhaupt insoweit emanzipieren, daß die Hauptarsis der Melodie in den Teil eines Taktes fällt, welchem in betreff auf seinen gewöhnlichen Rhythmus keine solche Hebung zukommt, während umgekehrt ein Ton, der im natürlichen Gange der Melodie keine markierte Heraushebung erhalten müßte, in dem guten Taktteil zu stehen vermag, der eine Arsis fordert, so daß also solch ein Ton in bezug auf den Taktrhythmus verschieden von der Geltung wirkt, auf welche dieser Ton für sich in der Melodie Anspruch machen darf.

Am schärfsten aber tritt der Gegenstoß im Rhythmus des Taktes und der Melodie in den sogenannten Synkopen heraus.

Hält sich die Melodie auf der anderen Seite in ihren Rhythmen und Teilen genau an den Taktrhythmus, so klingt sie leicht abgeleiert, kahl und erfindungslos.

Was in dieser Rücksicht darf gefordert werden, ist, um es kurz zu sagen, die Freiheit von der Pedanterie des Metrums und von der Barbarei eines einförmigen Rhythmus.

Denn der Mangel an freierer Bewegung, die Trägheit und Lässigkeit bringt leicht zum Trübseligen und Schwermütigen, und so haben auch gar manche unserer Volksmelodien etwas Lugubres, Ziehendes, Schleppendes, insofern die Seele nur einen monotoneren Fortgang zum Element ihres Ausdrucks vor sich hat und durch ihr Mittel dazu geführt wird, nun auch die klagenden Empfindungen eines geknickten Herzens darin niederzulegen.

Schon hierin liegt ein wesentlicher Unterschied der deutschen und italienischen Musik.

Das einförmige, kahle jambische ((170)) Skandieren, das in so vielen deutschen Liedern wiederkehrt, tötet das freie, lustige Sich-Ergehen der Melodie und hält einen weiteren Emporschwung und Umschwung ab.

In neueren Zeiten scheinen mir Reichardt und andere in die Liederkomposition eben dadurch, daß sie dies jambische Geleier verlassen, obschon es in einigen ihrer Lieder gleichfalls noch vorherrscht, ein neues rhythmisches Leben gebracht zu haben.

Doch findet sich der Einfluß des jambischen Rhythmus nicht nur in Liedern, sondern auch in vielen unserer größten Musikstücke.

Selbst in Händels „Messias" folgt in vielen Arien und Chören die Komposition nicht nur mit deklamatorischer Wahrheit dem Sinn der Worte, sondern auch dem Fall des jambischen Rhythmus, teils in dem bloßen Unterschiede der Länge und Kürze, teils darin, daß die jambische Länge einen höheren Ton erhält als die im Metrum kurze Silbe.

Dieser Charakter ist wohl eins der Momente, durch welches wir Deutsche in der Händelschen Musik, bei den sonstigen Vortrefflichkeiten, bei ihrem majestätischen Schwung, ihrer fortstürmenden Bewegung, ihrer Fülle ebenso religiös tiefer als idyllisch einfacher Empfindungen, so ganz zu Hause sind.

Dies rhythmische Ingrediens der Melodie liegt unserem Ohre viel näher als den Italienern, welche darin etwas Unfreies, Fremdes und ihrem Ohr Heterogenes finden mögen.

  1. Die Harmonie

Die andere Seite nun, durch welche die abstrakte Grundlage des Taktes und Rhythmus erst ihre Erfüllung und dadurch die Möglichkeit erhält, zur eigentlich konkreten Musik zu werden, ist das Reich der Töne als Töne.

Dies wesentlichere Gebiet der Musik befaßt die Gesetze der Harmonie.

Hier tut sich ein neues Element hervor, indem ein Körper durch sein Schwingen nicht nur für die Kunst aus der Darstellbarkeit seiner räumlichen Form heraustritt und sich zur Ausbildung seiner gleichsam zeitlichen Gestalt herüberbewegt, sondern nun auch seiner besonderen physikalischen Beschaffenheit ((171)) sowie seiner verschiedenen Länge und Kürze und Anzahl der Schwingungen nach, zu denen er es während einer bestimmten Zeit bringt, verschiedenartig ertönt und deshalb in dieser Rücksicht von der Kunst ergriffen und kunstgemäß gestaltet werden muss.

In Ansehung dieses zweiten Elements haben wir drei Hauptpunkte bestimmter herauszuheben.

Das erste nämlich, was sich unserer Betrachtung darbietet, ist der Unterschied der besonderen Instrumente, deren Erfindung und Zurichtung der Musik notwendig gewesen ist, um eine Totalität hervorzubringen, welche schon in betreff auf den sinnlichen Klang, unabhängig von aller Verschiedenheit in dem wechselseitigen Verhältnis der Höhe und Tiefe, einen Umkreis unterschiedener Töne ausmacht.

Zweitens jedoch ist das musikalische Tönen, abgesehen von der Verschiedenartigkeit der Instrumente und der menschlichen Stimme, in sich selbst eine gegliederte Totalität unterschiedener Töne, Tonreihen und Tonarten, die zunächst auf quantitativen Verhältnissen beruhen und in der Bestimmtheit dieser Verhältnisse die Töne sind, welche jedes Instrument und die menschliche Stimme ihrem spezifischen Klange nach in geringerer oder größerer Vollständigkeit hervorzurufen die Aufgabe erhält.

Drittens besteht die Musik weder in einzelnen Intervallen noch in bloßen abstrakten Reihen und auseinanderfallenden Tonarten, sondern ist ein konkretes Zusammenklingen, Entgegensetzen und Vermitteln von Tönen, welche dadurch eine Fortbewegung und einen Übergang ineinander nötig machen.

Diese Zusammenstellung und Veränderung beruht nicht auf bloßer Zufälligkeit und Willkür, sondern ist bestimmten Gesetzen unterworfen, an denen alles wahrhaft Musikalische seine notwendige Grundlage hat.

Gehen wir nun aber zur bestimmteren Betrachtung dieser Gesichtspunkte über, so muss ich mich, wie ich schon früher anführte, hier besonders auf die allgemeinsten Bemerkungen einschränken. ((172))

  1. Die Skulptur und Malerei finden mehr oder weniger ihr sinnliches Material, Holz, Stein, Metalle usf., Farben usw., vor oder haben dasselbe nur in geringerem Grade zu verarbeiten nötig, um es für den Kunstgebrauch geschickt werden zu lassen.

aa) Die Musik aber, welche sich überhaupt in einem erst durch die Kunst und für dieselbe gemachten Elemente bewegt, muss eine bedeutend schwierigere Vorbereitung durchgehen, ehe sie zur Hervorbringung der Töne gelangt.

außer der Mischung der Metalle zum Guß, dem Anreiben der Farben mit Pflanzensäften, Ölen und dergleichen mehr, der Mischung zu neuen Nuancen usf. bedürfen Skulptur und Malerei keiner reichhaltigeren Erfindungen.

Die menschliche Stimme ausgenommen, welche unmittelbar die Natur gibt, muss sich die Musik hingegen ihre üblichen Mittel zum wirklichen Tönen erst durchgängig selber herbeischaffen, bevor sie überhaupt nur existieren kann.

bb) Was nun diese Mittel als solche betrifft, so haben wir den Klang bereits oben in der Weise gefaßt, daß er ein Erzittern des räumlichen Bestehens sei, die erste innere Beseelung, welche sich gegen das bloße sinnliche Außereinander geltend macht und durch Negation der realen Räumlichkeit als ideelle Einheit aller physikalischen Eigenschaften der spezifischen Schwere, Art der Kohärenz eines Körpers heraustritt.

Fragen wir weiter nach der qualitativen Beschaffenheit desjenigen Materials, das hier zum Klingen gebracht wird, so ist es sowohl seiner physikalischen Natur nach als auch in seiner künstlichen Konstruktion höchst mannigfaltig: bald eine geradlinige oder geschwungene Luftsäule, die durch einen festen Kanal von Holz oder Metall begrenzt wird, bald eine geradlinige gespannte Darm- oder Metallsaite, bald eine gespannte Fläche aus Pergament oder eine Glas- und Metallglocke.

Erstens ist es die lineare Richtung, welche das Herrschende ((173)) ausmacht und die recht eigentlich musikalisch brauchbaren Instrumente hervorbringt, sei es nun, daß eine kohäsionslosere Luftsäule, wie bei den Blasinstrumenten, das Hauptprinzip liefert oder eine materielle Säule, die straff gezogen werden, doch Elastizität genug behalten muss, um noch schwingen zu können, wie bei den Saiteninstrumenten.

Das zweite hingegen ist das Flächenhafte, das jedoch nur untergeordnete Instrumente gibt, wie die Pauke, Glocke, Harmonika.

Denn es findet zwischen der sich vernehmenden Innerlichkeit und jenem linearen Tönen eine geheime Sympathie statt, der zufolge die in sich einfache Subjektivität das klingende Erzittern der einfachen Länge anstatt breiter oder runder Flächen fordert.

Das Innerliche nämlich ist als Subjekt dieser geistige Punkt, der im Tönen als seiner Entäußerung sich vernimmt.

Das nächste Sichaufheben und Entäußern des Punktes aber ist nicht die Fläche, sondern die einfache lineare Richtung.

In dieser Rücksicht sind breite oder runde Flächen dem Bedürfnis und der Kraft des Vernehmens nicht angemessen.

Bei der Pauke ist es das über einen Kessel gespannte Fell, welches, auf einem Punkte geschlagen, die ganze Fläche nur zu einem dumpfen Schall erzittern macht, der zwar zu stimmen, doch in sich selbst, wie das ganze Instrument, weder zur schärferen Bestimmtheit noch zu einer großen Vielseitigkeit zu bringen ist.

Das Entgegengesetzte finden wir bei der Harmonika und deren angeriebenen Glasglöckchen.

Hier ist es die konzentrierte, nicht hinausgehende Intensivität, die so angreifender Art ist, daß viele Menschen beim Anhören bald einen Nervenkopfschmerz empfinden.

Dies Instrument hat sich außerdem trotz seiner spezifischen Wirksamkeit ein dauerndes Wohlgefallen nicht erwerben können und läßt sich auch mit anderen Instrumenten, insofern es sich ihnen zuwenig anfügt, schwer in Verbindung setzen.

Als das freiste und seinem Klang nach vollständigste Instrument können wir drittens die menschliche Stimme bezeichnen, welche in sich den Charakter der Blas- und Saiteninstrumente vereinigt, indem es hier teils eine Luftsäule ist, welche erzittert, teils auch durch die Muskeln das Prinzip einer straff gezogenen Saite hinzukommt.

Wie wir schon bei der menschlichen Hautfarbe sahen, daß sie als ideelle Einheit die übrigen Farben enthalte und dadurch die in sich vollkommenste Farbe sei, so enthält auch die menschliche Stimme die ideelle Totalität des Klingens, das sich in den übrigen Instrumenten nur in seine besonderen Unterschiede auseinanderlegt.

Dadurch ist sie das vollkommene Tönen und verschmelzt sich deshalb auch mit den sonstigen Instrumenten am gefügigsten und schönsten.

Zugleich läßt die menschliche Stimme sich als das Tönen der Seele selbst vernehmen, als der Klang, den das Innere seiner Natur nach zum Ausdruck des Innern hat und diese Äußerung unmittelbar regiert.

Bei den übrigen Instrumenten wird dagegen ein der Seele und ihrer Empfindung gleichgültiger und seiner Beschaffenheit nach fernabliegender Körper in Schwingung versetzt, im Gesang aber ist es ihr eigener Leib, aus welchem die Seele herausklingt.

So entfaltet sich nun auch, wie das subjektive Gemüt und die Empfindung selbst, die menschliche Stimme zu einer großen Mannigfaltigkeit der Partikularität, die dann in betreff der allgemeineren Unterschiede nationale und sonstige Naturverhältnisse zur Grundlage hat.

So sind z.B. die Italiener ein Volk des Gesanges, unter welchem die schönsten Stimmen am häufigsten vorkommen.

Eine Hauptseite bei dieser Schönheit wird erstlich das Materielle des Klangs als Klangs, das reine Metall, das sich weder zur bloßen Schärfe und glasartigen Dünne zuspitzen noch dumpf oder hohl bleiben darf, zugleich aber, ohne zum Beben des Tons fortzugehen, in diesem sich gleichsam kompakt ((175)) zusammenhaltenden Klang doch noch ein inneres Leben und Erzittern des Klingens bewahrt.

Dabei muss denn vor allem die Stimme rein sein, d.h. neben dem in sich fertigen Ton muss sich kein anderweitiges Geräusch geltend machen.

yy) Diese Totalität nun von Instrumenten kann die Musik entweder einzeln oder in vollem Zusammenstimmen gebrauchen.

Besonders in dieser letzteren Beziehung hat sich die Kunst erst in neuerer Zeit ausgebildet.

Die Schwierigkeit solcher kunstgemäßen Zusammenstellung ist groß, denn jedes Instrument hat seinen eigentümlichen Charakter, der sich nicht unmittelbar der Besonderheit eines anderen Instruments anfügt, so daß nun sowohl in Rücksicht auf das Zusammenklingen vieler Instrumente der verschiedenen Gattungen als auch für das wirksame Hervortreten irgendeiner besonderen Art, der Blas- oder Saiteninstrumente z.B., oder für das plötzliche Herausblitzen von Trompetenstößen und für die wechselnde Aufeinanderfolge der aus dem Gesamtchor hervorgehobenen Klänge große Kenntnis, Umsicht, Erfahrung und Erfindungsgabe nötig ist, damit in solchen Unterschieden, Veränderungen, Gegensätzen, Fortgängen und Vermittlungen auch ein innerer Sinn, eine Seele und Empfindung nicht zu vermissen sei.

So ist mir z.B. in den Symphonien Mozarts, welcher auch in der Instrumentierung und deren sinnvoller, ebenso lebendiger als klarer Mannigfaltigkeit ein großer Meister war, der Wechsel der besonderen Instrumente oft wie ein dramatisches Konzertieren, wie eine Art von Dialog vorgekommen, in welchem teils der Charakter der einen Art von Instrumenten sich bis zu dem Punkte fortführt, wo der Charakter der anderen indiziert und vorbereitet ist, teils eins dem anderen eine Erwiderung gibt oder das hinzubringt, was gemäß auszusprechen dem Klange des Vorhergehenden nicht vergönnt ist, so daß hierdurch in der anmutigsten Weise ein Zwiegespräch des Klingens und Widerklingens, des Beginnens, Fortführens und Ergänzens entsteht. ((176))

  1. Das zweite Element, dessen noch Erwähnung zu tun ist, betrifft nicht mehr die physikalische Qualität des Klangs, sondern die Bestimmtheit des Tones in sich selbst und die Relation zu anderen Tönen.

Dies objektive Verhältnis, wodurch sich das Tönen erst zu einem Kreise ebensosehr in sich, als einzelner, fest bestimmter als auch in wesentlicher Beziehung aufeinander bleibender Töne ausbreitet, macht das eigentlich harmonische Element der Musik aus und beruht seiner zunächst selbst wieder physikalischen Seite nach auf quantitativen Unterschieden und Zahlenproportionen.

Näher nun sind in Ansehung dieses harmonischen Systems auf der jetzigen Stufe folgende Punkte von Wichtigkeit:

Erstens die einzelnen Töne in ihrem bestimmten Maßverhältnis und in der Beziehung desselben auf andere Töne: die Lehre von den einzelnen Intervallen; zweitens die zusammengestellte Reihe der Töne in ihrer einfachsten Aufeinanderfolge, in welcher ein Ton unmittelbar auf einen anderen hinweist: die Tonleiter; drittens die Verschiedenheit dieser Tonleitern, welche, insofern jede von einem anderen Tone als ihrem Grundtone den Anfang nimmt, zu besonderen, von den übrigen unterschiedenen Tonarten sowie zur Totalität dieser Arten werden.

aa) Die einzelnen Töne erhalten nicht nur ihren Klang, sondern auch die näher abgeschlossene Bestimmtheit desselben durch einen schwingenden Körper.

Um zu dieser Bestimmtheit gelangen zu können, muss nun die Art des Schwingens selbst nicht zufällig und willkürlich, sondern fest in sich bestimmt sein.

Die Luftsäule nämlich oder gespannte Saite, Fläche usf., welche erklingt, hat eine Länge und Ausdehnung überhaupt; nimmt man nun z.B. eine Saite und befestigt sie auf zwei Punkten und bringt den dazwischenliegenden gespannten Teil in Schwingung, so ist das nächste, worauf es ankommt, die Dicke und Spannung.

Ist diese in zwei Saiten ganz gleich, so handelt es sich, nach einer Beobachtung, welche Pythagoras zuerst machte, vornehmlich um die Länge, indem dieselben Saiten bei verschiedener Länge ((177)) während der gleichen Zeitdauer eine verschiedene Anzahl von Schwingungen geben.

Der Unterschied nun dieser Anzahl von einer anderen und das Verhältnis zu einer anderen Anzahl macht die Basis für den Unterschied und das Verhältnis der besonderen Töne, in betreff auf ihre Höhe und Tiefe aus.

Hören wir nun aber dergleichen Töne, so ist die Empfindung dieses Vernehmens etwas von so trockenen Zahlenverhältnissen ganz Verschiedenes; wir brauchen von Zahlen und arithmetischen Proportionen nichts zu wissen, ja wenn wir auch die Saite schwingen sehen, so verschwindet doch teils dies Erzittern, ohne daß wir es in Zahlen festhalten können, teils bedürfen wir eines Hinblicks auf den klingenden Körper gar nicht, um den Eindruck seines Tönens zu erhalten.

Der Zusammenhang des Tons mit diesen Zahlenverhältnissen kann deshalb zunächst nicht nur als unglaublich auffallen, sondern es kann sogar den Anschein gewinnen, als werde das Hören und innere Verstehen der Harmonien sogar durch die Zurückführung auf das bloß Quantitative herabgewürdigt.

Dennoch ist und bleibt das numerische Verhältnis der Schwingungen in derselben Zeitdauer die Grundlage für die Bestimmtheit der Töne.

Denn daß unsere Empfindung des Hörens in sich einfach ist, liefert keinen Grund zu einem triftigen Einwande.

Auch das, was einen einfachen Eindruck gibt, kann an sich, seinem Begriff wie seiner Existenz nach, etwas in sich Mannigfaltiges und mit anderem in wesentlicher Beziehung Stehendes sein.

Sehen wir z.B. Blau oder Gelb, Grün oder Rot in der spezifischen Reinheit dieser Farben, so haben sie gleichfalls den Anschein einer durchaus einfachen Bestimmtheit, wogegen sich Violett leicht als eine Mischung ergibt von Blau und Rot.

Dessenungeachtet ist auch das reine Blau nichts Einfaches, sondern ein bestimmtes Verhältnis des Ineinander von Hell und Dunkel.

Religiöse Empfindungen, das Gefühl des Rechtes in diesem oder jenem Falle erscheinen als ebenso einfach, und doch enthält alles Religiöse, jedes Rechtsverhältnis eine Mannigfaltigkeit von ((178)) besonderen Bestimmungen, deren Einheit diese einfache Empfindung gibt.

In der gleichen Weise nun beruht auch der Ton, wie sehr wir ihn als etwas in sich schlechthin Einfaches hören und empfinden, auf einer Mannigfaltigkeit, die, weil der Ton durch das Erzittern des Körpers entsteht und dadurch mit seinen Schwingungen in die Zeit fällt, aus der Bestimmtheit dieses zeitlichen Erzitterns, d.h. aus der bestimmten Anzahl von Schwingungen in einer bestimmten Zeit, herzuleiten ist.

Für das Nähere solcher Herleitung will ich nur auf folgendes aufmerksam machen.

Die unmittelbar zusammenstimmenden Töne, bei deren Erklingen die Verschiedenheit nicht als Gegensatz vernehmbar wird, sind diejenigen, bei welchen das Zahlenverhältnis ihrer Schwingungen von einfachster Art bleibt, wogegen die nicht von Hause aus zusammenstimmenden verwickeltere Proportionen in sich haben.

Von ersterer Art z.B. sind die Oktaven.

Stimmt man nämlich eine Saite, deren bestimmte Schwingungen den Grundton geben, und teilt dieselbe, so macht diese zweite Hälfte in der gleichen Zeit, mit der ersten verglichen, noch einmal soviel Schwingungen.

Ebenso gehen bei der Quinte drei Schwingungen auf zwei des Grundtons; fünf auf vier des Grundtons bei der Terz.

Anders dagegen verhält es sich mit der Sekunde und Septime, wo acht Schwingungen des Grundtons auf neun und auf fünfzehn fallen.

bb) Indem nun, wie wir bereits sahen, diese Verhältnisse nicht zufällig gewählt sein dürfen, sondern eine innere Notwendigkeit für ihre besonderen Seiten wie für deren Totalität enthalten müssen, so können die einzelnen Intervalle, welche sich nach solchen Zahlenverhältnissen bestimmen lassen, nicht in ihrer Gleichgültigkeit gegeneinander stehenbleiben, sondern haben sich als eine Totalität zusammenzuschließen.

Das erste Tonganze, das hieraus entsteht, ist nun aber noch kein konkreter Zusammenklang unterschiedener Töne, sondern ein ganz abstraktes Aufeinanderfolgen eines Systems, eine Aufeinanderfolge der Töne nach ihrem einfachsten ((179)) Verhältnisse zueinander und zu der Stellung innerhalb ihrer Totalität.

Dies gibt die einfache Reihe der Töne, die Tonleiter.

Die Grundbestimmung derselben ist die Tonika, die sich in ihrer Oktav wiederholt und nun die übrigen sechs Töne innerhalb dieser doppelten Grenze ausbreitet, welche dadurch, daß der Grundton in seiner Oktav unmittelbar mit sich zusammenstimmt, zu sich selbst zurückkehrt.

Die anderen Töne der Skala stimmen zum Grundton teils selbst wieder unmittelbar, wie Terz und Quinte, oder haben gegen denselben eine wesentlichere Unterschiedenheit des Klangs, wie die Sekunde und Septime, und ordnen sich nun zu einer spezifischen Aufeinanderfolge, deren Bestimmtheit ich jedoch hier nicht weitläufiger erörtern will.

yy) Aus dieser Tonleiter drittens gehen die Tonarten hervor.

Jeder Ton der Skala nämlich kann selbst wieder zum Grundton einer neuen, besonderen Tonreihe gemacht werden, welche sich nach demselben Gesetz wie die erste ordnet.

Mit der Entwicklung der Skala zu einem größeren Reichtum von Tönen hat sich deshalb auch die Anzahl der Tonarten vermehrt; wie z.B. die moderne Musik sich in mannigfaltigeren Tonarten bewegt als die Musik der Alten.

Da nun ferner die verschiedenen Töne der Tonleiter überhaupt, wie wir sahen, im Verhältnis eines unmittelbareren Zueinanderstimmens oder eines wesentlicheren Abweichens und Unterschiedes voneinander stehen, so werden auch die Reihen, welche aus diesen Tönen als Grundtönen entspringen, entweder ein näheres Verhältnis der Verwandtschaft zeigen und deshalb unmittelbar ein Übergehen von der einen in die andere gestatten oder solch einen unvermittelten Fortgang ihrer Fremdheit wegen verweigern.

außerdem aber treten die Tonarten zu dem Unterschiede der Härte und Weiche, der Dur- und Molltonart, auseinander und haben endlich durch den Grundton, aus dem sie hervorgehen, einen bestimmten Charakter, welcher seinerseits wieder einer besonderen Weise der Empfindung, der Klage, Freude, Trauer, ermutigenden Aufregung usf. entspricht.

In diesem Sinne haben die Alten ((180)) bereits viel von dem Unterschiede der Tonarten abgehandelt und denselben zu einem mannigfachen Gebrauche ausgebildet.

  1. Der dritte Hauptpunkt, mit dessen Betrachtung wir unsere kurzen Andeutungen über die Lehre von der Harmonie schließen können, betrifft das Zusammenklingen der Töne selbst, das System der Akkorde.

aa) Wir haben bisher zwar gesehen, daß die Intervalle ein Ganzes bilden; diese Totalität jedoch breitete sich zunächst in den Skalen und Tonarten nur zu bloßen Reihen auseinander, in deren Aufeinanderfolge jeder Ton für sich einzeln hervortrat.

Dadurch blieb das Tönen noch abstrakt, da sich nur immer eine besondere Bestimmtheit hervortat.

Insofern aber die Töne nur durch ihr Verhältnis zueinander in der Tat sind, was sie sind, so wird das Tönen auch als dieses konkrete Tönen selbst Existenz gewinnen müssen, d.h. verschiedene Töne haben sich zu ein und demselben Tönen zusammenzuschließen.

Dieses Miteinanderklingen, bei welchem es jedoch auf die Anzahl der sich einigenden Töne nicht wesentlich ankommt, so daß schon zwei eine solche Einheit bilden können, macht den Begriff des Akkordes aus.

Wenn nun bereits die einzelnen Töne in ihrer Bestimmtheit nicht dürfen dem Zufall und der Willkür überlassen bleiben, sondern durch eine innere Gesetzmäßigkeit geregelt und in ihrer Aufeinanderfolge geordnet sein müssen, so wird die gleiche Gesetzmäßigkeit auch für die Akkorde einzutreten haben, um zu bestimmen, welche Art von Zusammenstellungen dem musikalischen Gebrauche zuzugestehen, welche hingegen von demselben auszuschließen ist.

Diese Gesetze erst geben die Lehre von der Harmonie im eigentlichen Sinne, nach welcher sich auch die Akkorde wieder zu einem in sich selbst notwendigen System auseinanderlegen.

bb) In diesem Systeme nun gehen die Akkorde zur Besonderheit und Unterschiedenheit voneinander fort, da es immer bestimmte Töne sind, die zusammenklingen.

Wir haben es deshalb sogleich mit einer Totalität besonderer Akkorde zu ((181)) tun.

Was die allgemeinste Einteilung derselben betrifft, so machen sich hier die näheren Bestimmungen von neuem geltend, die ich schon bei den Intervallen, den Tonleitern und Tonarten flüchtig berührt habe.

Eine erste Art nämlich von Akkorden sind diejenigen, zu denen Töne zusammentreten, welche unmittelbar zueinander stimmen.

In diesem Tönen tut sich daher kein Gegensatz, kein Widerspruch auf, und die vollständige Konsonanz bleibt ungestört.

Dies ist bei den sogenannten konsonierenden Akkorden der Fall, deren Grundlage der Dreiklang abgibt.

Bekanntlich besteht derselbe aus dem Grundton, der Terz oder Mediante und der Quinte oder Dominante.

Hierin ist der Begriff der Harmonie in ihrer einfachsten Form, ja die Natur des Begriffs überhaupt ausgedrückt.

Denn wir haben eine Totalität unterschiedener Töne vor uns, welche diesen Unterschied ebensosehr als ungetrübte Einheit zeigen; es ist eine unmittelbare Identität, der es aber nicht an Besonderung und Vermittlung fehlt, während die Vermittlung zugleich nicht bei der Selbständigkeit der unterschiedenen Töne stehenbleibt und sich mit dem bloßen Herüber und Hinüber eines relativen Verhältnisses begnügen darf, sondern die Einigung wirklich zustande bringt und dadurch zur Unmittelbarkeit in sich zurückkehrt.

Was aber zweitens den verschiedenen Arten von Dreiklängen, welche ich hier nicht näher erörtern kann, noch abgeht, ist das wirkliche Hervortreten einer tieferen Entgegensetzung.

Nun haben wir aber bereits früher gesehen, daß die Tonleiter außer jenen gegensatzlos zueinanderstimmenden Tönen auch noch andere enthält, die dieses Zusammenstimmen aufheben.

Ein solcher Ton ist die kleine und große Septime.

Da diese gleichfalls zur Totalität der Töne gehören, so werden sie sich auch in den Dreiklang Eingang verschaffen müssen.

Geschieht dies aber, so ist jene unmittelbare Einheit und Konsonanz zerstört, insofern ein wesentlich anders klingender Ton hinzukommt, durch welchen nun erst wahrhaft ein bestimmter Unterschied, und zwar als Gegensatz, ((182)) hervortritt.

Dies macht die eigentliche Tiefe des Tönens aus, daß es auch zu wesentlichen Gegensätzen fortgeht und die Schärfe und Zerrissenheit derselben nicht scheut.

Denn der wahre Begriff ist zwar Einheit in sich; aber nicht nur unmittelbare, sondern wesentlich in sich zerschiedene, zu Gegensätzen zerfallene Einheit.

So habe ich z.B. in meiner Logik den Begriff zwar als Subjektivität entwickelt, aber diese Subjektivität als ideelle durchsichtige Einheit hebt sich zu dem ihr Entgegengesetzten, zur Objektivität auf; ja, sie ist als das bloß Ideelle selbst nur eine Einseitigkeit und Besonderheit, die sich ein Anderes, Entgegengesetztes, die Objektivität gegenüber behält und nur wahrhafte Subjektivität ist, wenn sie in diesen Gegensatz eingeht und ihn überwindet und auflöst.

So sind es auch in der wirklichen Welt die höheren Naturen, welchen den Schmerz des Gegensatzes in sich zu ertragen und zu besiegen die Macht gegeben ist.

Soll nun die Musik sowohl die innere Bedeutung als auch die subjektive Empfindung des tiefsten Gehaltes, des religiösen z.B., und zwar des christlich-religiösen, in welchem die Abgründe des Schmerzes eine Hauptseite bilden, kunstgemäß ausdrücken, so muss sie in ihrem Tonbereich Mittel besitzen, welche den Kampf von Gegensätzen zu schildern befähigt sind.

Dies Mittel erhält sie in den dissonierenden sogenannten Septimen- und Nonenakkorden, auf deren bestimmtere Angabe ich mich jedoch nicht näher einlassen kann.

Sehen wir dagegen drittens auf die allgemeine Natur dieser Akkorde, so ist der weitere wichtige Punkt der, daß sie Entgegengesetztes in dieser Form des Gegensatzes selbst in ein und derselben Einheit halten.

Daß aber Entgegengesetztes als Entgegengesetztes in Einheit sei, ist schlechthin widersprechend und bestandlos.

Gegensätze überhaupt haben ihrem inneren Begriffe nach keinen festen Halt, weder in sich selber noch an ihrer Entgegensetzung.

Im Gegenteil, sie gehen an ihrer Entgegensetzung selber zugrunde.

Die Harmonie kann deshalb bei dergleichen Akkorden nicht ((183)) stehenbleiben, die für das Ohr nur einen Widerspruch geben, welcher seine Lösung fordert, um für Ohr und Gemüt eine Befriedigung herbeizuführen.

Mit dem Gegensatze insofern ist unmittelbar die Notwendigkeit einer Auflösung von Dissonanzen und ein Rückgang zu Dreiklängen gegeben.

Diese Bewegung erst als Rückkehr der Identität zu sich ist überhaupt das Wahrhafte.

In der Musik aber ist diese volle Identität selbst nur möglich als ein zeitliches Auseinanderlegen ihrer Momente, welche deshalb zu einem Nacheinander werden, ihre Zusammengehörigkeit jedoch dadurch erweisen, daß sie sich als die notwendige Bewegung eines in sich selbst begründeten Fortgangs zueinander und als ein wesentlicher Verlauf der Veränderung dartun.

yy) Damit sind wir zu einem dritten Punkte hingelangt, dem wir noch Aufmerksamkeit zu schenken haben.

Wenn nämlich schon die Skala eine in sich feste, obgleich zunächst noch abstrakte Reihenfolge von Tönen war, so bleiben nun auch die Akkorde nicht vereinzelt und selbständig, sondern erhalten einen innerlichen Bezug aufeinander und das Bedürfnis der Veränderung und des Fortschritts.

In diesen Fortschritt, obschon derselbe eine bedeutendere Breite des Wechsels, als in der Tonleiter möglich ist, erhalten kann, darf sich jedoch wiederum nicht die bloße Willkür einmischen, sondern die Bewegung von Akkord zu Akkord muss teils in der Natur der Akkorde selbst, teils der Tonarten, zu welchen dieselben überführen, beruhen.

In dieser Rücksicht hat die Theorie der Musik vielfache Verbote aufgestellt, deren Auseinandersetzung und Begründung uns jedoch in allzu schwierige und weitläufige Erörterungen verwickeln möchte.

Ich will es deshalb mit den wenigen allgemeinsten Bemerkungen genug sein lassen.

  1. Die Melodie

Blicken wir auf das zurück, was uns zunächst in Ansehung der besonderen musikalischen Ausdrucksmittel beschäftigt hat, so betrachteten wir erstens die Gestaltungsweise der ((184)) zeitlichen Dauer der Töne in Rücksicht auf Zeitmaß, Takt und Rhythmus.

Von hier aus gingen wir zu dem wirklichen Tönen fort, und zwar erstens zum Klang der Instrumente und menschlichen Stimme, zweitens zur festen Maßbestimmung der Intervalle und zu deren abstrakter Reihenfolge in der Skala und den verschiedenen Tonarten; drittens zu den Gesetzen der besonderen Akkorde und ihrer Fortbewegung zueinander.

Das letzte Gebiet nun, in welchem die früheren sich in eins bilden und in dieser Identität die Grundlage für die erst wahrhaft freie Entfaltung und Einigung der Töne abgeben, ist die Melodie.

Die Harmonie nämlich befaßt nur die wesentlichen Verhältnisse, welche das Gesetz der Notwendigkeit für die Tonwelt ausmachen, doch nicht selber schon, ebensowenig wie Takt und Rhythmus, eigentliche Musik, sondern nur die substantielle Basis, der gesetzmäßige Grund und Boden sind, auf dem die freie Seele sich ergeht.

Das Poetische der Musik, die Seelensprache, welche die innere Lust und den Schmerz des Gemüts in Töne ergießt und in diesem Erguß sich über die Naturgewalt der Empfindung mildernd erhebt, indem sie das präsente Ergriffensein des Inneren zu einem Vernehmen seiner, zu einem freien Verweilen bei sich selbst macht und dem Herzen eben dadurch die Befreiung von dem Druck der Freuden und Leiden gibt - das freie Tönen der Seele im Felde der Musik ist erst die Melodie.

Dies letzte Gebiet, insofern es die höhere poetische Seite der Musik, das Bereich ihrer eigentlich künstlerischen Erfindungen im Gebrauch der bisher betrachteten Elemente ausmacht, ist nun vornehmlich dasjenige, von welchem zu sprechen wäre.

Dennoch aber treten uns hier gerade die schon oben erwähnten Schwierigkeiten in den Weg.

Einerseits nämlich gehörte zu einer weitläufigen und begründenden Abhandlung des Gegenstandes eine genauere Kenntnis der Regeln der Komposition und eine ganz andere Kennerschaft der vollendetesten musikalischen Kunstwerke, als ich sie besitze und mir zu verschaffen gewußt habe, da man von den eigentlichen ((185)) Kennern und ausübenden Musikern - von den letzteren, die häufig die geistlosesten sind, am allerwenigsten - hierüber selten etwas Bestimmtes und Ausführliches hört.

Auf der anderen Seite liegt es in der Natur der Musik selbst, daß sich in ihr weniger als in den übrigen Künsten Bestimmtes und Besonderes in allgemeinerer Weise festhalten und herausheben läßt und lassen soll.

Denn wie sehr die Musik auch einen geistigen Inhalt in sich aufnimmt und das Innere dieses Gegenstandes oder die inneren Bewegungen der Empfindung zum Gegenstande ihres Ausdruckes macht, so bleibt dieser Inhalt, eben weil er seiner Innerlichkeit nach gefaßt wird oder als subjektive Empfindung widerklingt, unbestimmter und vager, und die musikalischen Veränderungen sind nicht jedesmal zugleich auch die Veränderung einer Empfindung oder Vorstellung, eines Gedankens oder einer individuellen Gestalt, sondern eine bloß musikalische Fortbewegung, die mit sich selber spielt und dahinein Methode bringt.

Ich will mich deshalb nur auf folgende allgemeine Bemerkungen, die mir interessant scheinen und aufgefallen sind, beschränken.

  1. Die Melodie in ihrer freien Entfaltung der Töne schwebt zwar einerseits unabhängig über Takt, Rhythmus und Harmonie, doch hat sie andererseits keine anderen Mittel zu ihrer Verwirklichung als eben die rhythmisch-taktmäßigen Bewegungen der Töne in deren wesentlichen und in sich selbst notwendigen Verhältnissen.

Die Bewegung der Melodie ist daher in diese Mittel ihres Daseins eingeschlossen und darf nicht gegen die der Sache nach notwendige Gesetzmäßigkeit derselben in ihnen Existenz gewinnen wollen.

In dieser engen Verknüpfung mit der Harmonie als solcher büßt aber die Melodie nicht etwa ihre Freiheit ein, sondern befreit sich nur von der Subjektivität zufälliger Willkür in launenhaftem Fortschreiten und bizarren Veränderungen und erhält gerade hierdurch erst ihre wahre Selbständigkeit.

Denn die echte Freiheit steht nicht dem Notwendigen als einer fremden und deshalb drückenden und unterdrückenden ((186)) Macht gegenüber, sondern hat dies Substantielle als das ihr selbst einwohnende, mit ihr identische Wesen, in dessen Forderungen sie deshalb so sehr nur ihren eigenen Gesetzen folgt und ihrer eigenen Natur Genüge tut, daß sie sich erst in dem Abgehen von diesen Vorschriften von sich abwenden und sich selber ungetreu werden würde.

Umgekehrt aber zeigt es sich nun auch, daß Takt, Rhythmus und Harmonie für sich genommen nur Abstraktionen sind, die in ihrer Isolierung keine musikalische Gültigkeit haben, sondern nur durch die Melodie und innerhalb derselben, als Momente und Seiten der Melodie selber, zu einer wahrhaft musikalischen Existenz gelangen können.

In dem auf solche Weise in Einklang gebrachten Unterschied von Harmonie und Melodie liegt das Hauptgeheimnis der großen Kompositionen.

  1. Was nun in dieser Rücksicht zweitens den besonderen Charakter der Melodie angeht, so scheinen mir folgende Unterschiede von Wichtigkeit zu sein.

aa) Die Melodie kann sich erstens in Ansehung ihres harmonischen Verlaufes auf einen ganz einfachen Kreis von Akkorden und Tonarten beschränken, indem sie sich nur innerhalb jener gegensatzlos zueinanderstimmenden Tonverhältnisse ausbreitet, welche sie dann bloß als Basis behandelt, um in deren Boden nur die allgemeineren Haltpunkte für ihre nähere Figuration und Bewegung zu finden.

Liedermelodien z.B., die darum nicht etwa oberflächlich werden, sondern von tiefer Seele des Ausdrucks sein können, lassen sich gewöhnlich so in den einfachsten Verhältnissen der Harmonie hin und her gehen.

Sie setzen die schwierigeren Verwicklungen der Akkorde und Tonarten gleichsam nicht ins Problem, insofern sie sich mit solchen Gängen und Modulierungen begnügen, welche, um ein Zueinanderstimmen zu bewirken, sich nicht zu scharfen Gegensätzen weitertreiben und keine vielfachen Vermittlungen erfordern, ehe die befriedigende Einheit herzustellen ist.

Diese Behandlungsart kann allerdings auch zur Seichtigkeit führen, wie in vielen ((187)) modernen italienischen und französischen Melodien, deren Harmonienfolge ganz oberflächlicher Art ist, während der Komponist, was ihm von dieser Seite her abgeht, nur durch einen pikanten Reiz des Rhythmus oder durch sonstige Würzen zu ersetzen sucht.

Im allgemeinen aber ist die Leerheit der Melodie nicht eine notwendige Wirkung der Einfachheit ihrer harmonischen Basis.

bb) Ein weiterer Unterschied besteht nun zweitens darin, daß die Melodie sich nicht mehr wie in dem ersten Falle bloß in einer Entfaltung von einzelnen Tönen auf einer relativ für sich als bloßer Grundlage sich fortbewegenden Harmonienfolge entwickelt, sondern daß sich jeder einzelne Ton der Melodie als ein konkretes Ganzes zu einem Akkord ausfüllt und dadurch teils einen Reichtum an Tönen erhält, teils sich mit dem Gange der Harmonie so eng verwebt, daß keine solche bestimmtere Unterscheidung einer sich für sich auslegenden Melodie und einer nur die begleitenden Haltpunkte und den festeren Grund und Boden abgebenden Harmonie mehr zu machen ist.

Harmonie und Melodie bleiben dann ein und dasselbe kompakte Ganze, und eine Veränderung in der einen ist zugleich eine notwendige Veränderung in der anderen Seite.

Dies findet z.B. besonders in vierstimmig gesetzten Chorälen statt.

Ebenso kann sich auch ein und dieselbe Melodie mehrstimmig so verweben, daß diese Verschlingung einen Harmoniengang bildet, oder es können auch selbst verschiedene Melodien in der ähnlichen Weise harmonisch ineinandergearbeitet werden, so daß immer das Zusammentreffen bestimmter Töne dieser Melodien eine Harmonie abgibt, wie dies z.B. häufig in Kompositionen von Sebastian Bach vorkommt.

Der Fortgang zerlegt sich dann in mannigfach voneinander abweichende Gänge, die selbständig neben- und durcheinander hinzuziehen scheinen, doch eine wesentlich harmonische Beziehung aufeinander behalten, die dadurch wieder ein notwendiges Zusammengehören hereinbringt.

yy) In solcher Behandlungsweise nun darf nicht nur die ((188)) tiefere Musik ihre Bewegungen bis an die Grenzen unmittelbarer Konsonanz herantreiben, ja dieselbe, um zu ihr zurückzukehren, vorher sogar verletzen, sondern sie muss im Gegenteil das einfache erste Zusammenstimmen zu Dissonanzen auseinanderreißen.

Denn erst in dergleichen Gegensätzen sind die tieferen Verhältnisse und Geheimnisse der Harmonie, in denen eine Notwendigkeit für sich liegt, begründet, und so können die tief eindringenden Bewegungen der Melodie auch nur in diesen tieferen harmonischen Verhältnissen ihre Grundlage finden.

Die Kühnheit der musikalischen Komposition verläßt deshalb den bloß konsonierenden Fortgang, schreitet zu Gegensätzen weiter, ruft alle stärksten Widersprüche und Dissonanzen auf und erweist ihre eigene Macht in dem Aufwühlen aller Mächte der Harmonie, deren Kämpfe sie ebensosehr beschwichtigen zu können und damit den befriedigenden Sieg melodischer Beruhigung zu feiern die Gewißheit hat.

Es ist dies ein Kampf der Freiheit und Notwendigkeit: ein Kampf der Freiheit der Phantasie, sich ihren Schwingen zu überlassen, mit der Notwendigkeit jener harmonischen Verhältnisse, deren sie zu ihrer Äußerung bedarf und in welchen ihre eigene Bedeutung liegt.

Ist nun aber die Harmonie, der Gebrauch aller ihrer Mittel, die Kühnheit des Kampfes in diesem Gebrauch und gegen diese Mittel die Hauptsache, so wird die Komposition leicht schwerfällig und gelehrt, insofern ihr entweder die Freiheit der Bewegung wirklich abgeht oder sie wenigstens den vollständigen Triumph derselben nicht heraustreten läßt.

  1. In jeder Melodie nämlich drittens muss sich das eigentlich Melodische, Sangbare, in welcher Art von Musik es sei, als das Vorherrschende, Unabhängige zeigen, das in dem Reichtume seines Ausdrucks sich nicht vergißt und verliert.

Nach dieser Seite hin ist die Melodie zwar die unendliche Bestimmbarkeit und Möglichkeit in Fortbewegung von Tönen, die aber so gehalten sein muss, daß immer ein in sich totales und abgeschlossenes Ganzes vor unserem Sinne ((189)) bleibt.

Dies Ganze enthält zwar eine Mannigfaltigkeit und hat in sich einen Fortschritt, aber als Totalität muss es fest in sich abgerundet sein und bedarf insofern eines bestimmten Anfangs und Abschlusses, so daß die Mitte nur die Vermittlung jenes Anfangs und dieses Endes ist.

Nur als diese Bewegung, die nicht ins Unbestimmte hinausläuft, sondern in sich selbst gegliedert ist und zu sich zurückkehrt, entspricht die Melodie dem freien Beisichsein der Subjektivität, deren Ausdruck sie sein soll, und so allein übt die Musik in ihrem eigentümlichen Elemente der Innerlichkeit, die unmittelbar Äußerung, und der Äußerung, die unmittelbar innerlich wird, die Idealität und Befreiung aus, welche, indem sie zugleich der harmonischen Notwendigkeit gehorcht, die Seele in das Vernehmen einer höheren Sphäre versetzt.

  1. Verhältnis der musikalischen Ausdrucksmittel zu deren Inhalt

Nach Angabe des allgemeinen Charakters der Musik haben wir die besonderen Seiten betrachtet, nach welchen sich die Töne und deren zeitliche Dauer gestalten müssen.

Indem wir nun aber mit der Melodie in das Bereich der freien künstlerischen Erfindung und des wirklichen musikalischen Schaffens hereingetreten sind, handelt es sich sogleich um einen Inhalt, der in Rhythmus, Harmonie und Melodie einen kunstgemäßen Ausdruck erhalten soll.

Die Feststellung der allgemeinen Arten dieses Ausdrucks gibt nun den letzten Gesichtspunkt, von welchem aus wir jetzt noch auf die verschiedenen Gebiete der Musik einen Blick zu werfen haben.

Das eine Mal kann, wie wir schon früher sahen, die Musik begleitend sein, wenn nämlich ihr geistiger Inhalt nicht nur in der abstrakten Innerlichkeit seiner Bedeutung oder als subjektive Empfindung ergriffen wird, sondern so in die musikalische Bewegung eingeht, wie er von der Vorstellung ((190)) bereits ausgebildet und in Worte gefaßt worden ist.

Das andere Mal dagegen reißt die Musik sich von solch einem für sich schon fertigen Inhalte los und verselbständigt sich in ihrem eigenen Felde, so daß sie entweder, wenn sie sich’s mit irgendeinem bestimmten Gehalt überhaupt noch zu tun macht, denselben unmittelbar in Melodien und deren harmonische Durcharbeitung einsenkt oder sich auch durch das ganz unabhängige Klingen und Tönen als solches und die harmonische und melodische Figuration desselben zufriedenzustellen weiß.

Obschon in einem ganz anderen Felde, kehrt dadurch ein ähnlicher Unterschied zurück, wie wir ihn innerhalb der Architektur als die selbständige und dienende Baukunst gesehen haben.

Doch ist die begleitende Musik wesentlich freier und geht mit ihrem Inhalt in eine viel engere Einigung ein, als dies in der Architektur jemals der Fall sein kann.

Dieser Unterschied tut sich nun in der realen Kunst als die Verschiedenartigkeit der Vokal- und Instrumentalmusik hervor.

Wir dürfen denselben jedoch nicht in der bloß äußerlichen Weise nehmen, als wenn in der Vokalmusik nur der Klang der menschlichen Stimme, in der Instrumentalmusik dagegen das mannigfaltigere Klingen der übrigen Instrumente verwendet würde; sondern die Stimme spricht singend zugleich Worte aus, welche die Vorstellung eines bestimmten Inhaltes angeben, so daß nun die Musik als gesungenes Wort, wenn beide Seiten - Ton und Wort - nicht gleichgültig und beziehungslos auseinanderfallen sollen, nur die Aufgabe haben kann, den musikalischen Ausdruck diesem Inhalt - der als Inhalt seiner näheren Bestimmtheit nach vor die Vorstellung gebracht ist und nicht mehr der unbestimmteren Empfindung angehörig bleibt -, soweit die Musik es vermag, gemäß zu machen.

Insofern aber, dieser Einigung unerachtet, der vorgestellte Inhalt als Text für sich vernehmbar und lesbar ist und sich deshalb auch für die Vorstellung selbst von dem musikalischen Ausdruck unterscheidet, so wird die zu einem Text hinzukommende Musik ((191)) dadurch begleitend, während in der Skulptur und Malerei der dargestellte Inhalt nicht schon für sich außerhalb seiner künstlerischen Gestalt an die Vorstellung gelangt.

Doch müssen wir den Begriff solcher Begleitung auf der anderen Seite ebensowenig im Sinne bloß dienstbarer Zweckmäßigkeit auffassen, denn die Sache verhält sich gerade umgekehrt: der Text steht im Dienste der Musik und hat keine weitere Gültigkeit, als dem Bewußtsein eine nähere Vorstellung von dem zu verschaffen, was sich der Künstler zum bestimmten Gegenstande seines Werks auserwählt hat.

Diese Freiheit bewährt die Musik dann vornehmlich dadurch, daß sie den Inhalt nicht etwa in der Weise auffaßt, in welcher der Text denselben vorstellig macht, sondern sich eines Elementes bemächtigt, welches der Anschauung und Vorstellung nicht angehört.

In dieser Rücksicht habe ich schon bei der allgemeinen Charakteristik der Musik angedeutet, daß die Musik die Innerlichkeit als solche ausdrücken müsse.

Die Innerlichkeit aber kann gedoppelter Art sein.

Einen Gegenstand in seiner Innerlichkeit nehmen kann nämlich einerseits heißen, ihn nicht in seiner äußeren Realität der Erscheinung, sondern seiner ideellen Bedeutung nach ergreifen; auf der anderen Seite aber kann damit gemeint sein, einen Inhalt so ausdrücken, wie er in der Subjektivität der Empfindung lebendig ist.

Beide Auffassungsweisen sind der Musik möglich.

Ich will dies näher vorstellig zu machen versuchen.

In alten Kirchenmusiken, bei einem Crucifixus z.B., sind die tiefen Bestimmungen, welche in dem Begriffe der Passion Christi als dieses göttlichen Leidens, Sterbens und Begrabenwerdens liegen, mehrfach so gefaßt worden, daß sich nicht eine subjektive Empfindung der Rührung, des Mitleidens oder menschlichen einzelnen Schmerzes über dies Begebnis ausspricht, sondern gleichsam die Sache selbst, d.h. die Tiefe ihrer Bedeutung durch die Harmonien und deren melodischen Verlauf hinbewegt.

Zwar wird auch in diesem Falle in betreff auf den Hörer für die Empfindung gearbeitet: er soll den Schmerz der Kreuzigung, die Grablegung nicht ((192)) anschauen, sich nicht nur eine allgemeine Vorstellung davon ausbilden, sondern in seinem innersten Selbst soll er das Innerste dieses Todes und dieser göttlichen Schmerzen durchleben, sich mit dem ganzen Gemüte darein versenken, so daß nun die Sache etwas in ihm Vernommenes wird, das alles übrige auslöscht und das Subjekt nur mit diesem einen erfüllt.

Ebenso muss auch das Gemüt des Komponisten, damit das Kunstwerk solch einen Eindruck hervorzubringen die Macht erhalte, sich ganz in die Sache und nur in sie und nicht bloß in das subjektive Empfinden derselben eingelebt haben und nur sie allein in den Tönen für den inneren Sinn lebendig machen wollen.

Umgekehrt kann ich z.B. ein Buch, einen Text, der ein Begebnis erzählt, eine Handlung vorführt, Empfindungen zu Worten ausprägt, lesen und dadurch in meiner eigensten Empfindung höchst aufgeregt werden, Tränen vergießen usf.

Dies subjektive Moment der Empfindung, das alles menschliche Tun und Handeln, jeden Ausdruck des inneren Lebens begleiten und nun auch im Vernehmen jeder Begebenheit und Mitanschauen jeder Handlung erweckt werden kann, ist die Musik ganz ebenso zu organisieren imstande und besänftigt, beruhigt, idealisiert dann auch durch ihren Eindruck im Hörer die Mitempfindung, zu der er sich gestimmt fühlt.

In beiden Fällen erklingt also der Inhalt für das innere Selbst, welchem die Musik, eben weil sie sich des Subjekts seiner einfachen Konzentration nach bemächtigt, nun ebenso auch die umherschweifende Freiheit des Denkens, Vorstellens, Anschauens und das Hinaussein über einen bestimmten Gehalt zu begrenzen weiß, indem sie das Gemüt in einem besonderen Inhalte festhält, es in demselben beschäftigt und in diesem Kreise die Empfindung bewegt und ausfüllt.

Dies ist der Sinn, in welchem wir hier von begleitender Musik zu sprechen haben, insoweit sie in der angegebenen Weise von dem durch den Text für die Vorstellung bereits hingestellten Inhalt jene Seite der Innerlichkeit ausbildet.

Da nun aber die Musik dieser Aufgabe besonders in der Vokalmusik ((193)) nachzukommen vermag und die menschliche Stimme dann außerdem noch mit Instrumenten verbindet, so ist man gewohnt, gerade die Instrumentalmusik vorzugsweise begleitend zu nennen.

Allerdings begleitet dieselbe die Stimme und darf sich dann nicht absolut verselbständigen und die Hauptsache ausmachen wollen; in dieser Verbindung jedoch steht die Vokalmusik direkter noch unter der oben angedeuteten Kategorie eines begleitenden Tönens, indem die Stimme artikulierte Worte für die Vorstellung spricht und der Gesang nur eine neue weitere Modifikation des Inhalts dieser Worte, nämlich eine Ausführung derselben für die innere Gemütsempfindung ist, während bei der Instrumentalmusik als solcher das Aussprechen für die Vorstellung fortfällt und die Musik sich auf die eigenen Mittel ihrer rein musikalischen Ausdrucksweise beschränken muss.

Zu diesen Unterschieden tritt nun endlich noch eine dritte Seite, welche nicht darf übersehen werden.

Ich habe nämlich früher bereits darauf hingewiesen, daß die lebendige Wirklichkeit eines musikalischen Werkes immer erst von neuem wieder produziert werden müsse.

In den bildenden Künsten stehen die Skulptur und die Malerei in dieser Rücksicht im Vorteil.

Der Bildhauer, der Maler konzipiert sein Werk und führt es auch vollständig aus; die ganze Kunsttätigkeit konzentriert sich auf ein und dasselbe Individuum, wodurch das innige Sichentsprechen von Erfindung und wirklicher Ausführung sehr gewinnt.

Schlimmer dagegen hat es der Architekt, welcher der Vielgeschäftigkeit eines mannigfach verzweigten Handwerks bedarf, das er anderen Händen anvertrauen muss.

Der Komponist nun hat sein Werk gleichfalls fremden Händen und Kehlen zu übergeben, doch mit dem Unterschiede, daß hier die Exekution, von seiten sowohl des Technischen als auch des inneren belebenden Geistes, selbst wieder eine künstlerische und nicht nur handwerksmäßige Tätigkeit fordert.

Besonders in dieser Beziehung haben sich gegenwärtig wieder, so wie bereits zur Zeit der älteren italienischen Oper, während in den anderen ((194)) Künsten keine neuen Entdeckungen gemacht worden sind, in der Musik zwei Wunder aufgetan: eines der Konzeption, das andere der virtuosen Genialität in der Exekution, rücksichtlich welcher sich auch für die größeren Kenner der Begriff dessen, was Musik ist und was sie zu leisten vermag, mehr und mehr erweitert hat.

Hiernach erhalten wir für die Einteilung dieser letzten Betrachtungen folgende Haltpunkte:

Erstens haben wir uns mit der begleitenden Musik zu beschäftigen und zu fragen, zu welchen Ausdrucksweisen eines Inhalts dieselbe im allgemeinen befähigt ist.

Zweitens müssen wir dieselbe Frage nach dem näheren Charakter der für sich selbständigen Musik aufwerfen und drittens mit einigen Bemerkungen über die künstlerische Exekution schließen.

  1. Die begleitende Musik

Aus dem, was ich bereits oben über die Stellung von Text und Musik zueinander gesagt habe, geht unmittelbar die Forderung hervor, daß in diesem ersten Gebiete sich der musikalische Ausdruck weit strenger einem bestimmten Inhalte anzuschließen habe als da, wo die Musik sich selbständig ihren eigenen Bewegungen und Eingebungen überlassen darf.

Denn der Text gibt von Hause aus bestimmte Vorstellungen und entreißt dadurch das Bewußtsein jenem mehr träumerischen Elemente vorstellungsloser Empfindung, in welchem wir uns, ohne gestört zu sein, hier- und dorthin führen lassen und die Freiheit, aus einer Musik dies und das herauszuempfinden, uns von ihr so oder so bewegt zu fühlen, nicht aufzugeben brauchen.

In dieser Verwebung nun aber muss sich die Musik nicht zu solcher Dienstbarkeit herunterbringen, daß sie, um in recht vollständiger Charakteristik die Worte des Textes wiederzugeben, das freie Hinströmen ihrer Bewegungen verliert und dadurch, statt ein auf sich selbst beruhendes Kunstwerk zu erschaffen, nur die verständige Künstlichkeit ausübt, die musikalischen ((195)) Ausdrucksmittel zur möglichst getreuen Bezeichnung eines außerhalb ihrer und ohne sie bereits fertigen Inhaltes zu verwenden.

Jeder merkbare Zwang, jede Hemmung der freien Produktion tut in dieser Rücksicht dem Eindrucke Abbruch.

Auf der anderen Seite muss sich jedoch die Musik auch nicht, wie es jetzt bei den meisten neueren italienischen Komponisten Mode geworden ist, fast gänzlich von dem Inhalt des Textes, dessen Bestimmtheit dann als eine Fessel erscheint, emanzipieren und sich dem Charakter der selbständigen Musik durchaus nähern wollen.

Die Kunst besteht im Gegenteil darin, sich mit dem Sinn der ausgesprochenen Worte, der Situation, Handlung usf. zu erfüllen und aus dieser inneren Beseelung heraus sodann einen seelenvollen Ausdruck zu finden und musikalisch auszubilden.

So haben es alle großen Komponisten gemacht.

Sie geben nichts den Worten Fremdes, aber sie lassen ebensowenig den freien Erguß der Töne, den ungestörten Gang und Verlauf der Komposition, die dadurch ihrer selbst und nicht bloß der Worte wegen da ist, vermissen.

Innerhalb dieser echten Freiheit lassen sich näher drei verschiedene Arten des Ausdrucks unterscheiden.

  1. Den Beginn will ich mit dem machen, was man als das eigentlich Melodische im Ausdruck bezeichnen kann.

Hier ist es die Empfindung, die tönende Seele, die für sich selbst werden und in ihrer Äußerung sich genießen soll.

aa) Die menschliche Brust, die Stimmung des Gemüts macht überhaupt die Sphäre aus, in welcher sich der Komponist zu bewegen hat, und die Melodie, dies reine Ertönen des Inneren, ist die eigenste Seele der Musik.

Denn wahrhaft seelenvollen Ausdruck erhält der Ton erst dadurch, daß eine Empfindung in ihn hineingelegt wird und aus ihm herausklingt.

In dieser Rücksicht ist schon der Naturschrei des Gefühls, der Schrei des Entsetzens z.B., das Schluchzen des Schmerzes, das Aufjauchzen und Trillern übermütiger Lust und Fröhlichkeit usf. höchst ausdrucksvoll, und ich habe deshalb auch oben schon diese Äußerungsweise als den Ausgangspunkt ((196)) für die Musik bezeichnet, zugleich aber hinzugefügt, daß sie bei der Natürlichkeit als solcher nicht dürfe stehenbleiben.

Hierin besonders unterscheiden sich wieder Musik und Malerei.

Die Malerei kann oft die schönste und kunstgemäße Wirkung hervorbringen, wenn sie sich ganz in die wirkliche Gestalt, die Färbung und den Seelenausdruck eines vorhandenen Menschen in einer bestimmten Situation und Umgebung hineinlebt und, was sie so ganz durchdrungen und in sich aufgenommen hat, nun auch ganz in dieser Lebendigkeit wiedergibt.

Hier ist die Naturtreue, wenn sie mit der Kunstwahrheit zusammentrifft, vollständig an ihrer Stelle.

Die Musik dagegen muss den Ausdruck der Empfindungen nicht als Naturausbruch der Leidenschaft wiederholen, sondern das zu bestimmten Tonverhältnissen ausgebildete Klingen empfindungsreich beseelen und insofern den Ausdruck in ein erst durch die Kunst und für sie allein gemachtes Element hineinheben, in welchem der einfache Schrei sich zu einer Folge von Tönen, zu einer Bewegung auseinanderlegt, deren Wechsel und Lauf durch Harmonie gehalten und melodisch abgerundet wird.

bb) Dies Melodische nun erhält eine nähere Bedeutung und Bestimmung in bezug auf das Ganze des menschlichen Geistes.

Die schöne Kunst der Skulptur und Malerei bringt das geistige Innere hinaus zur äußeren Objektivität und befreit den Geist wieder aus dieser Äußerlichkeit des Anschauens dadurch, daß er einerseits sich selbst, Inneres, geistige Produktion darin wiederfindet, während andererseits der subjektiven Besonderheit, dem willkürlichen Vorstellen, Meinen und Reflektieren nichts gelassen wird, indem der Inhalt in seiner ganz bestimmten Individualität hinausgestellt ist.

Die Musik hingegen hat, wie wir mehrfach sahen, für solche Objektivität nur das Element des Subjektiven selber, durch welches das Innere deshalb nur mit sich zusammengeht und in seiner Äußerung, in der die Empfindung sich aussingt, zu sich zurückkehrt.

Musik ist Geist, Seele, die unmittelbar für sich selbst erklingt und sich in ihrem Sichvernehmen befriedigt ((197)) fühlt.

Als schöne Kunst nun aber erhält sie von seiten des Geistes her sogleich die Aufforderung, wie die Affekte selbst so auch deren Ausdruck zu zügeln, um nicht zum bacchantischen Toben und wirbelnden Tumult der Leidenschaften fortgerissen zu werden oder im Zwiespalt der Verzweiflung stehenzubleiben, sondern im Jubel der Lust wie im höchsten Schmerz noch frei und in ihrem Ergusse selig zu sein.

Von dieser Art ist die wahrhaft idealische Musik, der melodische Ausdruck in Palestrina, Durante, Lotti, Pergolesi, Gluck, Haydn, Mozart.

Die Ruhe der Seele bleibt in den Kompositionen dieser Meister unverloren; der Schmerz drückt sich zwar gleichfalls aus, doch er wird immer gelöst, das klare Ebenmaß verläuft sich zu keinem Extrem, alles bleibt in gebändigter Form fest zusammen, so daß der Jubel nie in wüstes Toben ausartet und selbst die Klage die seligste Beruhigung gibt.

Ich habe schon bei der italienischen Malerei davon gesprochen, daß auch in dem tiefsten Schmerze und der äußersten Zerrissenheit des Gemüts die Versöhnung mit sich nicht fehlen dürfe, die in Tränen und Leiden selbst noch den Zug der Ruhe und glücklichen Gewißheit bewahrt.

Der Schmerz bleibt schön in einer tiefen Seele, wie auch im Harlekin noch Zierlichkeit und Grazie herrscht.

In derselben Weise hat die Natur den Italienern vornehmlich auch die Gabe des melodischen Ausdrucks zugeteilt, und wir finden in ihren älteren Kirchenmusiken bei der höchsten Andacht der Religion zugleich das reine Gefühl der Versöhnung und, wenn auch der Schmerz die Seele aufs tiefste ergreift, dennoch die Schönheit und Seligkeit, die einfache größe und Gestaltung der Phantasie in dem zur Mannigfaltigkeit hinausgehenden Genuß ihrer selbst.

Es ist eine Schönheit, die wie Sinnlichkeit aussieht, so daß man auch diese melodische Befriedigung häufig auf einen bloß sinnlichen Genuß bezieht, aber die Kunst hat sich gerade im Elemente des Sinnlichen zu bewegen und den Geist in eine Sphäre hinüberzuführen, in welcher, wie im Natürlichen, das in sich und mit sich Befriedigtsein der Grundklang bleibt. ((198))

yy) Wenn daher die Besonderheit der Empfindung dem Melodischen nicht fehlen darf, so soll die Musik dennoch, indem sie Leidenschaft und Phantasie in Tönen hinströmen läßt, die Seele, die in diese Empfindung sich versenkt, zugleich darüber erheben, sie über ihrem Inhalte schweben machen und so eine Region ihr bilden, wo die Zurücknahme aus ihrem Versenktsein, das reine Empfinden ihrer selbst ungehindert statthaben kann.

Dies eigentlich macht das recht Sangbare, den Gesang einer Musik aus.

Es ist dann nicht nur der Gang der bestimmten Empfindung als solcher, der Liebe, Sehnsucht, Fröhlichkeit usf., was zur Hauptsache wird, sondern das Innere, das darüber steht, in seinem Leiden wie in seiner Freude sich ausbreitet und seiner selbst genießt.

Wie der Vogel in den Zweigen, die Lerche in der Luft heiter, rührend singt, um zu singen, als reine Naturproduktion, ohne weiteren Zweck und bestimmten Inhalt, so ist es mit dem menschlichen Gesang und dem Melodischen des Ausdrucks.

Daher geht auch die italienische Musik, in welcher dies Prinzip insbesondere vorwaltet, wie die Poesie häufig in das melodische Klingen als solches über und kann leicht die Empfindung und deren bestimmten Ausdruck zu verlassen scheinen oder wirklich verlassen, weil sie eben auf den Genuß der Kunst als Kunst, auf den Wohllaut der Seele in ihrer Selbstbefriedigung geht.

Mehr oder weniger ist dies aber der Charakter des recht eigentlich Melodischen überhaupt.

Die bloße Bestimmtheit des Ausdrucks, obschon sie auch da ist, hebt sich zugleich auf, indem das Herz nicht in anderes, Bestimmtes, sondern in das Vernehmen seiner selbst versunken ist und so allein, wie das Sichselbstanschauen des reinen Lichtes, die höchste Vorstellung von seliger Innigkeit und Versöhnung gibt.

  1. Wie nun in der Skulptur die idealische Schönheit, das Beruhen-auf-sich vorherrschen muss, die Malerei aber bereits weiter zur besonderen Charakteristik herausgeht und in der Energie des bestimmten Ausdrucks eine Hauptaufgabe erfüllt, so kann sich auch die Musik nicht mit dem Melodischen ((199)) in der oben geschilderten Weise begnügen.

Das bloße Sichselbstempfinden der Seele und das tönende Spiel des Sichvernehmens ist zuletzt als bloße Stimmung zu allgemein und abstrakt und läuft Gefahr, sich nicht nur von der näheren Bezeichnung des im Text ausgesprochenen Inhalts zu entfernen, sondern auch überhaupt leer und trivial zu werden.

Sollen nun Schmerz, Freude, Sehnsucht usf. in der Melodie widerklingen, so hat die wirkliche, konkrete Seele in der ernsten Wirklichkeit dergleichen Stimmungen nur innerhalb eines wirklichen Inhalts, unter bestimmten Umständen, in besonderen Situationen, Begebnissen, Handlungen usf.

Wenn uns der Gesang die Empfindung z.B. der Trauer, der Klage über einen Verlust erweckt, so fragt es sich deshalb sogleich: was ist verlorengegangen?

Ist es das Leben mit dem Reichtum seiner Interessen, ist es Jugend, Glück, Gattin, Geliebte, sind es Kinder, Eltern, Freunde usf.?

Dadurch erhält die Musik die fernere Aufgabe, in betreff auf den bestimmten Inhalt und die besonderen Verhältnisse und Situationen, in welche das Gemüt sich eingelebt hat und in denen es nun sein inneres Leben zu Tönen erklingen macht, dem Ausdruck selber die gleiche Besonderung zu geben.

Denn die Musik hat es nicht mit dem Inneren als solchem, sondern mit dem erfüllten Inneren zu tun, dessen bestimmter Inhalt mit der Bestimmtheit der Empfindung aufs engste verbunden ist, so daß nun nach Maßgabe des verschiedenen Gehalts auch wesentlich eine Unterschiedenheit des Ausdrucks wird hervortreten müssen.

Ebenso geht das Gemüt, je mehr es sich mit seiner ganzen Macht auf irgendeine Besonderheit wirft, um so mehr zur steigenden Bewegung der Affekte und, jenem seligen Genuß der Seele in sich selbst gegenüber, zu Kämpfen und Zerrissenheit, zu Konflikten der Leidenschaften gegeneinander und überhaupt zu einer Tiefe der Besonderung heraus, für welche der bisher betrachtete Ausdruck nicht mehr entsprechend ist.

Das Nähere des Inhalts ist nun eben das, was der Text angibt.

Bei dem eigentlich Melodischen, das sich auf dies Bestimmte weniger einläßt, bleiben ((200)) die spezielleren Bezüge des Textes mehr nur nebensächlich.

Ein Lied z.B., obschon es als Gedicht und Text in sich selbst ein Ganzes von mannigfach nuancierten Stimmungen, Anschauungen und Vorstellungen enthalten kann, hat dennoch meist den Grundklang ein und derselben, sich durch alles fortziehenden Empfindung und schlägt dadurch vornehmlich einen Gemütston an.

Diesen zu fassen und in Tönen wiederzugeben macht die Hauptwirksamkeit solcher Liedermelodie aus.

Sie kann deshalb auch das ganze Gedicht hindurch für alle Verse, wenn diese auch in ihrem Inhalt vielfach modifiziert sind, dieselbe bleiben und durch diese Wiederkehr gerade, statt dem Eindruck Schaden zu tun, die Eindringlichkeit erhöhen.

Es geht damit wie in einer Landschaft, wo auch die verschiedenartigsten Gegenstände uns vor Augen gestellt sind und doch nur ein und dieselbe Grundstimmung und Situation der Natur das Ganze belebt.

Solch ein Ton, mag er auch nur für ein paar Verse passen und für andere nicht, muss auch im Liede herrschen, weil hier der bestimmte Sinn der Worte nicht das Überwiegende sein darf, sondern die Melodie einfach für sich über der Verschiedenartigkeit schwebt.

Bei vielen Kompositionen dagegen, welche bei jedem neuen Verse mit einer neuen Melodie anheben, die oft in Takt, Rhythmus und selbst in Tonart von der vorhergehenden verschieden ist, sieht man gar nicht ein, warum, wären solche wesentliche Abänderungen wirklich notwendig, nicht auch das Gedicht selbst in Metrum, Rhythmus, Reimverschlingung usf. bei jedem Verse wechseln müßte.

aa) Was sich nun aber für das Lied, das ein echt melodischer Gesang der Seele ist, als passend erweist, reicht nicht für jede Art des musikalischen Ausdruckes hin.

Wir haben deshalb dem Melodischen als solchem gegenüber noch eine zweite Seite herauszuheben, die von gleicher Wichtigkeit ist und den Gesang erst eigentlich zur begleitenden Musik macht.

Dies findet in derjenigen Ausdrucksweise statt, welche im Rezitativ vorherrscht.

Hier nämlich ist es keine in sich abgeschlossene Melodie, welche gleichsam nur den Grundton eines ((201)) Inhalts auffaßt, in dessen Ausbildung die Seele als mit sich einige Subjektivität sich selber vernimmt, sondern der Inhalt der Worte prägt sich seiner ganzen Besonderheit nach den Tönen ein und bestimmt den Verlauf sowie den Wert derselben in Rücksicht auf bezeichnende Höhe oder Tiefe, Heraushebung oder Senkung.

Hierdurch wird die Musik im Unterschiede des melodischen Ausdrucks zu einer tönenden Deklamation, welche sich dem Gange der Worte sowohl in Ansehung des Sinns als auch der syntaktischen Zusammenstellung genau anschließt und, insofern sie nur die Seite der erhöhteren Empfindung als neues Element hinzubringt, zwischen dem Melodischen als solchem und der poetischen Rede steht.

Dieser Stellung gemäß tritt deshalb eine freiere Akzentuierung ein, welche sich streng an den bestimmten Sinn der einzelnen Wörter hält; der Text selbst bedarf keines fest bestimmten Metrums, und der musikalische Vortrag braucht sich nicht wie das Melodische in gleichartiger Folge eng an Takt und Rhythmus zu binden, sondern kann diese Seite in betreff auf Forteilen und Zurückhalten, Verweilen bei bestimmten Tönen und schnelles Überfliegen anderer der ganz vom Inhalt der Worte ergriffenen Empfindung frei anheimstellen.

Ebenso ist die Modulation nicht so abgeschlossen als im Melodischen; Beginn, Fortschreiten, Einhalten, Abbrechen, Wiederanfangen, Aufhören, alles dies ist nach Bedürfnis des auszudrückenden Textes einer unbeschränkteren Freiheit übergeben; unvermutete Akzente, weniger vermittelte Übergänge, plötzlicher Wechsel und Abschlüsse sind erlaubt, und im Unterschiede hinströmender Melodien stört auch die fragmentarisch abgebrochene, leidenschaftlich zerrissene Äußerungsweise, wenn es der Inhalt erfordert, nicht.

bb) In dieser Beziehung zeigt sich der rezitativisch-deklamatorische Ausdruck gleich geschickt für die stille Betrachtung und den ruhigen Bericht von Ereignissen als auch für die empfindungsreiche Gemütsschilderung, welche das Innere mitten in eine Situation hineingerissen zeigt und das Herz ((202)) für alles, was sich in derselben bewegt, in lebendigen Seelentönen zur Mitempfindung weckt.

Seine hauptsächliche Anwendung erhält das Rezitativ deshalb einerseits im Oratorium, teils als erzählendes Rezitieren, teils als lebendigeres Hineinführen in ein augenblickliches Geschehen, andererseits im dramatischen Gesang, wo demselben alle Nuancen einer flüchtigen Mitteilung sowie jede Art der Leidenschaft zusteht, mag sie sich in scharfem Wechsel, kurz, zerstückt, in aphoristischem Ungestüm äußern, mit raschen Blitzen und Gegenblitzen des Ausdrucks dialogisch einschlagen oder auch zusammenhängender hinfluten.

außerdem kann in beiden Gebieten, dem epischen und dramatischen, auch noch die Instrumentalmusik hinzukommen, um entweder ganz einfach die Haltpunkte für die Harmonien anzugeben oder den Gesang auch mit Zwischensätzen zu unterbrechen, die in ähnlicher Charakteristik andere Seiten und Fortbewegungen der Situation musikalisch ausmalen.

yy) Was jedoch dieser rezitativischen Art der Deklamation abgeht, ist eben der Vorzug, den das Melodische als solches hat, die bestimmte Gliederung und Abrundung, der Ausdruck jener Seeleninnigkeit und Einheit, welche sich zwar in einen besonderen Inhalt hineinlegt, doch in ihm gerade die Einigkeit mit sich kundgibt, indem sie sich nicht durch die einzelnen Seiten zerstreuen, hin und her reißen und zersplittern läßt, sondern auch in ihnen noch die subjektive Zusammenfassung geltend macht.

Die Musik kann sich daher auch in betreff solcher bestimmteren Charakteristik ihres durch den Text gegebenen Inhalts weder mit der rezitativischen Deklamation begnügen, noch überhaupt bei dem bloßen Unterschiede des Melodischen, das relativ über den Besonderheiten und Einzelheiten der Worte schwebt, und des Rezitativischen, das sich denselben aufs engste anzuschließen bemüht ist, stehenbleiben.

Im Gegenteil muss sie eine Vermittlung dieser Elemente zu erlangen suchen.

Wir können diese neue Einigung mit dem vergleichen, was wir früher bereits in bezug auf den Unterschied der Harmonie und ((203)) Melodie eintreten sahen.

Die Melodie nahm das Harmonische als ihre nicht nur allgemeine, sondern ebenso in sich bestimmte und besonderte Grundlage in sich hinein, und statt dadurch die Freiheit ihrer Bewegung zu verlieren, gewann sie für dieselbe erst die ähnliche Kraft und Bestimmtheit, welche der menschliche Organismus durch die feste Knochenstruktur erhält, die nur unangemessene Stellungen und Bewegungen verhindert, den gemäßen dagegen Halt und Sicherheit gibt.

Dies führt uns auf einen letzten Gesichtspunkt für die Betrachtung der begleitenden Musik.

  1. Die dritte Ausdrucksweise nämlich besteht darin, daß der melodische Gesang, der einen Text begleitet, sich auch gegen die besondere Charakteristik hinwendet und daher das im Rezitativ vorwaltende Prinzip nicht bloß gleichgültig sich gegenüber bestehen läßt, sondern es zu dem seinigen macht, um sich selber die fehlende Bestimmtheit, der charakterisierenden Deklamation aber die organische Gliederung und einheitsvolle Abgeschlossenheit angedeihen zu lassen.

Denn schon das Melodische, wie wir es oben betrachtet haben, konnte nicht schlechthin leer und unbestimmt bleiben.

Wenn ich daher hauptsächlich nur den Punkt davon heraushob, daß es hier in allem und jedem Gehalt die mit sich und ihrer Innigkeit beschäftigte und in dieser Einheit mit sich beseligte Gemütsstimmung sei, welche sich ausdrücke und dem Melodischen als solchem entspreche, indem dasselbe, musikalisch genommen, die gleiche Einheit und abgerundete Rückkehr in sich sei, so geschah dies nur, weil dieser Punkt den spezifischen Charakter des rein Melodischen im Unterschiede der rezitativischen Deklamation betrifft.

Die weitere Aufgabe nun aber des Melodischen ist dahin festzustellen, daß die Melodie, was zunächst außerhalb ihrer sich bewegen zu müssen scheint, auch zu ihrem Eigentum werden läßt und durch diese Erfüllung, insofern sie nun ebenso deklamatorisch als melodisch ist, erst zu einem wahrhaft konkreten Ausdrucke gelangt.

Auf der anderen Seite steht dadurch auch das Deklamatorische nicht mehr für sich vereinzelt da, ((204)) sondern ergänzt durch das Hineingenommensein in den melodischen Ausdruck ebensosehr seine eigene Einseitigkeit.

Dies macht die Notwendigkeit für diese konkrete Einheit aus.

Um jetzt an das Nähere heranzugehen, haben wir hier folgende Seiten zu sondern:

Erstens müssen wir auf die Beschaffenheit des Textes, der sich zur Komposition eignet, einen Blick werfen, da sich der bestimmte Inhalt der Worte jetzt für die Musik und deren Ausdruck als von wesentlicher Wichtigkeit erwiesen hat.

Zweitens ist in Rücksicht auf die Komposition selbst ein neues Element, die charakterisierende Deklamation, herzugetreten, welches wir deshalb in seinem Verhältnis zu dem Prinzipe betrachten müssen, das wir zunächst im Melodischen fanden.

Drittens wollen wir uns nach den Gattungen umsehen, innerhalb welcher diese Art musikalischer Ausdrucksweise ihre vornehmlichste Stelle findet.

aa) Die Musik begleitet auf der Stufe, die uns gegenwärtig beschäftigt, den Inhalt nicht nur im allgemeinen, sondern hat, wie wir sahen, auch auf eine nähere Charakteristik desselben einzugehen.

Es ist deshalb ein schädliches Vorurteil, zu meinen, die Beschaffenheit des Textes sei für die Komposition eine gleichgültige Sache.

Den großartigen Musikwerken liegt im Gegenteil ein vortrefflicher Text zugrunde, den sich die Komponisten mit wahrhaftem Ernst ausgewählt oder selber gebildet haben.

Denn keinem Künstler darf der Stoff, den er behandelt, gleichgültig bleiben und dem Musiker um so weniger, je mehr ihm die Poesie die nähere epische, lyrische, dramatische Form des Inhalts schon im voraus bearbeitet und feststellt.

Die Hauptforderung nun, welche in bezug auf einen guten Text zu machen ist, besteht darin, daß der Inhalt in sich selbst wahrhafte Gediegenheit habe.

Mit in sich selbst Plattem, Trivialem, Kahlem und Absurdem läßt sich nichts musikalisch Tüchtiges und Tiefes herauskünsteln; der Komponist mag noch so würzen und spicken, aus einer gebratenen ((205)) Katze wird doch keine Hasenpastete.

Bei bloß melodischen Musikstücken freilich ist der Text im ganzen weniger entscheidend; dennoch aber erheischen auch sie einen in sich wahren Gehalt der Worte.

Auf der anderen Seite darf jedoch dieser Inhalt auch wieder nicht allzu gedankenschwer und von philosophischer Tiefe sein, wie z.B. die Schillersche Lyrik, deren großartige Weite des Pathos den musikalischen Ausdruck lyrischer Empfindungen überfliegt.

Ähnlich geht es auch mit den Chören des Aischylos und Sophokles, welche bei ihrer Tiefe der Anschauungen zugleich so phantasiereich, sinnvoll und gründlich ins einzelne hinein ausgearbeitet und so poetisch für sich bereits fertig sind, daß der Musik nichts hinzuzutun übrigbleibt, indem gleichsam kein Raum mehr für das Innere da ist, mit diesem Inhalt zu spielen und ihn sich in neuen Bewegungen ergehen zu lassen.

Von entgegengesetzter Art erweisen sich die neueren Stoffe und Behandlungsweisen der sogenannten romantischen Poesie.

Sie sollen größtenteils naiv und volkstümlich sein, doch ist dies nur allzuoft eine preziöse, gemachte, heraufgeschraubte Naivität, die statt reiner, wahrer Empfindung nur zu erzwungenen, durch Reflexion erarbeiteten Gefühlen, schlechter Sehnsüchtigkeit und Schöntuerei mit sich selber kommt und sich ebensosehr auf Plattheit, Albernheit und Gemeinheit viel zugute tut, als sie sich auf der anderen Seite in die schlechthin gehaltlosen Leidenschaften, Neid, Liederlichkeit, teuflische Bosheit und dergleichen mehr, verliert und an jener eigenen Vortrefflichkeit wie an diesen Zerrissenheiten und Schnödigkeiten eine selbstgefällige Freude hat.

Die ursprüngliche, einfache, gründliche, durchdringende Empfindung fehlt hier ganz, und nichts bringt der Musik, wenn sie in ihrem Gebiete dasselbe tut, größeren Schaden.

Weder die Gedankentiefe also noch die Selbstgefälligkeit oder Nichtswürdigkeit der Empfindung gibt einen echten Inhalt ab.

Am passendsten dagegen für die Musik ist eine gewisse mittlere Art von Poesie, welche wir Deutschen kaum mehr als Poesie gelten lassen, für die aber die Italiener und Franzosen viel ((206)) Sinn und Geschicklichkeit besessen haben: eine Poesie, im Lyrischen wahr, höchst einfach, mit wenigen Worten die Situation und Empfindung andeutend; im Dramatischen ohne allzu verzweigte Verwicklung klar und lebendig, das Einzelne nicht ausarbeitend, überhaupt mehr bemüht, Umrisse zu geben als dichterisch vollständig ausgeprägte Werke.

Hier wird dem Komponisten, wie es nötig ist, nur die allgemeine Grundlage geliefert, auf der er sein Gebäude nach eigener Erfindung und Ausschöpfung aller Motive aufrichten und sich nach vielen Seiten lebendig bewegen kann.

Denn da die Musik sich den Worten anschließen soll, müssen diese den Inhalt nicht sehr ins einzelne hin ausmalen, weil sonst die musikalische Deklamation kleinlich, zerstreut und zu sehr nach verschiedenen Seiten hingezogen wird, so daß sich die Einheit verliert und der Totaleffekt schwächt.

In dieser Rücksicht befindet man sich beim Urteil über die Vortrefflichkeit oder Unzulässigkeit eines Textes nur allzuoft im Irrtum.

Wie oft kann man nicht z.B. das Gerede hören, der Text der „Zauberflöte" sei gar zu jämmerlich, und doch gehört dieses Machwerk zu den lobenswerten Opernbüchern.

Schikaneder hat hier nach mancher tollen, phantastischen und platten Produktion den rechten Punkt getroffen.

Das Reich der Nacht, die Königin, das Sonnenreich, die Mysterien, Einweihungen, die Weisheit, Liebe, die Prüfungen und dabei die Art einer mittelmäßigen Moral, die in ihrer Allgemeinheit vortrefflich ist, - das alles, bei der Tiefe, der bezaubernden Lieblichkeit und Seele der Musik, weitet und erfüllt die Phantasie und erwärmt das Herz.

Um noch andere Beispiele anzuführen, so sind für religiöse Musik die alten lateinischen Texte der großen Messe usf. unübertroffen, indem sie teils den allgemeinsten Glaubensinhalt, teils die entsprechenden substantiellen Stadien in der Empfindung und dem Bewußtsein der gläubigen Gemeinde in größter Einfachheit und Kürze hinstellen und dem Musiker die größte Breite der Ausarbeitung gönnen.

Auch das große Requiem, Zusammenstellungen aus Psalmen usf. sind ((207)) von gleicher Brauchbarkeit.

In ähnlicher Weise hat sich Händel seine Texte zum Teil selber aus religiösen Dogmen und vor allem aus Bibelstellen, Situationen, die einen symbolischen Bezug gestatten usf., zu einem geschlossenen Ganzen zusammengestellt.

Solche Gedichte fehlen fast keiner Nation.

Für das dramatische Feld will ich nur Metastasio nennen, ferner Marmontel, diesen empfindungsreichen, feingebildeten, liebenswürdigen Franzosen, der dem Piccini Unterricht im Französischen gab und im Dramatischen mit der Geschicklichkeit für die Entwicklung und das Interessante der Handlung Anmut und Heiterkeit zu verbinden verstand.

Vor allem aber sind die Texte der berühmteren Gluckschen Opern hervorzuheben, welche sich in einfachen Motiven bewegen und im Kreise des gediegensten Inhalts für die Empfindung halten, die Liebe der Mutter, Gattin, des Bruders, der Schwester, Freundschaft, Ehre usf. schildern und diese einfachen Motive und substantiellen Kollisionen sich ruhig entwickeln lassen.

Dadurch bleibt die Leidenschaft durchaus rein, groß, edel und von plastischer Einfachheit.

bb) Solch einem Inhalt nun hat sich die ebenso in ihrem Ausdruck charakteristische als melodische Musik gemäß zu machen.

Damit dies möglich werde, muss nicht nur der Text den Ernst des Herzens, die Komik und tragische größe der Leidenschaften, die Tiefen der religiösen Vorstellung und Empfindung, die Mächte und Schicksale der menschlichen Brust enthalten, sondern auch der Komponist muss seinerseits mit ganzem Gemüte dabeisein und diesen Gehalt mit vollem Herzen durchempfunden und durchgelebt haben.

Ebenso wichtig ist ferner das Verhältnis, in welches hier das Charakteristische auf der einen und das Melodische auf der anderen Seite treten müssen.

Die Hauptforderung scheint ((208)) mir in dieser Beziehung die zu sein, daß dem Melodischen, als der zusammenfassenden Einheit, immer der Sieg zugeteilt werde und nicht der Zerspaltung in einzeln auseinandergestreute charakteristische Züge.

So sucht z.B. die heutige dramatische Musik oft ihren Effekt in gewaltsamen Kontrasten, indem sie entgegengesetzte Leidenschaften kunstvollerweise kämpfend in ein und denselben Gang der Musik zusammenzwingt.

Sie drückt so z.B. Fröhlichkeit, Hochzeit, Festgepränge aus und preßt dahinein ebenso Haß, Rache, Feindschaft, so daß zwischen Lust, Freude, Tanzmusik zugleich heftiger Zank und die widrigste Entzweiung tobt.

Solche Kontraste der Zerrissenheit, die uns einheitslos von einer Seite zur anderen herüberstoßen, sind um so mehr gegen die Harmonie der Schönheit, in je schärferer Charakteristik sie unmittelbar Entgegengesetztes verbinden, wo dann von Genuß und Rückkehr des Innern zu sich in der Melodie nicht mehr die Rede sein kann.

Überhaupt führt die Einigung des Melodischen und Charakteristischen die Gefahr mit sich, nach der Seite der bestimmteren Schilderung leicht über die zart gezogenen Grenzen des musikalisch Schönen herauszuschreiten, besonders wenn es darauf ankommt, Gewalt, Selbstsucht, Bosheit, Heftigkeit und sonstige Extreme einseitiger Leidenschaften auszudrücken.

Sobald sich hier die Musik auf die Abstraktion charakteristischer Bestimmtheit einläßt, wird sie unvermeidlich fast zu dem Abwege geführt, ins Scharfe, Harte, durchaus Unmelodische und Unmusikalische zu geraten und selbst das Disharmonische zu mißbrauchen.

Das Ähnliche findet in Ansehung der besonderen charakterisierenden Züge statt.

Werden diese nämlich für sich festgehalten und stark prononciert, so lösen sie sich leicht ab voneinander und werden nun gleichsam ruhend und selbständig, während in dem musikalischen Entfalten, das wesentlich Fortbewegung und in diesem Fortgang ein steter Bezug sein muss, die Isolierung sogleich in schädlicher Weise den Fluss und die Einheit stört. ((209))

Die wahrhaft musikalische Schönheit liegt nach diesen Seiten darin, daß zwar vom bloß Melodischen zum Charaktervollen fortgegangen wird, innerhalb dieser Besonderung aber das Melodische als die tragende, einende Seele bewahrt bleibt, wie z.B. im Charakteristischen der Raffaelischen Malerei sich der Ton der Schönheit immer noch erhält.

Dann ist das Melodische bedeutungsvoll, aber in aller Bestimmtheit die hindurchdringende, zusammenhaltende Beseelung, und das charakteristisch Besondere erscheint nur als ein Heraussein bestimmter Seiten, die von innen her immer auf diese Einheit und Beseelung zurückgeführt werden.

Hierin jedoch das rechte Maß zu treffen ist besonders in der Musik von größerer Schwierigkeit als in anderen Künsten, weil die Musik sich leichter zu diesen entgegengesetzten Ausdrucksweisen auseinanderwirft.

So ist denn auch das Urteil über musikalische Werke fast zu jeder Zeit geteilt.

Die einen geben dem überwiegend nur Melodischen, die anderen dem mehr Charakteristischen den Vorzug.

Händel z.B., der auch in seinen Opern für einzelne lyrische Momente oft eine Strenge des Ausdrucks forderte, hatte schon zu seiner Zeit Kämpfe genug mit seinen italienischen Sängern zu bestehen und wendete sich zuletzt, als auch das Publikum auf die Seite der Italiener getreten war, ganz zur Komposition von Oratorien herüber, in welchen seine Produktionsgabe ihr reichstes Gebiet fand.

Auch zu Glucks Zeit ist der lange und lebhaft geführte Streit der Gluckisten und Piccinisten berühmt geworden; Rousseau hat seinerseits wieder, der Melodielosigkeit der älteren Franzosen gegenüber, die melodiereiche Musik der Italiener vorgezogen; jetzt endlich streitet man in der ähnlichen Weise für oder wider Rossini und die neuere italienische Schule.

Die Gegner verschreien namentlich Rossinis Musik als einen leeren Ohrenkitzel; lebt man sich aber näher in ihre Melodien hinein, so ist diese Musik im Gegenteil höchst gefühlvoll, geistreich und eindringend für Gemüt und Herz, wenn sie sich auch nicht auf die Art der Charakteristik einläßt, wie sie besonders dem strengen deutschen ((210)) musikalischen Verstande beliebt.

Denn nur allzuhäufig freilich wird Rossini dem Text ungetreu und geht mit seinen freien Melodien über alle Berge, so daß man dann nur die Wahl hat, ob man bei dem Gegenstande bleiben und über die nicht mehr damit zusammenstimmende Musik unzufrieden sein oder den Inhalt aufgeben und sich ungehindert an den freien Eingebungen des Komponisten ergötzen und die Seele, die sie enthalten, seelenvoll genießen will.

yy) Was nun zum Schluß noch die vornehmlichsten Arten der begleitenden Musik angeht, so will ich hierüber kurz sein.

Als erste Hauptart können wir die kirchliche Musik bezeichnen, welche, insoweit sie es nicht mit der subjektiv-einzelnen Empfindung, sondern mit dem substantiellen Gehalt alles Empfindens oder mit der allgemeinen Empfindung der Gemeinde als Gesamtheit zu tun hat, größtenteils von epischer Gediegenheit bleibt, wenn sie auch keine Begebnisse als Begebnisse berichtet.

Wie aber eine künstlerische Auffassung, ohne Begebenheiten zu erzählen, dennoch episch sein könne, werden wir später noch bei der näheren Betrachtung der epischen Poesie auseinanderzusetzen haben.

Diese gründliche religiöse Musik gehört zum Tiefsten und Wirkungsreichsten, was die Kunst überhaupt hervorbringen kann.

Ihre eigentliche Stellung, insoweit sie sich auf die priesterliche Fürbitte für die Gemeinde bezieht, hat sie innerhalb des katholischen Kultus gefunden, als Messe, überhaupt als musikalische Erhebung bei den verschiedenartigsten kirchlichen Handlungen und Festen.

Auch die Protestanten haben dergleichen Musiken von größter Tiefe sowohl des religiösen Sinnes als der musikalischen Gediegenheit und Reichhaltigkeit der Erfindung und Ausführung geliefert, wie z.B. vor allen Sebastian Bach, ein Meister, dessen großartige, echt protestantische, kernige und doch gleichsam gelehrte Genialität man erst neuerdings wieder vollständig hat schätzen lernen.

Vorzüglich aber entwickelt sich hier im Unterschiede zu der katholischen Richtung zunächst aus den Passionsfeiern ((211)) die erst im Protestantismus vollendete Form des Oratoriums.

In unseren Tagen freilich schließt im Protestantismus die Musik sich nicht mehr so eng an den wirklichen Kultus an, greift nicht mehr in den Gottesdienst selber ein und ist gar oft mehr eine Sache gelehrter Übung als lebendiger Produktion geworden.

Die lyrische Musik zweitens drückt die einzelne Seelenstimmung melodisch aus und muss sich am meisten von dem nur Charakteristischen und Deklamatorischen freihalten, obschon auch sie dazu fortgehen kann, den besonderen Inhalt der Worte mit in den Ausdruck aufzunehmen, mag nun derselbe religiöser oder sonstiger Art sein.

Stürmische Leidenschaften jedoch ohne Beruhigung und Abschluß, der unaufgelöste Zwiespalt des Herzens, die bloße innere Zerrissenheit eignen sich weniger für die selbständige Lyrik, sondern finden ihre bessere Stellung als integrierende besondere Teile der dramatischen Musik.

Zum Dramatischen nämlich bildet sich die Musik drittens gleichfalls aus.

Schon die alte Tragödie war musikalisch, doch erhielt in ihr die Musik noch kein Übergewicht, da in eigentlich poetischen Werken dem sprachlichen Ausdrucke und der dichterischen Ausführung der Vorstellungen und Empfindungen der Vorrang bleiben muss und die Musik, deren harmonische und melodische Entwicklung bei den Alten noch den Grad der späteren christlichen Zeit nicht erreicht hatte, hauptsächlich nur dazu dienen konnte, von der rhythmischen Seite her das musikalische Klingen der poetischen Worte lebendig zu erhöhen und für die Empfindung eindringlicher zu machen.

Einen selbständigen Standpunkt hat dagegen die dramatische Musik, nachdem sie sich im Felde der Kirchenmusik bereits in sich vollendet und auch im lyrischen Ausdruck eine große Vollkommenheit erlangt hatte, in der modernen Oper, Operette usf. gewonnen.

Doch ist die Operette nach seiten des Gesangs eine geringere Mittelart, welche Sprechen und Singen, Musikalisches und Unmusikalisches, prosaische Rede und melodischen Gesang ((212)) nur äußerlich vermischt.

Gemeinhin pflegt man zwar zu sagen, das Singen in Dramen sei überhaupt unnatürlich, doch dieser Vorwurf reicht nicht aus und müßte noch mehr gegen die Oper gekehrt werden können, in welcher von Anfang bis zu Ende jede Vorstellung, Empfindung, Leidenschaft und Entschließung von Gesang begleitet und durch ihn ausgedrückt wird.

Im Gegenteil ist deshalb die Operette noch zu rechtfertigen, wenn sie Musik da eintreten läßt, wo die Empfindungen und Leidenschaften sich lebendiger regen oder überhaupt sich der musikalischen Schilderung zugänglich erweisen; das Nebeneinander aber von prosaischem Gewäsch des Dialogs und der künstlerisch behandelten Gesangstücke bleibt immer ein Mißstand.

Die Befreiung durch die Kunst nämlich ist dann nicht vollständig.

In der eigentlichen Oper hingegen, die eine ganze Handlung durchweg musikalisch ausführt, werden wir ein für allemal aus der Prosa in eine höhere Kunstwelt hinüberversetzt, in deren Charakter sich nun auch das ganze Werk erhält, wenn die Musik die innere Seite der Empfindung, die einzelnen und allgemeinen Stimmungen in den verschiedenen Situationen, die Konflikte und Kämpfe der Leidenschaften zu ihrem Hauptinhalt nimmt, um dieselben durch den vollständigsten Ausdruck der Affekte nun erst vollständig herauszuheben.

Im Vaudeville umgekehrt, wo bei einzelnen, frappanteren gereimten Pointen sonst schon bekannte und beliebte Melodien abgesungen werden, ist das Singen gleichsam nur eine Ironie über sich selber.

Daß gesungen wird, soll einen heiteren parodierenden Anstrich haben, das Verständnis des Textes und seiner Scherzworte ist die Hauptsache, und wenn das Singen aufhört, kommt uns ein Lächeln darüber an, daß überhaupt sei gesungen worden.

  1. Die selbständige Musik

Das Melodische konnten wir als fertig in sich abgeschlossen und in sich selbst beruhend der plastischen Skulptur vergleichen, während wir in der musikalischen Deklamation den ((213)) Typus der näher ins Besondere hinein ausführenden Malerei wiedererkannten.

Da sich nun in solcher bestimmteren Charakteristik eine Fülle von Zügen auseinanderlegt, welche der immer einfachere Gang der menschlichen Stimme nicht in ganzer Reichhaltigkeit entfalten kann, so tritt hier auch, je mehr die Musik sich zu vielseitiger Lebendigkeit herausbewegt, noch die Instrumentalbegleitung hinzu.

Als die andere Seite zweitens zur Melodie, welche einen Text begleitet, und zu dem charakterisierenden Ausdruck der Worte haben wir das Freiwerden von einem für sich schon, außer den musikalischen Tönen, in Form von bestimmten Vorstellungen mitgeteilten Inhalte hinzustellen.

Das Prinzip der Musik macht die subjektive Innerlichkeit aus.

Das Innerste aber des konkreten Selbsts ist die Subjektivität als solche, durch keinen festen Gehalt bestimmt und deshalb nicht genötigt, sich hierhin oder dorthin zu bewegen, sondern in ungefesselter Freiheit nur auf sich selbst beruhend.

Soll diese Subjektivität nun gleichfalls in der Musik zu ihrem vollen Recht kommen, so muss sie sich von einem gegebenen Text losmachen und sich ihren Inhalt, den Gang und die Art des Ausdrucks, die Einheit und Entfaltung ihres Werkes, die Durchführung eines Hauptgedankens und episodische Einschaltung und Verzweigung anderer usf. rein aus sich selbst entnehmen und sich dabei, insofern hier die Bedeutung des Ganzen nicht durch Worte ausgesprochen wird, auf die rein musikalischen Mittel einschränken.

Dies ist der Fall in der Sphäre, welche ich früher bereits als die selbständige Musik bezeichnet habe.

Die begleitende Musik hat das, was sie ausdrücken soll, außerhalb ihrer und bezieht sich insofern in ihrem Ausdruck auf etwas, was nicht ihr als Musik, sondern einer fremden Kunst, der Poesie, angehört.

Will die Musik aber rein musikalisch sein, so muss sie dieses ihr nicht eigentümliche Element aus sich entfernen und sich in ihrer nun erst vollständigen Freiheit von der Bestimmtheit des Wortes durchgängig lossagen.

Dies ist der Punkt, den wir jetzt näher zu besprechen haben. ((214))

Schon innerhalb der begleitenden Musik selbst sahen wir den Akt solcher Befreiung beginnen.

Denn teils zwar drängte das poetische Wort die Musik zurück und machte sie dienend, teils aber schwebte die Musik in seliger Ruhe über der besonderen Bestimmtheit der Worte oder riß sich überhaupt von der Bedeutung der ausgesprochenen Vorstellungen los, um sich nach eigenem Belieben heiter oder klagend hinzuwiegen.

Die ähnliche Erscheinung finden wir nun auch bei den Zuhörern, dem Publikum, hauptsächlich in Rücksicht auf dramatische Musik wieder.

Die Oper nämlich hat mehrfache Ingredienzen: landschaftliches oder sonstiges Lokal, Gang der Handlung, Vorfälle, Aufzüge, Kostüme usf.; auf der anderen Seite steht die Leidenschaft und deren Ausdruck.

So ist hier der Inhalt gedoppelt, die äußere Handlung und das innere Empfinden.

Was nun die Handlung als solche anbetrifft, so ist sie, obschon sie das Zusammenhaltende aller einzelnen Teile ausmacht, doch als Gang der Handlung weniger musikalisch und wird zum großen Teil rezitativisch bearbeitet.

Der Zuhörer nun befreit sich leicht von diesem Inhalt, er schenkt besonders dem rezitativischen Hin- und Widerreden keine Aufmerksamkeit und hält sich bloß an das eigentlich Musikalische und Melodische.

Dies ist hauptsächlich, wie ich schon früher sagte, bei den Italienern der Fall, deren meiste neuere Opern denn auch von Hause aus den Zuschnitt haben, daß man, statt das musikalische Geschwätz oder die anderweitigen Trivialitäten mit anzuhören, lieber selber spricht oder sich sonst vergnügt und nur bei den eigentlichen Musikstücken, welche dann rein musikalisch genossen werden, wieder mit voller Lust aufmerkt.

Hier sind also Komponist und Publikum auf dem Sprunge, sich vom Inhalte der Worte ganz loszulösen und die Musik für sich als selbständige Kunst zu behandeln und zu genießen.

  1. Die eigentliche Sphäre dieser Unabhängigkeit kann aber nicht die begleitende Vokalmusik sein, die an einen Text gebunden bleibt, sondern die Instrumentalmusik.

Denn die Stimme ist, wie ich schon anführte, das eigene Ertönen der ((215)) totalen Subjektivität, die auch zu Vorstellungen und Worten kommt und nun in ihrer eigenen Stimme und dem Gesang das gemäße Organ findet, wenn sie die innere Welt ihrer Vorstellungen, als von der innerlichen Konzentration der Empfindung durchdrungen, äußern und vernehmen will.

Für die Instrumente aber fällt dieser Grund eines begleitenden Textes fort, so daß hier die Herrschaft der sich auf ihren eigensten Kreis beschränkenden Musik anfangen darf.

  1. Solche Musik einzelner Instrumente oder des ganzen Orchesters geht in Quartetten, Quintetten, Sextetten, Symphonien und dergleichen mehr, ohne Text und Menschenstimmen, nicht einem für sich klaren Verlauf von Vorstellungen nach und ist eben deswegen an das abstraktere Empfinden überhaupt gewiesen, das sich nur in allgemeiner Weise darin ausgedrückt finden kann.

Die Hauptsache bleibt aber das rein musikalische Hin und Her, Auf und Ab der harmonischen und melodischen Bewegungen, das gehindertere, schwerere, tief eingreifende, einschneidende oder leichte, fließende Fortgehen, die Durcharbeitung einer Melodie nach allen Seiten der musikalischen Mittel, das kunstgemäße Zusammenstimmen der Instrumente in ihrem Zusammenklingen, ihrer Folge, ihrer Abwechslung, ihrem Sichsuchen, -finden usf.

Deshalb ist es auf diesem Gebiete hauptsächlich, daß Dilettant und Kenner sich wesentlich zu unterscheiden anfangen.

Der Laie liebt in der Musik vornehmlich den verständlichen Ausdruck von Empfindungen und Vorstellungen, das Stoffartige, den Inhalt, und wendet sich daher vorzugsweise der begleitenden Musik zu; der Kenner dagegen, dem die inneren musikalischen Verhältnisse der Töne und Instrumente zugänglich sind, liebt die Instrumentalmusik in ihrem kunstgemäßen Gebrauch der Harmonien und melodischen Verschlingungen und wechselnden Formen; er wird durch die Musik selbst ganz ausgefüllt und hat das nähere Interesse, das Gehörte mit den Regeln und Gesetzen, die ihm geläufig sind, zu vergleichen, um vollständig das Geleistete zu beurteilen und zu genießen, obschon hier die neu erfindende ((216)) Genialität des Künstlers auch den Kenner, der gerade diese oder jene Fortschreitungen, Übergänge usf. nicht gewohnt ist, häufig kann in Verlegenheit setzen.

Solche vollständige Ausfüllung kommt dem bloßen Liebhaber selten zugute, und ihn wandelt nun sogleich die Begierde an, sich dieses scheinbar wesenlose Ergehen in Tönen auszufüllen, geistige Haltpunkte für den Fortgang, überhaupt für das, was ihm in die Seele hineinklingt, bestimmtere Vorstellungen und einen näheren Inhalt zu finden.

In dieser Beziehung wird ihm die Musik symbolisch, doch er steht mit dem Versuch, die Bedeutung zu erhaschen, vor schnell vorüberrauschenden rätselhaften Aufgaben, die sich einer Entzifferung nicht jedesmal fügen und überhaupt der verschiedenartigsten Deutung fähig sind.

Der Komponist seinerseits kann nun zwar selber in sein Werk eine bestimmte Bedeutung, einen Inhalt von Vorstellungen und Empfindungen und deren gegliederten geschlossenen Verlauf hineinlegen, umgekehrt aber kann es ihm auch, unbekümmert um solchen Gehalt, auf die rein musikalische Struktur seiner Arbeit und auf das Geistreiche solcher Architektonik ankommen.

Nach dieser Seite hin kann dann aber die musikalische Produktion leicht etwas sehr Gedanken- und Empfindungsloses werden, das keines auch sonst schon tiefen Bewußtseins der Bildung und des Gemütes bedarf.

Wir sehen dieser Stoffleerheit wegen die Gabe der Komposition sich nicht nur häufig bereits im zartesten Alter entwickeln, sondern talentreiche Komponisten bleiben oft auch ihr ganzes Leben lang die unbewußtesten, stoffärmsten Menschen.

Das Tiefere ist daher darein zu setzen, daß der Komponist beiden Seiten, dem Ausdruck eines freilich unbestimmteren Inhalts und der musikalischen Struktur, auch in der Instrumentalmusik die gleiche Aufmerksamkeit widmet, wobei es ihm dann wieder freisteht, bald dem Melodischen, bald der harmonischen Tiefe und Schwierigkeit, bald dem Charakteristischen den Vorzug zu geben oder auch diese Elemente miteinander zu vermitteln. ((217))

  1. Als das allgemeine Prinzip dieser Stufe jedoch haben wir von Anfang an die Subjektivität in ihrem ungebundenen musikalischen Schaffen hingestellt.

Diese Unabhängigkeit von einem für sich schon festgemachten Inhalt wird deshalb mehr oder weniger immer auch gegen die Willkür hinspielen und derselben einen nicht streng abgrenzbaren Spielraum gestatten müssen.

Denn obschon auch diese Kompositionsweise ihre bestimmten Regeln und Formen hat, denen sich die bloße Laune zu unterwerfen genötigt wird, so betreffen dergleichen Gesetze doch nur die allgemeineren Seiten, und für das Nähere ist ein unendlicher Kreis offen, in welchem die Subjektivität, wenn sie sich nur innerhalb der Grenzen hält, die in der Natur der Tonverhältnisse selbst liegen, im übrigen nach Belieben schalten und walten mag.

Ja, im Verfolg der Ausbildung auch dieser Gattungen macht sich zuletzt die subjektive Willkür mit ihren Einfällen, Kapricen, Unterbrechungen, geistreichen Neckereien, täuschenden Spannungen, überraschenden Wendungen, Sprüngen und Blitzen, Wunderlichkeiten und ungehörten Effekten, dem festen Gang des melodischen Ausdrucks und dem Textinhalt der begleitenden Musik gegenüber, zum fessellosen Meister.

  1. Die künstlerische Exekution

In der Skulptur und Malerei haben wir das Kunstwerk als das objektiv für sich dastehende Resultat künstlerischer Tätigkeit vor uns, nicht aber diese Tätigkeit selbst als wirkliche lebendige Produktion.

Zur Gegenwärtigkeit des musikalischen Kunstwerks hingegen gehört, wie wir sahen, der ausübende Künstler als handelnd, wie in der dramatischen Poesie der ganze Mensch in voller Lebendigkeit darstellend auftritt und sich selbst zum beseelten Kunstwerke macht.

Wie wir nun die Musik sich nach zweien Seiten hinwenden sahen, insofern sie entweder einem bestimmten Inhalte adäquat zu werden unternahm oder sich in freier Selbständigkeit ihre eigene Bahn vorzeichnete, so können wir jetzt ((218)) auch zwei verschiedene Hauptarten der ausübenden musikalischen Kunst unterscheiden.

Die eine versenkt sich ganz in das gegebene Kunstwerk und will nichts weiteres wiedergeben, als was das bereits vorhandene Werk enthält; die andere dagegen ist nicht nur reproduktiv, sondern schöpft Ausdruck, Vortrag, genug, die eigentliche Beseelung nicht nur aus der vorliegenden Komposition, sondern vornehmlich aus eigenen Mitteln.

  1. Das Epos, in welchem der Dichter eine objektive Welt von Ereignissen und Handlungsweisen vor uns entfalten will, läßt dem vortragenden Rhapsoden nichts übrig, als mit seiner individuellen Subjektivität ganz gegen die Taten und Begebenheiten, von denen er Bericht erstattet, zurückzutreten.

Je weniger er sich vordrängt, desto besser; ja, er kann ohne Schaden selbst eintönig und seelenlos sein.

Die Sache soll wirken, die dichterische Ausführung, die Erzählung, nicht das wirkliche Tönen, Sprechen und Erzählen.

Hieraus können wir uns auch für die erste Art des musikalischen Vortrags eine Regel abstrahieren.

Ist nämlich die Komposition von gleichsam objektiver Gediegenheit, so daß der Komponist selbst nur die Sache oder die von ihr ganz ausgefüllte Empfindung in Töne gesetzt hat, so wird auch die Reproduktion von so sachlicher Art sein müssen.

Der ausübende Künstler braucht nicht nur nichts von dem Seinigen hinzuzutun, sondern er darf es sogar nicht, wenn nicht der Wirkung soll Abbruch geschehen.

Er muss sich ganz dem Charakter des Werks unterwerfen und nur ein gehorchendes Organ sein wollen.

In diesem Gehorsam jedoch muss er auf der anderen Seite, wie dies häufig genug geschieht, nicht zum bloßen Handwerker heruntersinken, was nur den Drehorgelspielern erlaubt ist.

Soll im Gegenteil noch von Kunst die Rede sein, so hat der Künstler die Pflicht, statt den Eindruck eines musikalischen Automaten zu geben, der eine bloße Lektion hersagt und Vorgeschriebenes mechanisch wiederholt, das Werk im Sinne und Geist des Komponisten seelenvoll zu beleben.

Die Virtuosität solcher Beseelung beschränkt ((219)) sich jedoch darauf, die schweren Aufgaben der Komposition nach der technischen Seite hin richtig zu lösen und dabei nicht nur jeden Anschein des Ringens mit einer mühsam überwundenen Schwierigkeit zu vermeiden, sondern sich in diesem Elemente mit vollständiger Freiheit zu bewegen, so wie in geistiger Rücksicht die Genialität nur darin bestehen kann, die geistige Höhe des Komponisten wirklich in der Reproduktion zu erreichen und ins Leben treten zu lassen.

  1. Anders nun verhält es sich bei Kunstwerken, in welchen die subjektive Freiheit und Willkür schon von seiten des Komponisten her überwiegt und überhaupt eine durchgängige Gediegenheit in Ausdruck und sonstiger Behandlung des Melodischen, Harmonischen, Charakteristischen usf. weniger zu suchen ist.

Hier wird teils die virtuoseste Bravour an ihrer rechten Stelle sein, teils begrenzt sich die Genialität nicht auf eine bloße Exekution des Gegebenen, sondern erweitert sich dazu, daß der Künstler selbst im Vortrage komponiert, Fehlendes ergänzt, Flacheres vertieft, das Seelenlosere beseelt und in dieser Weise schlechthin selbständig und produzierend erscheint.

So ist z.B. in der italienischen Oper dem Sänger immer vieles überlassen worden; besonders in Ausschmückungen hat er einen freieren Spielraum; und insofern die Deklamation sich hier mehr von dem strengen Anschließen an den besonderen Inhalt der Worte entfernt, wird auch dieses unabhängigere Exekutieren ein freier melodischer Strom der Seele, die sich für sich selber zu erklingen und auf ihren eigenen Schwingen zu erheben freut.

Wenn man daher sagt, Rossini z.B. habe es den Sängern leicht gemacht, so ist dies nur zum Teil richtig.

Er macht es ihnen ebenso schwer, da er sie vielfach an die Tätigkeit ihres selbständigen musikalischen Genius verweist.

Ist dieser nun aber wirklich genialischer Art, so erhält das daraus entstehende Kunstwerk einen ganz eigentümlichen Reiz.

Man hat nämlich nicht nur ein Kunstwerk, sondern das wirkliche künstlerische Produzieren selber gegenwärtig vor sich.

In dieser vollständig ((220)) lebendigen Gegenwart vergißt sich alles äußerlich Bedingende, Ort, Gelegenheit, die bestimmte Stelle in der gottesdienstlichen Handlung, der Inhalt und Sinn der dramatischen Situation, man braucht, man will keinen Text mehr, es bleibt nichts als der allgemeine Ton der Empfindung überhaupt übrig, in deren Elemente nun die auf sich beruhende Seele des Künstlers sich ihrem Ergusse hingibt, ihre Genialität der Erfindung, ihre Innigkeit des Gemüts, ihre Meisterschaft der Ausübung beweist und sogar, wenn es nur mit Geist, Geschick und Liebenswürdigkeit geschieht, die Melodie selbst durch Scherz, Kaprize und Künstlichkeit unterbrechen und sich den Launen und Einflüsterungen des Augenblicks überlassen darf.

  1. Wunderbarer noch wird drittens solche Lebendigkeit, wenn das Organ nicht die menschliche Stimme, sondern irgendeines der anderen Instrumente ist.

Diese nämlich liegen mit ihrem Klang dem Ausdruck der Seele ferner und bleiben überhaupt eine äußerliche Sache, ein totes Ding, während die Musik innerliche Bewegung und Tätigkeit ist.

Verschwindet nun die Äußerlichkeit des Instrumentes durchaus, dringt die innere Musik ganz durch die äußere Realität hindurch, so erscheint in dieser Virtuosität das fremde Instrument als ein vollendet durchgebildetes eigenstes Organ der künstlerischen Seele.

Noch aus meiner Jugend her entsinne ich mich z.B. eines Virtuosen auf der Gitarre, der sich für dieses geringe Instrument geschmackloserweise große Schlachtmusiken komponiert hatte.

Er war, glaub ich, seines Handwerks ein Leineweber und, wenn man mit ihm sprach, ein stiller, bewußtloser Mensch.

Geriet er aber ins Spielen, so vergaß man das Geschmacklose der Komposition, wie er sich selbst vergaß und wundersame Wirkungen hervorbrachte, weil er in sein Instrument seine ganze Seele hineinlegte, die gleichsam keine höhere Exekution kannte als die, in diesen Tönen sich erklingen zu lassen.

Solche Virtuosität beweist, wo sie zu ihrem Gipfelpunkt gelangt, nicht nur die erstaunenswürdige Herrschaft über das ((221)) Äußere, sondern kehrt nun auch die innere ungebundene Freiheit heraus, indem sie sich in scheinbar unausführbaren Schwierigkeiten spielend überbietet, zu Künstlichkeiten ausschweift, mit Unterbrechungen, Einfällen in witziger Laune überraschend scherzt und in originellen Erfindungen selbst das Barocke genießbar macht.

Denn ein dürftiger Kopf kann keine originellen Kunststücke hervorbringen, bei genialen Künstlern aber beweisen dieselben die unglaubliche Meisterschaft in ihrem und über ihr Instrument, dessen Beschränktkeit die Virtuosität zu überwinden weiß und hin und wieder zu dem verwegenen Beleg dieses Siegs ganz andere Klangarten fremder Instrumente durchlaufen kann.

In dieser Art der Ausübung genießen wir die höchste Spitze musikalischer Lebendigkeit, das wundervolle Geheimnis, daß ein äußeres Werkzeug zum vollkommen beseelten Organ wird, und haben zugleich das innerliche Konzipieren wie die Ausführung der genialen Phantasie in augenblicklichster Durchdringung und verschwindendstem Leben blitzähnlich vor uns.

Dies sind die wesentlichsten Seiten, die ich aus der Musik herausgehört und empfunden, und die allgemeinen Gesichtspunkte, die ich mir abstrahiert und zu unserer gegenwärtigen Betrachtung zusammengestellt habe.