Vertrauen zu den Eltern - Muttermilch der Sittlichkeit
Was wir von Sokrates Richtern Unrecht gefunden sehen,
ist diese
moralische Einmischung eines Drittenin das absolute Verhältnis zwischen Eltern und Kindern
.
Im allgemeinen kann hierüber nicht viel gesagt werden;
denn
es kommt alles auf die Art dieses Eindringens an
.Dieses Eindringen ist
in einzelnen Fällen notwendig
;
im ganzen hat es nicht stattzufinden
,am wenigsten, wenn
zufällige Privatpersonen
sich dasselbe erlauben.
Die Kinder müssen das
Gefühl der Einheit mit den Eltern
haben,
dies ist das erste unmittelbare sittliche Verhältnis;
jeder Erzieher muss es respektieren, rein erhalten
und die Empfindung dieses Zusammenhangs ausbilden.
Wenn daher ein Dritter
in dies Verhältnis von Eltern und Kindern berufen wird,
die Einmischung aber so beschaffen ist,
daß dadurch die Kinder zu ihrem (vermeintlichen) Besten
von dem
Vertrauen gegen die Eltern abgezogen
und ihnen der Gedanke gegeben wird,
daß ihre Eltern schlechte Leute sind,
daß sie sie durch ihren Umgang und Erziehung
verderben (unrecht behandeln),
so finden wir dies (zurecht) empörend.
Es ist dies das
Schlimmste,
was den Kindern geschehen kann
in Rücksicht auf Sitte und Gemüt,
wenn man dies Band, was ja immer in Achtung stehen muss,
auflockert oder gar zerreißt
und in
Haß, Verachtung
und Übelwollen verkehrt.
Wer dies tut, hat die Sittlichkeit in ihrer wesentlichsten Form verletzt.
Diese Einheit,
dies Vertrauen ist die Muttermilch der Sittlichkeit
,
an der der Mensch groß gezogen wird;
frühes
Verlieren der Eltern
ist ein großes Unglück.
Der Sohn wie die Tochter muss sich
aus seiner natürlichen Einheit mit der Familie reißen
und
selbständig werden
,- aber eine
ungezwungene, ungewaltsame Trennung
,
die nicht feindselig und verachtend ist.
Wenn ein solcher Schmerz in das Gemüt gelegt wird,
so gehört eine große Kraft und Anstalt dazu,
um dies zu überwinden und die Wunde zu heilen.