JUGEND IN STUTTGART UND TÜBINGEN

GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL (seine Familie nannte ihn einfach “Wilhelm”) wurde am 27. August 1770 in Stuttgart geboren.

Hegels Mutter und Vater

Sein Vater Georg Ludwig (1733-1799), geboren in Tübingen als Sohn einer Familie von Beamten und Pfarrern, war ein ordentlicher Finanzbeamter im württembergischen Finanzdienst (1766 “Rentenkammersekretär,”1796 “Rentenkammer-Expeditionsrat”). Seine Mutter, Maria Magdalena Louisa (geb. Fromm, 1741-1783) stammte aus einer wohlhabenden Stuttgarter Familie, die einige der führenden Theologen, Juristen und hochrangige Bürokraten Württembergs hervorbrachte. Sie war für ihre Zeit gut gebildet und verfügte über ausreichende schulische Fähigkeiten, um dem jungen Hegel die Elemente des Lateinischen beizubringen.

Hegels Geburtshaus in Stuttgart, das heute ein Hegel-Museum beherbergt.

Georg Ludwig und Maria Magdalena heirateten am 29. September, 1769. Hegel war das älteste ihrer drei Kinder (vier weitere Kinder starben kurz nach ihrer Geburt 1771, 1774,1777 und 1779). Seine Schwester, Christian Louisa (1773-1832), die als Gouvernante des Grafen Josef von Berlichingen (1807-1814 gearbeitet zog sich 1820 eine nervöse Störung in, und wurde für ein Jahr in die Irrenanstalt Zwiefalte eingewiesen, dadurch verschlechterte sich ihre vorher enge Beziehung zu Hegel (Drei Monate nach Hegels Tod, hat sie sich selbst ertränkt). Hegels Bruder Georg Ludwig (1776-1812), der jüngste starb im Kampf als Offizier für Napoleons Armee in der russischen Kampagne.

Im Alter von drei Jahren besuchte Hegel die Deutsche Schule, im Alter von fünf Jahren die Lateinschule. Seine Ausbildung erhielt er am Stuttgarter Gymnasium im Alter von sieben bis achtzehn Jahren. Er war ein ernster, fleißiger und erfolgreicher Schüler. Er zeigte bemerkenswerte Neugierde, ein breites Spektrum an Interessen und Lektüren.

Mit acht Jahren erhielt Hegel das Gesamtwerk von Shakespeare (18 Bände, in deutscher Übersetzung) von seinem geliebten Lehrer Löffler. Unter den Griechische Schriftsteller waren seine Favoriten Platon, Sokrates, Homer und Aristoteles. Inspiriert wurde er von den griechischen Tragödienautoren Euripides und Sophokles. Hegel übersetzte in jungen Jahren Sophokles, ANTIGONE (in Prosa und zum zweiten Mal an der Universität als Gedicht). Er las das NEUE TESTAMENT auf Griechisch, sowie Homers ILIAD. Unter den lateinischen Autoren waren seine Favoriten Livius, Cicero und Epiktetus und er übersetzte auch einige ihrer Werke.

Hegel lernte ab der fünften Klasse zwei Stunden pro Woche Hebräisch. Er hat in den von seiner Schule angeboten Mittags-Wahlkursen anscheinend auch Französisch gelernt. Zudem lernte er auch Englisch, vielleicht von einem privaten Tutor, denn spätestens in seiner Frankfurt Zeit liest er die englischen Zeitungen im Original.

Im Hause von Hegels Eltern fanden Vorträge des Leiters der Stuttgarter Illuminaten, Jakob Friedrich Abel, statt. Dieser war Schiller Lieblingslehrer und auch Mentor von Hegel. Abel hat Hegel in diese Rolle sicherlich im Sinne der Aufklärung beeinflusst.

Hegels überlieferten Lektüre aus dieser Zeit zeigen diesen spätaufklärerischen Einfluss. So gehören zu seinen deutschen Lieblingsautoren Goethes WERTHER, Schillers FIESKO, Lessings NATHAN, Klopstocks MESSIAS und Hippels LEBENSLÄUFE. Er besaß Kenntnisse der damals vorherrschenden wolffschen Philosophie, so las er Wolffs LOGIK. Er las auch Moses Mendelssohns, PHAEDON.

Hegels Lieblingsspiele waren Schach und Karten. Er nahm Schnupftabak. 1783, im Alter von dreizehn Jahren, erlebte Hegel seine erste Tragödie; er verlor seine liebe und anhängliche Mutter durch Gallenfieber. Hegel selbst und seine Schwester erkrankten zur gleichen Zeit an derselben Krankheit und wären fast selbst daran gestorben.

Seine Hauptschrift in dieser Zeit, abgesehen von seinen Übersetzungen, war ein Tagebuch (zum Teil in Latein), das er - mit Unterbrechungen - über einen Zeitraum von achtzehn Monaten führte (beginnend mit vierzehn, am 26. Juni 1785 bis zum 7. Januar, 1787, da war er sechzehn Jahre alt). Aber das wichtigste Merkmal seiner Studien war seine Liebe zu Notizen und Auszügen, die er um diese Zeit begann und unermüdlich sammelte und aufbewahrte. Diese Sammlung, alphabetisch geordnet, enthielt Notizen zu klassischen Autoren, Passagen aus Zeitungen, Abhandlungen über Philologie, Geschichten von Literatur, Arithmetik, Geometrie, angewandte Mathematik, Physik, Moral, Psychologie und Pädagogik aus den Standardwerken der damaligen Zeit. In dieser Sammlung absorbiert und integriert Hegel die Rohmaterialien zur weiteren Ausarbeitung. Dabei war er in diesen studentischen Schriften nicht nur passiv; auch der junge Hegel schrieb Essays, worin er seine Bewunderung der klassischen Welt zum Ausdruck brachte, eine Bewunderung er nie verloren hat.

Das tübinger ‘Stift’
Das Tübinger “Stift” (Foto Hegel.Net)

Als Hegel achtzehn Jahre alt war, im Herbst 1788, trat er in das theologische Seminar am Stift in Tübingen ein. Doch er zeigte wenig Interesse an der traditionellen Theologie, wie sie in Tübingen gelehrt wurde: Seine Predigten waren langweilig und er fand bei den Klassikern eine kongenialere Lektüre. Er glaubte immer noch an die Vorteile des Studiums der Klassiker, wie er in seinem allerersten Aufsatz. Er bevorzugte Aristoteles (den er zu dieser Zeit intensiv studierte), Schiller, Spinoza, Jacobi, Herder, Voltaire, und er entwickelte eine besondere Vorliebe für die Schriften von Rousseau.

Hegel fand die Atmosphäre in Tübingen erdrückend. Die strenge und künstliche Disziplin des Stiftes schien ihm ein blasses Überbleibsel einer düsteren Vergangenheit zu sein. Die Explosion der Französischen Revolution bedeutete für viele Studenten am Stift (und allen Indizien nach auch für Hegel) der Beginn einer neuen Ära, in welcher das Tübinger eine nur untergeordnete Rolle spielte. Dennoch liebte Hegel weiterhin das Lernen und war in seiner akademischen Laufbahn erfolgreich. Nach zwei Jahren im Stift erhielt Hegel den Abschluss der Promotion (“Magister der Philosophie”) im September 1790. Mit dreiundzwanzig Jahren, im September 1793, erhielt er das begehrte theologische Zertifikat. Hegels Abschlusszeugnis besagt, dass er gute Fähigkeiten, aber mittelmäßige Kenntnisse in der Philosophie habe. In der Originalurkunde hieß es, dass Hegel große Anstrengungen auf das Gebiet der Philosophie angewandt habe, auf lateinisch “Philosophiae multam operam impendit.” Das Wort “multam” (viele, viele) wurde jedoch durch einen Kopistenfehler in späteren Kopien als “nullam” (keine) transkribiert. Viele Biographien wiederholen die spätere, falsche Version. (Siehe Dokument und Kommentar 46 in Nicolins Ausgabe der “Briefe von und an Hegel” von 1977, Band IV/1 “Dokumente und Materialien zur Biographie”)

Hegels düstere Erscheinung brachte ihm bei seinen Mitstudenten den Titel “alter Mann” ein, doch schloss er sich ihren Kneipentouren und Feiern an. Wie Terry Pinkard in seiner Hegel Biographie bemerkte:

“Wie aufsässig gegen das Seminar Hegel auch wurde, er blieb der fleißige, ernsthafte Kerl, der er immer war; seine Freunde im im Priesterseminar bezeichnete ihn mit dem Spitznamen”der alte Mann" (…). Er begnügte sich nicht nur mit Kneipentouren, Zechgelage und Feiern; er las immer noch viel und blieb dennoch äußerst ernsthaft dem Lernen verschrieben". (Pinkard, 1996)

der alte Mann

DER ÄLTERE MANN (Hegel’s Stammbuch - Universitätsbibliothek Stadt Tübingen)

Eine Seite aus Hegels Album im Tübinger Stift, mit einer Botschaft von Klassenkamerad Georg Friedrich Fallot: “Möge Gott dem alten Mann helfen; Vive A!”

Hegel profitierte am meisten vom intellektuellen Austausch mit seinen berühmten Zimmergenossen Hölderlin und Schelling. Von Hölderlin lernte er die alten Griechen noch mehr lieben, während die pseudokantische Theologie seiner Lehrer ihn mehr und mehr langweilte. Schelling schloss sich diesen neuen Ideen an. Sie alle protestierten gegen die politische und kirchliche Trägheit ihres Heimatstaates und formulierte neue Doktrinen der Freiheit und Vernunft.

Im Sommer 1792 wird Hegel von den Mitgliedern einer revolutionär-patriotischer Studentenclub, der Ideen aus der französischen Revolution nach Tübingen brachte, als der “am meisten enthusiastische Redner für Freiheit und Gleichheit” bezeichnet . Sie lesen mit großem Interesse die französischen Zeitungen und Hegel und Hölderlin werden von ihren Gegnern als “ungehobelte Jakobiner” bezeichnet. Mit einer Gruppe von gleichgesinnten Studenten studieren sie Platon, Kant und F.H. Jacobi. Am 14. Juli 1792 sollen Hegel, Hölderlin und Schelling (der gerade die MARSEILLAISE ins Deutsche übersetzt hatte)) einen Freiheitsbaum auf einer Wiese nahe dem Stift gepflanzt haben. Während diese alte Geschichte angezweifelt wurde (siehe Dieter Henrich1965: ‘Leutwein über Hegel’ in ‘Hegel Studien’ 3), dürfte die Geschichte doch zu ihrer damaligen politischen Sympathien passen.

“HOFMEISTER” IN BERN UND FRANKFURT

‘Tschugg bei Erlach’
Tschugg bei Erlach (Aquarell von etwa 1820) Der Nachlass der Familie von Steiger, wo Hegel als Tutor lehrte für ihre Kinder

Damals konnte ein junger Magister der Theologie aus der Mittelschicht wählen zwischen der Position eines Privatlehrers (“Hofmeister”) und der eines Pastors. Sowohl Hölderlin als auch Hegel zogen die Belastungen des Hofmeisters einer Priesterlaufbahn vor.

Anthony La Vopa in seinem Essay GRACE, TALENT AND MERIT berichtet über diese Belastungen: “Eine der Standardklagen zum Ende des Jahrhunderts war, dass die überhöhten Erwartungen der Eltern in absurdem Gegensatz stand zu der dürftigen Entschädigung und den erniedrigenden Arbeitsbedingungen, die die Tutoren zu ertragen hatten.”

1793 erhielt Hegel mit der Hilfe von Johannes Brodhag (Gastwirt von Schillers Lieblingsgasthaus in Stuttgart, dem „Ochsen”) eine Anstellung als Hofmeister in Bern und unterrichtete dort die Kinder von Hauptmann Karl Friedrich von Steiger.

Wie alle wirklich wichtigen Berner Bürger war Hauptmann (“Dragonerhauptmann”) Karl Friedrich von Steiger (1754-1841) Mitglied der Legislative, des großen Rates von Bern (“Conseil Souverain”). Er übernahm dieses Amt nach dem Tod seines Vaters 1785. Sowohl Karl Friedrich als auch sein Vater Christoph von Steiger (1725-1785) gehörten selbst zur Berner Oligarchie, aber sie wurden ziemlich kritisch gegenüber dieser Klasse und zogen sich von dieser zurück. Die relativ liberalen Ideen der Steigers fielen auf fruchtbarer Boden bei Hegel. Die Steigers führten Hegel auch in die zeitgenössische soziale und politische Situation in Bern ein.

gemäß Martin Bondeli, dem führenden Experten für Hegels Berner Zeit, hatten Hegel und die Steigers einige lebhafte Debatten über Politik und Philosophie. Doch insgesamt freute sich der junge Hegel über das Interesse der Familie Steiger für Wissenschaft und Bildung und an ihrer Kritik an der bernischen Politik.

Im Winter blieben die Steigers in ihrem Berner Haus an der Junkerngasse 51, in der Nähe der Berner öffentlichen Bibliothek. Im Sommer übernachteten sie in ihrem Weinbauernhof in Tschugg bei Erlach (am Stadtrand von Bern). Dort durfte Hegel ihre Privatbibliothek nutzen, die von Christoph von Steiger der Ältere (1651-1731) aufgebaut und von Christoph von Steiger, einem Staatsmann, erweitert worden war. Christoph von Steiger hatte dabei ein besonderes Interesse an politischer Literatur in der Antike und von dem Ende des Mittelalters bis zur Neuzeit gehabt. Diese Bibliothek war eine reiche Quelle französischer und englischer Autoren, wie sie sonst in Bern unüblich war.

Karl Friedrich von Steiger trug weniger zu dieser Bibliothek bei, obwohl er später seine 3.871 Bücher katalogisierte. (der vollständige Katalog ist in “Hegel in der Schweiz,” herausgegeben von H. Schneider und N. Waszek zu finden).

In Tschugg las Hegel einen beträchtlichen Teil dieser Bibliothek, mit besonderer Aufmerksamkeit für Montesquieu (ESPRIT DES LOIX), sowie Grotius, Hobbes, Hume, Leibniz, Locke, Macchiavelli, Rousseau, Shaftesbury, Spinoza, Thukydides und Voltaire. Diese Autoren gehörten auch zu den Favoriten von Christoph von Steiger. Wir können mit Sicherheit sagen, dass Hegel damit in seiner Berner Zeit den Grundstein legte für seine umfassenden Kenntnisse der Philosophie, Sozialwissenschaften, Politik, Wirtschaft und politische Ökonomie. Man kann Spuren dieses breite und spezialisierte Wissen in der berühmten Hegelschen PHILOSOPHIE DES RECHTS (1821) finden.

In Bern verfolgte Hegel aufmerksam die Umbrüche der politischen Ereignisse in Frankreich. Seine Sympathien lagen dabei bald bei der „Girondisten”-Fraktion, nachdem er zunehmend desillusioniert wurde über die exzessive Brutalität der Jakobinischen Schreckensherrschaft. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen behielt er dabei eine optimistische und doch nüchterne Betrachtung der Änderungen, die von der aufeinanderfolgenden revolutionären Regierungen in Frankreich erreicht wurde. Er gab niemals sein früheres positives Urteil über die Errungenschaften der Französischen Revolution auf.

Hegels Interesse an revolutionärer Politik und seine Sympathien für die Girondistische Anliegen werden durch seine detaillierte Übersetzung von Jean-Jacques Cart Broschüre “über die ehemaligen politischen Beziehungen zwischen der Waadt und der Stadt Bern” ins Deutsche bezeugt (begleitet von einem ausführlichen positiven Kommentar von Hegel). Carts Pamphlet war eine leidenschaftliche Denunziation der tyrannische Unterdrückung der Bürger des Waadtlandes durch die Berner Aristokratie. Cart wandte die aus der Französischen Revolution hervorgegangenen Prinzipien auf die Lage im Kanton Waadt an und unterstützte eine Intervention zur Erzwingung und Beendigung der Unterdrückung. Die Berner Behörden verboten Cart und sein Flugblatt, so dass Cart nach Frankreich fliehen musste, wo unter dem Schutz von Mitgliedern der Girondistenfraktion stand. Später, nach der militärische Intervention von Frankreich in der Schweiz, erhielt das Waadtland seine Unabhängigkeit von Bern.

Seiner (anonymen) Übersetzung der Broschüre von Cart fügte Hegel eine klare Ermahnung an alle kleinen deutschen Fürsten (“Discite justitiam moniti”) bei, dass Frankreich der Tyrannei mit militärischen Mitteln ein Ende gesetzt hätte und die Prinzipien der Revolution unbesiegbar wären. Übersetzung und Kommentar wurden 1798, als Hegel Bern in Richtung Frankfurt verlassen hatte, anonym veröffentlicht. Das Buch befand sich mehrfach in Hegels Privatbibliothek, Hegels Urheberschaft wurde aber erst 1909 entdeckt, 111 Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe.

Ein weiterer Beitrag zu seiner philosophischen Entwicklung stellte Hegels Auseinandersetzung mit dem Christentum dar. Unter dem Einfluss von Lessing und Kant wandte er sein Interesse auf die Anfänge des Christentums und versuchte dessen ursprüngliche Bedeutung zu erfassen.

Die Essays, die er dazu für sich selbst schrieb und nicht zur Veröffentlichung freigab, wurden erst bekannt, als sie mehr als ein Jahrhundert später von dem Dilthey Schüler Hermann Nohl unter dem Sammeltitel “Hegels theologische Jugendschriften” (1907) herausgegeben wurden (Die Interpretationen spannten sich dabei seinerzeit von Wilhelm Diltheys “Die Jugendgeschichte Hegels” bis zu deren Kritik durch Georg Lukacs in “Der junge Hegel”. Walter Jäschke fasst in seinem “Hegelhandbuch” die heutige umfassende philologische Kritik an der Edition zusammen).

In dem bei Nohl wiedergegebenen Text zum Leben von Jesus ist Jesus einfach der Sohn von Josef und Maria. Hegel hielt sich darin nicht damit auf, als Philologe zu kritisieren, und ignorierte das Wunderbare, in Übereinstimmung mit der rationalistischen Tradition in der Theologie der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Er fragte nach dem Geheimnis, das im Verhalten und in den Reden dieses Mannes enthalten war und ihn zur Hoffnung der Menschheit machte. Jesus erschien als Offenbarung der Einheit mit Gott, an der sich die Griechen in ihren besten Tagen unwissentlich erfreuten, und als Aufhebung des Blicks der Juden von einem Gesetzgeber, der den Übertreter bestraft, auf das Schicksal, das nach griechischer Auffassung den Gerechten ebenso trifft wie den Ungerechten.

In Jesus findet Hegel den Ausdruck für etwas Höheres als bloße Moral: er findet einen edlen Geist, der sich über die Gegensätze von Tugend und Laster ins konkrete Leben erhebt, der das Unendliche sieht, das unsere Endlichkeit immer umschließt, und der das Göttliche verkündet, das im Menschen ist und von Irrtum und Bösem nicht überwunden werden kann., es sei denn, der Mensch verschließt seine Augen und Ohren vor der göttlichen Gegenwart in ihm. Im religiösen Leben findet Hegel, kurz gesagt, das Prinzip, das die Widersprüche des weltlichen Geistes versöhnt.

Hegel hat sich viel mit der Theologie seiner Zeitgenossen kritisch auseinandergesetzt. Er suchte geistige Freiheit weder im rationalen Moralisieren wie Kant, noch in den kühnen, spekulativen Synthesen wie Fichte und Schelling. Er fand seine universelles Heilmittel im konkreten Leben der Menschheit. Obwohl Hegel sich mit den biblischen Schriften und auch dem mittelalterlichen Mystizismus beschäftigt, hat Christus in Hegels Vorstellung eher Züge von Sokrates und den Helden der griechischen Tragödie, die zwar viel Leiden, aber dabei sanft lächeln auf dem Weg zu ihrer Versöhnung mit dem Schicksal. Hegel porträtierte einen Jesus, der weiter entfernt ist von der traditionellen Theologie der Bestrafung der Sünden und näher am antiken (griechischen) Ideal des Individuums, das seine Ruhe im Bewusstsein der Einheit mit Gott hat.

Während dieser Jahre führte Hegel eine lebhafte Korrespondenz mit Schelling und Hölderlin. Hölderlin in Jena hatte Fichtes Karriere mit einer Begeisterung verfolgt und Hegel berichtet, die Hegel maßgeblich beeinflusste. Schelling, das Wunderkind, bereits auf dem Weg zum Ruhm, hielt Hegel auf der Höhe der deutschen Philosophischen Entwicklung.

gemäß Martin Bondeli (in seinen Büchern “Hegel in Bern” 1990, “Der Kantianismus des jungen Hegels” 1997 und “Hegels Denkentwicklung in der Berner und Frankfurter Zeit” 1999) war Hegel nicht so einsam in Bern wie manchmal berichtet, nach seinen Briefen an Schelling zu urteilen. Vielmehr umgab er sich, als “praktizierender Kantianer,” mit einem Kreis von Gleichgesinnten. Hegel lernte den Maler V. Sonnenschein, den Schriftsteller K. Oelsner (der über die Französische Revolution schrieb), den aktiven Jakobiner, J. Baggesen (Freund von Reinhold, Jacobi und Fichte) und den Schriftsteller E. von Berlepsch (Freund von P.A. Stapfer) kennen. Diese Männer gehörten zum Kreis der die Berner kantianischen und fichteanischen Intellektuellen ihrer Zeit.

Sonnenschein lehrte am politischen Institut (200 Meter von der Junkerngasse 51), wo die beiden wichtigsten Kantianer von Bern, J. Ith und P.A. Stapfer ebenfalls lehrten. 1798 wurde Stapfer vorübergehend Bildungsminister der Helvetischen Republik. Seit dem Besuch von Fichte in Bern (Ende 1793) entwickelte sich eine fichtianische Bewegung in Bern, insbesondere durch die Hilfe von J. Baggesen. Seit 1795. Regelmäßige Kontakte zwischen diese jungen Berner Gelehrten und die Jenaer Kreisen um Fichte waren alltäglich. Alle wichtigen Köpfe der literarischen Gesellschaft von Jena besuchte Bern und seine Umgebung seit 1796. In den 1790er Jahren übersetzten Oelser, Stapfer und Ith französische Schriften ins Deutsche und umgekehrt, zum Beispiel hat Stapfer Kant ins Französische übersetzt.

Im Mai 1795 besuchte Hegel Genf. Wir dürfen davon ausgehen, dass Hegel dort nicht nur die Stadt des bewunderten Rousseaus besuchen wollte. In der Hegel-Forschung wurde bisher wenig beachtet, dass Genf zu jener Zeit stark von der französischen Revolution geprägt war. Am 28. Dezember 1792 hatten “revolutionäre Ausschüsse” die Regierungsgeschäfte übernommen und ein “Nationalkonvent” eine Verfassung erarbeiet, welche am 5. Februar 1794 angenommen wurde und alle Klassenschranken beseitigte. Genf war geprägt von politischen Klubs, den Montagnards, den Sansculotten und erlebte nach einem Volksaufstand am 19. Juli 1794 eine Periode der Schreckensherrschaft. In dieser Zeit verurteilte ein Revolutionstribunal innerhalb von 18 Tagen 37 Personen zum Tode, von denen 11 hingerichtet wurden. Nach dem Sturz Robespierres Ende Juli 1794 folgte eine ebenfalls blutige Gegenrevolution. Die Stadt kam erst ein Jahr nach Hegels Besuch zur Ruhe. Die Geschichtsschreibung sah denn auch im Genf des 18. Jahrhundert nachgerade ein “Laboratorium der Revolution.”

Im Juli und August 1796, machten Hegel und drei weitere Tutoren eine angenehme Reise durch das Berner Oberland, und Hegel führte dazu ein ausführliches Tagebuch. Er erfreute sich darin zwar an dem abwechslungsreichen Spiel der Wasserfälle, aber er sah das Elend des Schweizer Bauernlebens. Gletscher und Gebirge verzückten ihn nicht.

„Das Schauspiel dieser ewig toten Massen gab mir nichts als die monotone und schließlich langweilige Idee: ‘Es ist so.’”

Hegels Reisepass für Genf
(Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin)

Gegen Ende seines Vertrags in Bern erhielt Hegel durch Vermittlung von Hölderlin, jetzt Tutor in Frankfurt, eine Tutorenstelle bei der Familie von Herrn Johann Noe Gogel, einem freimaurerischen Weinhändler und Bankier, der „Am Roßmarkt” genau im Zentrum von Frankfurt (Januar 1797) wohnte. Die neue Stelle gab ihm mehr Freizeit und die Gesellschaft, die er brauchte. Hegel hatte nun ein neues Ziel vor Augen - ein regelmäßiges Einkommen, das ihm den Start einer mehr lohnende akademische Karriere ermöglichen würde.

Laut Alexandra Birkner in „Hegels Schwester” (S.111-124), nutzte Hegel seine neue Frankfurter Heimat auch von November (1799 bis Spätsommer (1800 in einer Rolle als revolutionärer Briefkurier. Er übermittelte persönlich Briefe der württembergischen Revolutionäre an die französische Regierung in das damals von Frankreich besetzte Mainz. Seine Tätigkeit flog allerdings im Spätsommer 1800 in Stuttgart auf. Als Konsequenz musste Hegels Schwester, die mit den Revolutionären kooperierte, Stuttgart verlassen.

Hegel setzte in Frankfurt sein ununterbrochenes Studium der Wirtschaftswissenschaften und politischen Wissenschaften fort, darunter Edward Gibbons FALL OF THE ROMAN EMPIRE, Hume, und DE L’ESPRIT DES LOIS von Montesquieu. Rosenkranz (1805- 1879 (Hegels erster Biograph und Hegel Schüler, Professor für Philosophie an Kants ehemaligem Sitz in Königsberg von 1833 bis zu seinem Tod) berichtet uns, dass Hegels Interesse an wirtschaftlichen Fragen in Frankfurt begann. Es waren vor allem Zustände in England, die seine Neugierde weckten, und er las regelmäßig die englischen Zeitungen und machte sich detaillierte Notizen daraus.

Sein Interesse an der Tagespolitik nahm stark zu. Er war fasziniert von den Beziehungen von Handel und Eigentum, insbesondere in England. Seine Auszüge aus englischen Zeitungen zeigen, dass Hegel mit großem Interesse die parlamentarischen Debatten über den Gesetzentwurf 1796, die sogenannten Armen Gesetze über die öffentliche Wohlfahrt verfolgte, mit der die Aristokratie und Reichen versuchte, die Wut der mittellosen Massen zu besänftigen. Hegel folgte auch die Nachrichten über die Reform des preußischen Zivilrechts (“Landrecht”). Nach den Worten von Rosenkranz:

“Alle Hegelschen Ideen über das Wesen der Zivilgesellschaft, über die Not und Arbeit, über die Arbeitsteilung und den Reichtum der Ländereien, über Armut, die Polizei, die Besteuerung usw. kulminierten schließlich in einem Kommentar zur deutschen Übersetzung von Steuarts Buch über DIE GRUNDSÄTZE DER POLITISCHEN WIRTSCHAFT, die er den Hegel zwischen dem 19. Februar und dem 16. Mai 1799 schrieb und der intakt überlebt hat [Hegel.Net: aber nicht bis in unsere Zeit]. Er enthält eine Reihe großartiger Einblicke in Politik und Geschichte und viele subtile Beobachtungen.”

(Seite 85-86 in „Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben” von Karl Rosenkranz, Berlin 1844, siehe auch Georg Lukács: „Der junge Hegel”)

Hier, wie auch in seiner Kritik an Kants ethischen Schriften während dieser Periode, zielte Hegel darauf ab, die abstrakte/isolierte Behandlung eines Themas zu korrigieren, indem er das Thema stattdessen in seinem systematischen Zusammenhang behandelt. Kirche und Staat, Recht und Moral, Kommerz und Kunst, wurden von ihm als Teil einer Gesamtheit des menschlichen Lebens verstanden, aus der sie die Spezialisten isoliert hatten.

Weitere Belege für Hegels Interesse für die zeitgenössische Politik finden sich in zwei unveröffentlichten Essays. Zum einen “Über den internen Zustand von Württemberg in der letzten Zeit, insbesondere über die Verletzung des Verfassung des Magistrats” 1798. Der andere Aufsatz war eine Kritik an der Deutsche Verfassung, wahrscheinlich nicht lange nach dem Frieden von Lunéville (1801) geschrieben. Beide Essays sind eher kritisch als konstruktiv.

Im ersten Aufsatz, gewidmet der Lage in Württemberg, seiner Heimat, erläutert Hegel, wie die Passivität des Landtags von Württemberg eine Politik begünstigte, die es dem Hof ermöglichte, hohe Beamte als willfährige Diener zu vereinnahmen. Dieser Aufsatz positioniert sich in der aufgeheizten Debatte um die tiefe institutionelle Krise Württembergs, die den Konflikt zwischen den alten Ständen und dem Herzog offenbarte.

1. Seite von Hegels Aufsatz über die innere Lage in Württemberg
Aufsatz über die innere Lage in Württemberg. Dies ist die erste Seite von Hegels Manuskript über die Situation in Württemberg, das im Jahr 1798 hätte veröffentlicht werden sollen.

Die Stände wünschten ihr traditionelles Recht zu verteidigen, ihre gewählten Magistrate als Vertreter der Einwohner von Württemberg zu ernennen und in einem Landtag zusammenzutreten. Sie waren gespalten zwischen denen, die ihre fest verwurzelten feudalen Interessen bewahren wollten, und denen, die radikalere Veränderungen befürworteten, inspiriert von den Prinzipien der Französischen Revolution. Unter den radikaleren Beratern befand sich der berühmte Verleger aus Tübingen und Hegels Freund, J. Friedrich Cotta. Hegel schaltet sich mit einem Aufsatz in die Debatte ein, in dem er ein repräsentatives System empfiehlt, bei dem der Landtag regelmäßige Sitzungen abhält. Er sah Vorteile in einer Veränderung der Verfassung der Stände, fragte sich jedoch, ob ein solches verbessertes System unter den tatsächlichen Bedingungen seiner Heimatprovinz funktionieren könnte. Als Hauptmerkmal in der Broschüre erkannte Hegel, dass ein reformbereiter, offener und freier Geist aus Frankreich Einzug hält. Hegel versuchte diesen Aufsatz zu veröffentlichen, wurde jedoch von einigen Freunden in Stuttgart entmutigt, die ihn als zu frankophil ansahen.

In seinem zweiten unveröffentlichten politischen Aufsatz beginnt Hegel mit der Aussage: „Deutschland ist kein Staat mehr.” Er führt den Zusammenbruch des Reiches auf das Festhalten an feudalen Formen und auf die Fortdauer religiöser Feindseligkeiten zurück. Hegel blickte einer Neuordnung durch eine zentrale Macht (Österreich) mit einer kaiserlichen Armee und durch eine Vertretung, die aus den geografischen Distrikten des Reiches gewählt wurde, entgegen. Aber ein solches Ergebnis, so sah er es klar, könnte nur das Ergebnis von Gewalt sein - von “Blut und Eisen.” Der Philosoph stellte sich nicht als praktischer Staatsmann dar; er beschrieb das deutsche Reich in seiner Nichtigkeit als eine Vorstellung ohne Existenz in der Realität. In einer solchen Situation obliegt es dem Philosophen, die Konturen der kommenden Epoche zu zeichnen, wie sie sich vor seinen Augen abzeichnen. Sogar das gewöhnliche Auge sah nur die Zersetzung der alten sozialen Lebensformen.

Sein altes Interesse an der religiösen Frage erwachte wieder in einer philosophischeren Form. Hegel beginnt mit dem Kontrast zwischen positiver Religion, natürlicher Religion und dem Ideal eines inneren Moralaufschwungs, der ein menschliches Leben krönt, als der einzigen, universellen und ewigen Spiritualität, geeignet für jedes Klima und Zeitalter. Er betrachtete eine positive Religion als autoritär, auferlegt auf das Herz durch äußere oder politische Kräfte. Eine natürliche Religion sah er als die spontane Entwicklung des nationalen Gewissens, veränderlich in wechselnden Umständen und unterliegend dem Wandel, wenn sich die Umstände ändern. Die perfekte Religion Jesu, so Hegel, wurde zu einer positiven Religion, als die Ideale der Liebe und Versöhnung nur als wertvoll präsentiert wurden, weil Jesus eine Autorität war, und nicht, weil sie mit dem inneren Herzen der Menschheit im Einklang standen. Schon in dieser frühen Phase seiner Schriften behauptete Hegel, dass die Philosophie das Endliche in ihrer Suche nach dem Unendlichen niemals aufgeben darf. In Schriften wie diesen begann Hegel nach und nach, die Vernunft als das klarste Mittel zum Erfassen der spirituellen Wahrheit zu betrachten; die für Philosophen gegenüber der Religion in ihren positiven (empirischen) und natürlichen Formen vorzuziehen ist.

JENA: DER KAMPF UM DEN LEBENSUNTERHALT ALS PROFESSOR

Natürliche Umstände halfen Hegel schließlich, seine Ambitionen zu verwirklichen, als sein Vater im Januar 1799 starb. Hegel erhielt ein bescheidenes Erbe von 3.154 Gulden, das ihm ermöglichte, erneut an ein akademisches Leben zu denken. Ende 1800 finden wir ihn, wie er Schelling um Empfehlungsschreiben für Bamberg bittet, wo er bei günstigen Lebenshaltungskosten und gutem Bier auf die geistige Anregung in Jena hoffte. Das Ergebnis war, dass Hegel im Januar 1801 in Jena ankam. Die brillante Epoche in Jena, als die Romantischen Dichter Tieck, Novalis und die Schlegels dort ihre fantastische Mystik verankerten und Fichte die Ergebnisse Kants zur Fahne revolutionärer Ideen machte, war bereits zu Ende. Schelling war der bedeutendste philosophische Löwe der Zeit; in einigen Kreisen wurde Hegel als neuer Champion betrachtet, der gerufen wurde, um ihm in seinem Kampf gegen die prosaischeren Verfolger Kants zu helfen. Hegels erste Leistung schien das Gerücht zu bestätigen; ein Essay über ‘den Unterschied zwischen den philosophischen Systemen von Fichte und Schelling’ (1801, übersetzt von H.S. Harris und W. Cerf 1977), der im großen und Ganzen Schelling unterstützte. Noch auffälliger war ihre Zusammenarbeit im Kritischen Journal der Philosophie, das Schelling und Hegel während 1802-1803 gemeinsam verfassten. So latent war der Unterschied zwischen ihnen in dieser Epoche, dass es in ein oder zwei Fällen nicht möglich ist zu bestimmen, von wem der Aufsatz geschrieben wurde. Sogar spätere ausländische Kritiker wie Cousin sahen viele Ähnlichkeiten in den beiden Autoren und zögerten nicht, Hegel als Schellings Schüler zu betrachten.

Die Artikel, die Hegel in dieser Zeitschrift schrieb, beinhalten so wichtige Beiträge wie sein “Glauben und Wissen” (Juli 1802, übersetzt als “Faith and Knowledge” von W. Cerf und H.S. Harris 1977), eine Kritik an Kant, Jacobi und Fichte, oder sein “Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften” (November 1802, übersetzt als “Natural Law” von T.M. Knox 1975).

Das Thema der Dissertation, mit der Hegel sich für die Position des Privatdozenten qualifizierte (De orbitis planetarum, 1801), wurde wahrscheinlich unter dem Einfluss von Schellings Naturphilosophie gewählt. Hegel, der das Titus-Bode-Gesetz der Abstände zwischen den Planeten diskutiert, erwähnt, dass man mit dem gleichen Recht eine Abfolge von Abständen aus einer numerischen Reihe von Platon verwenden könnte. Die spätere Reihe ließ keine Lücke zwischen Mars und Jupiter, so schien sie besser zu der damals bekannten Abfolge der Planeten zu passen, im Gegensatz zum Bode-Titus-Gesetz, das einen Planeten zwischen Mars und Jupiter postulieren musste. Also, folgerte Hegel, wenn die aus Platon abgeleitete Sequenz korrekt ist (Hegel schrieb nicht, dass sie es ist), dann würde man keinen Planeten zwischen Mars und Jupiter finden.

Allerdings hatte Giuseppe Piazzi bereits am 1. Januar 1801 ein Objekt genau an dieser Stelle entdeckt. Spektralanalysen (eine heutzutage genutzte Methode zur Unterscheidung zwischen Kometen und Planeten) waren zu dieser Zeit unbekannt, daher konnte Piazzi nicht sicher sein, ob es sich um einen Planeten, einen Kometen oder einen anderen Körper handelte, aber es war sicherlich ein bedeutender Körper zwischen Mars und Jupiter. Heute kennen wir ihn als den ersten der Asteroiden (Ceres). Piazzi konnte diesen neuen Himmelskörper für neun Grad verfolgen (etwa 2,5% seiner vollständigen Umlaufbahn um die Sonne). H.W.M. Olbers beobachtete das neue Objekt wieder am 7. Dezember 1801. Bis zu diesem Datum war die Entdeckung eines neuen Himmelskörpers noch umstritten. Im November 1802 schlussfolgerte der Berliner Astronom W. Herschel (der Entdecker des Uranus), dass Ceres ein Komet, kein Planet war.

So, im August 1801, als Hegel mit seiner Dissertation qualifizierte, hatte er wahrscheinlich in den Zeitungen von der Entdeckung des neuen Objekts gelesen (nach dem philologischen Anhang zu Hegel Werke 5), erwähnte aber die neue Entdeckung nicht (In einer Fußnote der 1. Auflage seiner Enzyklopädie erwähnte Hegel später ausdrücklich, dass er diese Sequenz seiner Dissertation nicht mehr in Betracht zog). Hegels spätere Kritiker haben dies als wissenschaftlichen oder noch schlimmeren methodologischen Fehler von Hegel dargestellt. Sie versuchten, dies zur Grundlage ihres Angriffs auf Hegels angeblich apriorische Philosophie zu machen (siehe auch Prof.Neusers weitere Forschungen zu diesem Thema).

Hegels ‘Hörerliste’ in Jena of1805

Hörerliste in Jena.

Kopie eines der Blätter, auf denen sich die Studenten Hegels einschrieben, um seine Kurse in Jena besuchten. Oben sehen wir das Datum (Sommersemester 1805) und die Unterschrift von “Prof. Hegel.”

Hegels Jenaer Vorlesungen über Logik und Metaphysik im Winter 1801-1802 wurden von elf Studenten besucht. Nach Schellings Weggang von Jena nach Würzburg Mitte 1803 blieb Hegel allein, um seine eigenen Ansichten auszuarbeiten. Neben philosophischen Studien, in denen er erneut Aristoteles und Platon las, las er Homer und die griechischen Tragödien, machte Auszüge aus Büchern, besuchte Vorlesungen über Physiologie und beschäftigte sich mit anderen Wissenschaften.

Im Jahr 1804 hielt er Vorlesungen über sein gesamtes System für eine Klasse von etwa dreißig Studenten (unter ihnen die Niederländer van Ghert sowie Gabler, der später Hegels Nachfolger als Professor für Philosophie in Berlin wurde), obwohl die durchschnittliche Teilnehmerzahl eher geringer war. Er hielt mindestens einmal auch eine Vorlesung über Mathematik. Während er unterrichtete, verbesserte er kontinuierlich sein ursprüngliches System und in vielen Ankündigungen seiner Vorlesungen versprach er ein Lehrbuch der Philosophie - das jedoch immer verschoben wurde.

Im Februar 1805 wurde Hegel in Weimar zum außerordentlichen Professor ernannt und im Juli 1806 erhielt er sein erstes und einziges Gehalt - 100 Taler. In Jena war Hegel, obwohl einige seiner Studenten sich ihm anschlossen, kein populärer Dozent als K.C.F. Krause. Der gewöhnliche Student fand J. F. Fries verständlicher. Später im Jahr 1805, als mehrere Dozenten wegen geschrumpfter Klassen zurücktraten, schrieb er an Johann Heinrich Voss und bewarb sich um eine Stelle in Heidelberg, in der Hoffnung, dass seine Philosophie dort fruchtbareren Boden finden könnte. Doch diese Bewerbung blieb erfolglos.

Aus dieser Periode sind noch beträchtliche Vorlesungsnotizen erhalten geblieben. Die Sprache hatte oft einen theologischen Beigeschmack (der nie ganz fehlte), wie wenn von der “Idee” oder der “Nacht des göttlichen Mysteriums” die Rede war, oder wenn die Dialektik des Absoluten als “Verlauf des göttlichen Lebens” bezeichnet wurde. Doch seine Sichtweise wurde klarer und seine Unterschiede zu Schelling immer offensichtlicher. Sowohl Schelling als auch Hegel legten großen Wert auf Kunst, doch während Schellings ästhetisches Modell in der zeitgenössischen Welt zu finden war, wo Kunst ein eigener Bereich und der Künstler ein getrennter Beruf ohne eine notwendige, enge Verbindung mit der Epoche und Nation war, lag Hegels Modell in jenen Werken nationaler Kunst, in denen Kunst kein getrennter Teil, sondern ein Aspekt des gemeinsamen Lebens ist und der Künstler nicht nur ein Individuum, sondern eine Konzentration der Kraft der Schönheit und der Leidenschaft der gesamten Gemeinschaft ist. Hegel schrieb in seinen Vorlesungen zur Philosophiegeschichte, die das Fundament für seine ‘Phänomenologie des Geistes’ legten (Bamberg, 1807, übersetzt von J.B. Baillie 1910, überarbeitet 1931, in einer genaueren Version von A.V. Miller 1977):

„Solche Kunst ist das Gemeingut und die Arbeit aller. Jede Generation reicht sie verschönert an die nächste weiter; jede hat etwas getan, um den universellen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Diejenigen, von denen gesagt wird, dass sie ein Genie haben, haben eine besondere Begabung erworben, mit der sie die allgemeinen Formen der Nation zu ihrem eigenen Werk machen, der eine in einem Punkt, der andere in einem anderen. Was sie produzieren, ist nicht ihre Erfindung, sondern die Erfindung der ganzen Nation; oder besser gesagt, was sie finden, ist, dass die ganze Nation ihre wahre Natur gefunden hat. Jeder trägt sozusagen seinen Stein bei. So auch der Künstler. Irgendwie hat er das Glück, zuletzt zu kommen, und wenn er seinen Stein platziert, steht der Bogen selbsttragend.”

Hegel, wie wir bereits gesehen haben, war sich des Wandels, der sich in der Welt vollzog, voll bewusst. Er schließt:

„Es ist eine neue Epoche angebrochen. Es scheint, als ob der Weltgeist es nun geschafft hat, sich von jeder fremden objektiven Existenz zu befreien und sich endlich als absoluten Geist zu begreifen.”

WARTEN AUF RUHM IN BAMBERG UND NÜRNBERG

Am 14. Oktober 1806 erreichte Napoleon Jena. Hegel, wie auch Goethe, empfand keinen patriotischen Schauder angesichts der nationalen Katastrophe. In Preußen sah er lediglich eine korrupte und eingebildete Bürokratie. In einem Brief an seinen Freund F. J. Niethammer, geschrieben am Tag vor der Schlacht, sprach er von der “Weltseele,” dem Kaiser, und äußerte sich zufrieden über den wahrscheinlichen Sturz der Preußen. Seine Manuskripte waren sein Hauptanliegen; unsicher über die Sicherheit seiner letzten Sendung nach Bamberg und gestört durch französische Soldaten in seiner Unterkunft, eilte er mit den letzten Seiten der Phänomenologie in das Haus des Prorektors, um Schutz zu suchen.

Hegels Schicksal war nun auf einem Tiefpunkt. Ohne Mittel und gezwungen, von Niethammer zu leihen, hatte er keine weiteren Hoffnungen von der verarmten Universität. Zudem nahm sein Junggesellenleben eine unvorhergesehene Wendung, als er seine Vermieterin und Haushälterin schwängerte. Christiane Charlotte Burkhardt (geb. Fischer) gebar am 5. Februar 1807 Hegels unehelichen Sohn, Georg Ludwig Friedrich Fischer. Der kleine Ludwig wurde vorübergehend im Haus von Fromann, einem bekannten Verleger in Jena, untergebracht. Der Philosoph hatte nicht genug Geld, um sich selbst zu versorgen, und nun musste er auch noch für die Bedürfnisse seines Kindes und seiner verlassenen Geliebten sorgen, die er nicht zu heiraten beabsichtigte.

Schlagzeile der Bamberger Zeitung

Hegel hatte bereits einmal versucht, Jena zu verlassen, und war daher froh, die Redaktion der Bamberger Zeitung (1807-1808) zu übernehmen. Hegel schrieb keine Leitartikel, hielt jedoch die Zeitschrift unter verschiedenen Schwierigkeiten am Laufen und überwand dabei - nicht ohne Geschick und Scharfsinn - mehrere Hürden, die durch eine strenge und ideologische napoleonische Zensur aufgestellt wurden.

Siehe sein Haus in Bamberg (deutsche Webseite über Hegel in Bamberg)

Niethammer griff schließlich ein; im Oktober 1808 [wurde Hegel die Rektorstelle am Aegidien-Gymnasium in Nürnberg angeboten, die er von Dezember 1808 bis August 1816 bekleidete. (Die Schule besteht heute noch; ihr Name ist jetzt Melanchthon-Gymnasium, und sie gehört zu den exklusivsten der Stadt, vielleicht auch dank des Rufs ihres ehemaligen Rektors und Professors.)](https://hegel-system.de/de/timeline.htm#1808)

Stich des Aegidiengymnasiums in Nürnberg, an dem Hegel lehrte
Ägydiengymnasium in Nürnberg (Stich von Johann Abraham Delsenbach - Stadtbibliothek Nürnberg)

Hegel wurde berufen, um Niethammers Projekt zur Reform des Bildungswesens und der Schulorganisation zu verwirklichen. Bayern modernisierte zu dieser Zeit seine Institutionen. Das Schulsystem wurde durch neue Regulierungen neu organisiert, gemäß denen Hegel eine Reihe von Lektionen in den Grundzügen der Philosophie - ethisch, logisch und psychologisch - verfasste, die 1840 von Rosenkranz aus Hegels Papieren als ‘Philosophische Propädeutik’ veröffentlicht wurden (übersetzt von A.V. Miller, 1986). Hegel kämpfte gegen Widerstand und Konservatismus der bayerischen Verwaltung, doch er hatte sowohl als Administrator als auch als Lehrer Erfolg.

Als Lehrer und Schulleiter inspirierte Hegel Vertrauen bei seinen Schülern und hielt die Disziplin ohne pedantische Einmischung in ihre Vereinigungen und Sportarten aufrecht. Bei Preisverleihungen resümierte er in seinen Reden das Schuljahr und diskutierte ein Thema von allgemeinem Interesse. Fünf dieser Reden sind erhalten. In der ersten erläutert er die Vorteile einer klassischen Ausbildung, wenn sie sich nicht nur auf Grammatik beschränkt. Hegel schrieb:

„Die Perfektion und größe der Meisterwerke der griechischen und römischen Literatur müssen das geistige Bad, die weltliche Taufe sein, die den ersten und unvergänglichen Ton und die Färbung von Geschmack und Wissenschaft gibt.”

In einer anderen Rede, in der er von der Einführung von Militärübungen in der Schule spricht, sagt Hegel:

„Diese Übungen sollen die Schüler nicht von ihrer unmittelbareren Pflicht ablenken, soweit sie eine Berufung dazu haben, erinnern sie jedoch daran, dass jeder, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung, eines Tages sein Land und seinen König verteidigen oder dazu beitragen könnte. Diese Pflicht, die allen natürlich ist, wurde früher von jedem Bürger anerkannt, obwohl ganze Stände im Staat fremd gegenüber dieser Idee geworden sind.”

Hegels Heiratsanzeige
HEIRATSANZEIGE (Aus dem “Nürnberger Friedens- und Kriegskourier” vom 19. September 1811 - Stadtbibliothek Nürnberg)

Am 16. September 1811 heiratete Hegel Maria (“Marie”) Helena Susanna von Tucher (1791-1855, nicht 1835, wie es auf ihrem Grabstein steht!), die älteste Tochter des Senators und Bürgermeisters von Nürnberg, Freiherr Jobst Wilhelm Karl von Tucher (1762-1813), aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie Nürnbergs. Sie brachte ihrem Mann kein Vermögen, doch die Ehe war durchweg glücklich. Als Ehemann führte Hegel ein sorgfältiges Register über Einnahmen und Ausgaben. In Nürnberg betrug sein Einkommen 1.500 Gulden sowie ein Haus; in Heidelberg erhielt er als Professor etwa die gleiche Summe; in Berlin rund 3.000 Taler. Ein Jahr nach der Hochzeit brachte Marie eine Tochter zur Welt, die kurz nach ihrer Geburt starb. Später wurden ihnen zwei Söhne geboren; der ältere, Friedrich Wilhelm Karl (geb. 7. Juni 1813, gest. 1901), erlangte Bekanntheit als Professor für mittelalterliche Geschichte in Erlangen (“Städte-Hegel”). Der jüngere, Thomas Immanuel Christian (geb. 24. September 1814, gest. 1891), benannt nach seinem Paten Niethammer, schlug eine Karriere als preußischer Beamter ein, wurde 1858 Verwalter des preußischen Staatsschatzes und 1868 Präsident des Konsistoriums der evangelischen Kirche für die Provinz Brandenburg. Dieser Sohn Hegels entschied sich gegen eine Karriere als Philosoph und wurde in seiner theologischen Position einer der Führer der Orthodoxen Partei. War dies eine ironische Wendung? Historiker mögen fragen, ob er beabsichtigte, seinen Vater herauszufordern.

Später, als sie bereits in Heidelberg lebten, starb die Mutter von Ludwig, und die Hegels nahmen Ludwig bei sich auf. Ludwig konnte sich jedoch nicht in seiner neuen Familie integrieren und musste im Alter von 19 Jahren (1826) das Haus verlassen. Ludwig meldete sich als Söldner in der niederländischen Armee und starb 1831 an einem Fieber in Batavia (Jakarta), nur wenige Monate bevor Hegel starb. Möglicherweise erreichte die Nachricht von Ludwigs Tod seinen Vater nie.

Hegels Briefe an seine Frau, geschrieben während seiner alleinigen Urlaubsreisen nach Wien, Prag, in die Niederlande und nach Paris, zeugen von freundlicher und glücklicher Zuneigung. Hegels Briefe erinnern an glückliche gemeinsam verbrachte Tage und gestehen, dass er, wären da nicht seine Verpflichtungen, lieber zu Hause wäre, seine Zeit zwischen seinen Büchern und seiner Frau aufteilend; er kommentiert die Schaufenster in Wien und beschreibt die Strohhüte der Pariser Damen. Dies steht im Kontrast zu den Schriften eines Professors für ein tiefgründiges philosophisches System. Es zeigt jedoch, dass die Begeisterung, die ihn in seinen Werbetagen zu Versen bewegte, in ein späteres Zeitalter häuslichen Glücks mündete.

Im Jahr 1812 veröffentlichte Hegel den ersten Band seiner ‘Wissenschaft der Logik’ und das Werk wurde durch den zweiten Band im Jahr 1813 und einen dritten im Jahr 1816 vervollständigt (übersetzt von W.Wallace, 2. Aufl. 1894, W.H. Johnston und L.G. Struthers 1929, und von A.V. Miller im Jahr 1969). Dieses Werk präsentierte sein System erstmals in dem, mit wenigen geringfügigen Änderungen, endgültigen Form. Diese Ideen fanden in der Welt ein gewisses Echo.

DIE KRÖNUNG EINES TRAUMS: PROFESSUREN IN HEIDELBERG UND BERLIN

Gegen Ende Hegels achter Amtszeit wurden ihm nahezu gleichzeitig drei Professuren in Erlangen, Berlin und Heidelberg angeboten. Das preußische Angebot beinhaltete Zweifel, ob seine lange Abwesenheit von der Universitätslehre ihn vielleicht eingerostet haben könnte. Daher entschied sich Hegel für die Stelle in Heidelberg, da Fries gerade nach Jena gegangen war (Oktober 1816).

Blick auf Heidelberg um 1818

Zu einem seiner Kurse erschienen lediglich vier Studenten. Andere Kurse, jedoch, über die Enzyklopädie der Philosophie und die Geschichte der Philosophie zogen Klassen von zwanzig bis dreißig Studierenden an. Während dieser Zeit lernte Cousin ihn zum ersten Mal kennen, obwohl sie erst später in Berlin enger befreundet wurden. Zu seinen Schülern gehörte Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs (1794-1861), für dessen Buch, DIE Religion IN IHREM INNEREN VERHÄLTNIS ZUR WISSENSCHAFT (1822), Hegel ein wichtiges Vorwort schrieb. Einer seiner ungewöhnlicheren Studenten war ein estnischer Baron, Boris d’Yrküll, der nach seinem Dienst in der russischen Armee nach Heidelberg kam, um die Weisheiten Hegels zu hören. Hegels Bücher und Vorlesungen waren für den Baron jedoch unverständlich, der sich auf Hegels Rat hin einfacheren Studien zuwandte, bevor er zum Hegelschen System zurückkehrte. Weitere Schüler waren Hinrichs und Carove.

In Heidelberg war Hegel auch im literarischen Bereich aktiv. Im Jahr 1817 veröffentlichte er die ‘ENZYKLOPÄDIE DER PHILOSOPHISCHEN WISSENSCHAFTEN IM GRUNDRISSE’ (1. Auflage 1817, erweiterte 2. Auflage 1827, erneut erweiterte 3. Auflage 1830, erneut ergänzt mit vielen “Zusätzen” aus seinen Vorlesungen und Manuskripten in der “Freundesausgabe” von 1840, erstmalig ins Englische übersetzt 1959), die als Grundlage für seine Vorlesungen diente. Es handelt sich dabei um die einzige Darstellung des Hegelschen Systems in seiner Gesamtheit, die Historiker direkt von Hegels eigener Hand besitzen. Der erste Teil ist eine gekürzte Fassung der früheren WISSENSCHAFT DER LOGIK, genannt die “Enzyklopädie Logik,” die “kürzere” oder “kleinere Logik” (auf Deutsch: “Kleine Logik,” bereits schlecht übersetzt von W. Wallace im Jahr 1873). Es folgt die Anwendung ihrer Prinzipien auf die Philosophie der Natur. Der dritte und letzte Teil besteht aus der Philosophie des Geistes/Verstandes(“Geist”).

Cover des ‘Heidelberger Jahrbücher’

Neben dieser Arbeit schrieb er zwei Rezensionen als Mitherausgeber (verantwortlich für den philologischen und philosophischen Teil) der „Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur” (siehe Wiedergabe oben) - die erste über F. H. Jacobi, das andere ein politisches Pamphlet mit dem Titel “Kritik der Vorgänge der württembergischen Stände in 1815-1816”, letzteres zog heftige Kritik auf sich.

Am 15. März 1815 legte König Friedrich von Württemberg auf einer Versammlung der Stände seines Königreichs den Entwurf einer neuen Verfassung vor. Sein Verfassungsprojekt, das von den aufgeklärten preußischen Reformern als fortschrittlich bezeichnet wurde, enthielt Bestimmungen für eine „Zwei-Kammer Gesetzgebung mit einer Volksvertretung.” Friedrichs Nachfolger, König Wilhelm I., berief einen Landtag ein, um die Zustimmung der Stände zur neuen Verfassung einzuholen. Der Landtag reagierte verärgert auf dieses Vorhaben, das zu einer zunehmenden Marginalisierung der Macht der Stände geführt hätte, insbesondere in der Frage der Finanzen. Die Stände betrachteten sich als Verfechter der alten Ordnung, der traditionellen deutschen oder mittelalterlichen Methoden der politischen Entscheidung und Verwaltung. Im Juni, 1817, lehnten sie das Projekt des Königs ab. Eine große Mehrheit forderte die Wiederherstellung der alten Gesetze, obwohl das Königreich nun eine große Bevölkerung umfasste, der die alten Rechte fremd waren. Der verärgerte König versuchte daraufhin, seine Verfassung mit Gewalt durchzusetzen, unter Umgehung der Entscheidung der Stände. Hegel spricht sich, in seiner politischen Abhandlung (die auf Ersuchen des Republikaners Friedrich List in Stuttgart veröffentlicht wurde), begeistert für die Seite von König Wilhelm I aus.

Hegels Engagement für die Ansichten König Wilhelms stand im Einklang mit seiner politischen Philosophie (siehe seine Vorlesungen über die Philosophie des Rechts, die nur ein Jahr später in Heidelberg gehaltenen Vorlesungen zur Rechtsphilosophie, die „Grundlinien” und alle folgenden Vorlesungen, die nur in deutscher Sprache vorliegen). Seine Position war fortschrittlich für Deutschland, denn der Philosoph kritisierte die Rückständigkeit der Bürokratie und die Interessen des Grundbesitzes.

Im Jahr 1818 nahm Hegel die Berufung auf den Lehrstuhl für Philosophie in Berlin an, der seit dem Tod von Fichte in 1814 verwaist war. Die Berufung geschah dank der starken Unterstützung des neu ernannten Ministers für Religion, Erziehung und Gesundheit (aus 1817-1838), Freiherr Karl Sigmund von Altenstein (1770-1840)

von Altenstein
von Altenstein (Aus “Hegel in Berlin Preußische Kulturpolitik und idealistische Ästhetik - Ausstellungskatalog”, Preussischer Kulturbesitz, Berlin, 1981, vergriffen)

Altenstein gehörte zur Gruppe der aufgeklärten Reformer, die Preußen von der Niederlage gegen Napoleon in Jena (in 1806) bis zum endgültigen Sieg in Leipzig im Jahr 1813 führten. Zu ihnen gehörten Wilhelm von Humboldt (1767-1835), Stein(1757-1831), und Kanzler (seit 1810, in der Nachfolge von Stein) Hardenberg(1750-1822). Ihr politisches Programm war von den Prinzipien der Französischen Revolution inspiriert, und sie glaubten, dass die guten Ergebnisse, die durch die Revolution erzielt wurden durch eine starke und gezielte Politik der Reformen “von oben” eingeleitet und aufrechterhalten werden sollten, die jedoch jede “demokratische” Intervention von unten mit den damit einhergehenden, gerade erlebten jakobinischen Gefahren ausschließen ausschloss. Sie glaubten mit Recht, dass ihre Ansichten in Hegel einen einsichtigen Befürworter in den Reihen der Universität finden würden. (Hegels Hoffnung, in Berlin auch darüber hinaus politischen tätig werden zu können, erfüllten sich jedoch nicht).

Zwei verschiedene Gruppen stellten sich entschieden gegen die Politik der Reformer.

Auf der einen Seite steht die reaktionäre Fraktion, der jeder Vorschlag zur Abschaffung des “alten Rechts” des Feudalismus und des Ancien Régime Anathema war. Diese Fraktion hatte sehr mächtige Vertreter im preußischen Kabinett (z.B. Innenminister von Schuckmann), und fand am preußischen Hof aufmerksame Beachtung, insbesondere dank der romantischen und konservativen Ansichten des Kronprinzen - des zukünftigen Monarchen Friedrich Wilhelm IV., dessen Einfluss im Laufe der Jahre stetig wuchs. Mitte-1820.

„Auf der anderen Seite gab es eine„demokratische” Fraktion, die sogenannten „Deutschen Patrioten”, die dank Schleiermacher sehr gut innerhalb der Universität in Berlin vertreten waren. Fries war ebenfalls einer ihrer Inspiratoren. Die deutschen Patrioten stellten sich gegen das Programm der Reformer im Namen dessen, was sie den „echten deutschen Geist” nannten. Nach ihren Ansichten sollte eine grundlegende Reform von unten kommen, vom Volk, und ohne auf “fremde” (d.h. französische) Prinzipien zurückzugreifen. Ihre romantische Vision war ein Gemisch aus direkter Demokratie, Individualismus, Nationalismus und manchmal auch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie waren die Verfechter von Gefühl, Herz und körperlicher Stärke im Gegensatz zu Rationalismus und kühler Analyse. Sie waren die Verfechter von Spontanität gegenüber geschriebenen Gesetzen und Kodifizierung. Sie waren die Verfechter von Ehre (und Duellen) gegenüber jeglichen modernen Versuchen, die Universität und alte Studententraditionen zu reformieren.

“Hegel stand sowohl der reaktionären Fraktion (er blieb sein Leben lang ein Bewunderer der Französischen Revolution und ihrer Werte) als auch der”demokratischen deutschen Bewegung" ablehnend gegenüber. Er setzte diesen Gruppierungen Rationalismus und Philosophie, Kodifizierung und Institutionen entgegen. Es war offensichtlich, dass seine Sympathien der von Altenstein und Hardenberg repräsentierten Reformerfraktion galten.

Die Situation nahm eine beispiellose Wendung, als 1819 ein Jenaer Student (Karl Ludwig Sand), inspiriert von den Idealen der “deutschen” Bewegung und der Philosophie von Fries, sich entschloss, den reaktionären russischen Spion (und bekannten Dramakomponisten) August von Kotzebue zu erstechen. Die “Heilige Allianz,” geschickt von Metternich angestachelt, beschloss mit den Karlsbader Dekreten die Wiedereinführung der Zensur in Deutschland und eine genaue Beobachtung der Universitätsprofessoren als Mittel zur Verhinderung der Ausbreitung des Terrors im gesamten Reich.

Im Jahr 1821 veröffentlichte Hegel die ‘GRUNDLINIEN DER PHILOSOPHIE DES RECHTS’ (als Band 8 von Hegels gesammelten Werken (“Freundesausgabe”), mit Ergänzungen aus Hegels Vorlesungen zu den Abschnitte von E. Gans 1833; 2. 1840; ed. G. J. B. Bolland, 1901; dt. Übers, PHILOSOPHIE DES RECHTS, von S. W. Dyde, 1896, T. Knox 1952 und, am zuverlässigsten zuverlässigste, A.V. Miller 1977). Die Veröffentlichung von Hegels Werk zur moralischen und politischen Philosophie (ursprünglich für das Frühjahr 1820) wurde durch die Zensur verzögert. Hegels Werk verurteilt sowohl die reaktionäre Sichtweise (vertreten durch die Philosophien von Haller und die Rechtstheorien von Hugo und Savigny) als auch die demokratische, deutsche Bewegung. Fries wird als einer der “Rädelsführer der Oberflächlichkeit” stigmatisiert, die darauf aus sind ein imaginäres Band der Begeisterung und Freundschaft an die Stelle der etablierte Ordnung des Staates ersetzt.

Hegels Theorie war nicht - wie unklugerweise immer wieder behauptet - eine bloße Formel für den preußischen Staat. Vieles, was er für einen Staat als notwendig erachtete Staat hielt, fehlte in Preußen. Im großen und Ganzen schloss er sich den Reformern an. Altenstein zeigte sich zufrieden mit dem Buch. Ein Jahr zuvor, 1820, hatte Altenstein Hegel bereits zum Mitglied des Königlichen Akademischen Prüfungskommission in Brandenburg berufen, der Kommission, die das preußische Bildungssystem reformieren sollte. Die Schulen Schulen veränderten sich, wurden humanistischer und betonten weniger die Religion. Hegel genoss seine Rolle bei der Reformierung eines Bildungssystems, das er zuvor kritisiert hatte.

Die Berliner Universität, in der Straße ‘Unter denLinden’
Universität Berlin (Aus Hans Günther Reissner “Eduard Gans - Ein Leben im Vormärz”, J.C.B. Mohr, Tübingen, 1965, vergriffen) Die Universität (Humboldt Universität) befindet sich noch heute im selben Gebäude untergebracht. Seit 1871 steht auf Initiative einiger Hegel Freunde eine kleine Büste Hegels hinter dem Gebäude.

Während seiner dreizehn Jahre in Berlin scheint Hegels ganze Seele in seinen Vorlesungen zum Ausdruck gekommen zu sein. Zwischen 1823 und 1827 erreichte seine Aktivität ihren Höhepunkt; seine Notizen waren ständigen Überarbeitungen und Ergänzungen unterworfen. Wir verfolgen die Form, in der die Überarbeitungen in seinen veröffentlichten Schriften erscheinen. Diejenigen über ÄSTHETIK (veröffentlicht von Hotho 1835-38; trans. 1920 von F.P.B. Osmaston), über die PHILOSOPHIE DER Religion (veröffentlicht 1832, 2. erweiterte Auflage 1840; trans. 1895 von E.B. Speirs und J.B. Sanderson), über die PHILOSOPHIE DER GESCHICHTE (veröffentlicht 1837 von seinem Sohn Karl; trans. 1858 von J. Sibree, revidiert 1899) und zur PHILOSOPHIEGESCHICHTE (veröffentlicht 1833-36; trans. 1892-96 von E. S. Haldane und F. H. Simson), wurden von seinen Herausgebern veröffentlicht, hauptsächlich aus den Notizen seiner seiner Schüler, unter ihren eigenen Titeln veröffentlicht. Diesen Vorlesungen sind aus den Nachschriften seiner Schüler von den hegelianischen Herausgebern kompiliert.

In diesen Jahren kamen Hunderte von Studenten aus allen Teilen Deutschlands und und darüber hinaus, unter seinen Einfluss. Sein Ruhm wurde durch eifrige und intelligente Anhänger ins gesamte Europa getragen. In Berlin wurde Leopold Dorotheus von Henning (1791-1866) die angehenden Studenten auf eine umfassendere Einweihung durch Hegel selbst vor. Eduard Gans (1798-1839) und Heinrich Gustav Hotho (1802-1873) trugen die Methode Hegels in spezielle Forschungsbereiche, darunter die Politikwissenschaft. In Halle lehrte Hinrichs (und später Erdmann) im Sinne des Hegelianismus gegen den Widerstand oder die Gleichgültigkeit seiner Kollegen.

Aus seiner Berliner Zeit stammen vor allem drei Vorlesungsreihen: die Vorlesungen zur Ästhetik, zur Religionsphilosophie und zur Philosophie der Geschichte.

ÄSTHETIK: In den Jahren des „Biedermeiers”, vor der Revolution von 1830, wandte sich das öffentliche Interesse, das vom politischen Leben ausgeschlossen war, auf Theater, Konzertsäle und Gemäldegalerien. Hegel selbst wurde ein häufiger und wertschätzender Besucher, und er machte Auszüge aus Kunstnotizen in Zeitungen. Während seiner Urlaube ließ ihn sein Interesse an der bildenden Kunst mehr als einmal Umwege in Kauf nehmen, um ein altes Gemälde zu sehen.

In Wien, im Jahr 1824, verbrachte er jeden freie Minute in der italienischen Oper (insbesondere Rossini), dem Ballett und den Kunstgalerien. In Paris, im Jahr 1827, besuchte er ein Shakespeare-Stück von Charles Kemble mit einer englischen Theatergruppe. Hegels Kenntnisse über Kunst (obwohl nicht besonders tief oder historisch) verliehen seinen Vorlesungen über Ästhetik, die aus den Notizen der Jahre 1820, 1823,1826, zusammengestellt wurden, eine Frische und machen sie in vielerlei Hinsicht zu den erfolgreichsten seiner Bemühungen, die Realität in einem spekulativen Licht zu sehen.

PHILOSOPHIE DER RELIGION: Diese Vorlesungen sind eine weitere Anwendung seiner Methode. Kurz vor seinem Tod hatte er einen Kurs mit dem Titel ‘Vorlesungen über die Beweise für die Existenz Gottes’ zur Veröffentlichung vorbereitet. Dies war seiner Ansicht nach die höchste Form der Religion. In diesen Vorlesungen über Religion befasste er sich mit allen Weltreligionen, nicht nur mit dem Christentum. Auf der einen Seite kritisierte er die ‘rationalistischen’ Theologen, die die Religion auf das geringstmögliche Maß reduziert hatten, das mit einem gewöhnlichen weltlichen Verstand vereinbar ist. Auf der anderen Seite kritisierte er Schleiermacher, der das Gefühl über die systematische Theologie in der Religion erhob. Hegels Mittelweg versucht zu zeigen, dass das Dogma eine rationale Entwicklung dessen ist, was im religiösen Gefühl implizit ist. Alles hängt von der Interpretation ab, denn für Hegel ist die Vernunft das vorrangige Kriterium der Wahrheit, einschließlich der Wahrheit in der Religion. Um diesen Punkt zu machen, muss die Philosophie jedoch zur Interpretin werden und ist in diesem Sinne, so könnte man argumentieren, die Überlegene.

Diese Ansicht stand in scharfem Kontrast zu der neuen Schule von E. W. Hengstenberg, die die Offenbarung der Schrift als höchstes Gut ansah (z.B. eine Form des Literalismus und Fundamentalismus). Für Hegel war diese Position ein “Gräuel,” da sie positiv und autoritär war und sowohl das menschliche Herz als auch den menschlichen Verstand von der Betrachtung der höchsten Bestrebungen des Geistes ausschloss.

In Berlin erreichte Hegel schließlich eine gesicherte wirtschaftliche Position und nahm Gelegenheiten zum Reisen wahr. Im Jahr 1820 besuchte er Dresden und verliebte sich in die Renaissance-Architektur der Stadt. Architektur. Begleitet wurde er dabei von dem Historiker und Dichter Friedrich Christoph Förster, einem Schriftsteller mit radikalen Ideen, der es schaffte, schnell die soziale Leiter hinaufzusteigen (er wurde manchmal “der Hofdemagoge” genannt), und der später bei Hegels Beerdigung eine wortgewandte Grabrede hielt. Während In Dresden machte Hegel auch die Bekanntschaft des berühmten deutschen Dichters (und Shakespeare Übersetzers) Ludwig Tieck, mit dem er über Shakespeare diskutierte, wenn er es auch nicht schaffte, Tieck mit seinen Kenntnissen in Poesie und Prosa zu beeindrucken. Hegel besuchte auch eine Ausstellung italienischer Renaissance-Gemälde, für die er seine begeisterte Bewunderung aussprach.

Im Jahr 1822 unternahm Hegel eine lange Reise in die Niederlande und die niederrheinischen Länder. Er folgte in etwa der Reiseroute des berühmten deutschen Jakobiners, Georg Forster. Hegel nutzte dabei auch die Gelegenheit, den berühmten alten französischen Revolutionsgeneral und Physiker Lazare Carnot, der von Ludwig XVIII. wegen seiner revolutionären Vergangenheit verbannt worden war, in seinem Marburger Exil zu besuchen. Hegel spricht von diesem Besuch mit Begeisterung.

Hegel besuchte auch Köln und bewunderte dort den Dom mit seinen mittelalterlichen deutschen Gemälden. Er besuchte Antwerpen und Brüssel, wo er bei seinem Freund, dem niederländischen Beamten Van Ghert übernachtete. Er verliebte sich in die Stadt Brügge (diese Städte besuchte er auch auf seiner Rückkehr von seiner Reise nach Paris).

Im Jahr 1827 reiste Hegel nach Paris und wohnte in der Nähe des Palais de Luxembourg und dem Odéon-Theater. Er wurde von seinem Freund und Bewunderer, Victor Cousin, durch die Stadt geführt. Hegel besuchte die Oper und den Louvre, er schrieb bewundernd an seine Frau: “Paris ist die Hauptstadt der zivilisierten Welt.”

HEGELS LETZTE JAHRE IN BERLIN

Eine Hegelsche Schule begann sich zu formieren. Die Anhänger umfassten intelligente Schüler, gedankenlose Nachahmer und Romantiker, die Philosophie in lyrische Maße verwandelten. Opposition und Kritik dienten nur dazu, die Anhänger der neuen Schule genauer zu definieren. Im engeren Kreis seiner Freunde wurden Hegels Geburtstage zum Anlass für Gratulationsverse. Im Jahr 1826 wurde von einigen seiner Bewunderer ein offizielles Fest organisiert, bei dem einer von ihnen, Herder, seine Kategorien als neue Götter bezeichnete; ihm wurden viele Gedichte und ein silberner Becher präsentiert. Im Jahr 1830 ließen die Studenten eine Medaille zu seinen Ehren prägen, und am 23. Januar 1831 wurde Hegel von Friedrich Wilhelm III. (zusammen mit 72 anderen, unter ihnen auch Schleiermacher) mit einem Orden (“Roter Adler-Orden III. Klasse,” der niedrigste verfügbare Orden) ausgezeichnet.

Im Oktober 1829 wurde Hegel zum Rektor der Universität gewählt; und in seiner Rede zum dreihundertjährigen Jubiläum der Augsburger Konfession (auf Latein) am 25. Juni 1830, wagte er es, der katholischen Kirche vorzuwerfen, die Tugenden der heidnischen Welt als glänzende Laster zu betrachten und die Krone der Vollkommenheit den bescheideneren Tugenden der Armut, Enthaltsamkeit und Gehorsam zu verleihen."

Entgegen einer uninformierten Tradition war Hegel in Berlin jedoch nie der „König” der preußischen Philosophie (oder gar preußischer „Staatsphilosoph”). Im Gegenteil, seine politische und philosophische Haltung war umstritten und wurde von den wichtigsten Vertretern der Akademie (unter ihnen Savigny und Schleiermacher) abgelehnt. Aufgrund des Widerstands dieser starken Persönlichkeiten schaffte es Hegel nie in die Königliche Akademie der Wissenschaften. Als Beispiel für Hegels schwierige Situation ist es interessant zu bedenken, dass selbst entspannende Anlässe wie die Feier seines Geburtstags im Jahr 1826 (siehe oben) von seinen Kritikern dazu genutzt wurden, ihn in ein schlechtes Licht zu rücken. Nachdem die offizielle preußische Gazette über das von Hegels Bewunderern anlässlich seines Geburtstages organisierte Fest berichtet hatte, wurde König Friedrich Wilhelm so eifersüchtig, dass er verfügte, dass keine Berichte mehr über private Feiern in preußischen Zeitungen gedruckt werden sollten.

Eduard Gans
Eduard Gans (Von Hans Günther Reissner “Eduard Gans - Ein Leben im Vormärz”, J.C.B. Mohr, Tübingen, 1965, vergriffen)

Mit dem Tod des Kanzlers Hardenberg im Jahr 1822, verblieb von Altenstein der einzige Unterstützer Hegels innerhalb der preußischen Regierung. Hegels Philosophie wurde bei Hofe mit Misstrauen betrachtet. Die einzige Einladung Hegels zu Hofe erfolgte Ende 1831, als der Kronprinz selbst Hegel zum Abendessen einlud. Während dieses Abendessens griff der Kronprinz (d. h. der zukünftige Friedrich Wilhelm IV.) Hegels Philosophie des RECHTS an, die - auf Hegels Anweisung - von seinem begabtesten Schüler Eduard Gans unterrichtet wurde. Wie Arnold Ruge berichtet (siehe Hoffmeisters Ausgabe von Hegels Briefen, Bd. III, S. 472, Fußnote zu Brief Nr. 687), behauptete der Kronprinz, indem er sich direkt an Hegel wandte: “Es ist unerhört, dass Professor Gans alle unsere Studenten in Republikaner verwandeln will. Seine Vorlesungen über Ihre Philosophie des RECHTS, Professor Hegel, werden stets von mehreren hundert Studenten besucht, und es ist allgemein bekannt, dass er Ihrem eigenen Denken einen völlig liberale, ich würde sagen republikanische, Farbe gibt. Warum unterrichten Sie Ihre Studenten nicht selbst?”

Hegel mag der größte Philosoph gewesen sein, aber mutig war er in diesem Fall sicher nicht. Konfrontiert mit diesem direkten Angriff, entschuldigte er sich beim Kronprinz und erklärte, er kenne den Inhalt der Gansschen Vorlesungen nicht. Das ist absurd, eine Art demütigende Selbstexkulpation. Auch wenn Hegel vielleicht nie eine Vorlesung von Gans direkt verfolgt haben mag, ist es nicht plausibel, dass niemand – unter Kollegen oder Studenten (darunter Hegels eigener Sohn Karl) - ihn nie auf die politische Ausrichtung von Gans aufmerksam gemacht hat oder dass er sich nie bewusst gemacht hat wer sein Lehrassistent eigentlich war, zumal Gans regelmäßig im Hause Hegel ein und ausging..

Was Friedrich Wilhelm III. betrifft, so wurde er einmal von einem Höfling darauf aufmerksam gemacht, dass Hegel gesagt hatte (nur während seiner Vorlesungen, nicht im tatsächlich veröffentlichten Text des RECHTS), dass die Macht des Monarchen nur darin bestehe zu den Gesetzen und Beschlüssen “ja” zu sagen und dann “das i-Tüpfelchen zu setzen.” “Und was, wenn ich es nicht tue?” erwiderte der König wütend (siehe Jacques D’Hondt, “Hegel en son temps,” Paris, Editions Sociales, 1968 - S. 100).

Als Beleg für das Bild eines zunehmend konservativen Hegels während seiner letzten Jahre in Berlin, wird angeführt, dass der Philosoph alarmiert über den Ausbruch der Julirevolution in Frankreich in 1830 war. Daran ist zwar eine gewisse Wahrheit, jedoch sind die Schlussfolgerungen, die die “Tradition” daraus zu ziehen versucht hat, übertrieben. Im Jahr 1830 brachen drei verschiedene politische Revolutionen aus: die so genannte Julirevolution in Frankreich, die Louis Philippe d’Orléans auf den Thron brachte; der polnische Aufstand gegen die russische Besatzung und der Beginn des Unabhängigkeitskrieges in Belgien gegen die Niederlande. Hegel vertrat eine skeptische Haltung zu diesen drei großen politischen Ereignissen.

Was Frankreich betrifft, so unterhielt Hegel enge Beziehungen zu den Vertretern der „liberalen” Opposition zu den Bourbonen in Frankreich. Victor Cousin war einer seiner engsten Vertrauten in Frankreich. Hegels Sympathien galten nie den Monarchisten und den Reaktionären innerhalb der französischen Regierung. Er jubelte – zusammen mit Cousin – über den Sieg der Liberalen bei den Wahlen in Frankreich im Jahr 1827.

Die Julirevolution brach aus, nachdem König Karl X. versucht hatte eine neue, konservative, katholisch geprägte Regierung durchzusetzen 1829 unter Verstoß gegen die Bestimmungen der französischen Verfassungsurkunde. Zu Beginn verurteilt Hegel die Revolution, als (gemäß seiner gradualistischen Herangehensweise an den politischen Wandel) eine übertriebene Reaktion auf ein komplexes Problem. Hegel befürchtete auch, dass die Juli-Revolution den Beginn einer neuen Ära von Kriegen und und Unruhen darstellen könnte, die das Erreichte gefährden könnte. Als sich die Situation weiter entwickelte, akzeptierte Hegel das Ergebnis der Revolution und nahm es in seine “Vorlesungen über die Geschichtsphilosophie” auf:

“[…] und in Frankreich ist wiederum eine konstitutionelle Monarchie, mit der Charte zu ihrer Grundlage, errichtet worden. Hier erschien aber wieder der Gegensatz der Gesinnung und des Misstrauens. Die Franzosen waren in der Lüge gegeneinander, wenn sie Adressen voll Ergebenheit und Liebe zur Monarchie, voll des Segens derselben erließen. Es wurde eine fünfzehnjährige Farce gespielt. Wenn nämlich auch die Charte das allgemeine Panier war und beide Teile sie beschworen hatten, so war doch die Gesinnung auf der einen Seite eine katholische, welche es sich zur Gewissenssache machte, die vorhandenen Institutionen zu vernichten. Es ist so wieder ein Bruch geschehen [d.h. die Julirevolution], und die Regierung ist gestürzt worden.”

(TWA, Bd.12, S.532/533)

Der Dichter Heinrich Heine bezeichnete Hegel in Anspielung auf seine Äußerungen scherzhaft den „Orléans der deutschen Philosophie.”

Was die Revolution in Belgien und den Aufstand in Polen betrifft, so drückt Hegel ihnen gegenüber ein Gefühl des Misstrauens aus, da er in der katholischen und nationalistischen Ideologie, die sie teilweise inspirierte, einen Rückfall in eine vorrevolutionären Denkweise sieht. Darin stimmte Heinrich Heine, ein bekannter Radikaler, zu, dessen Urteil über beide Ereignisse alles andere als positiv ausfällt.

Titelbild der ersten Ausgabe der ‘Jahrbücher für Wissenschaftliche Kritik’

Eines der letzten literarischen Projekte, an denen er teilnahm, war die Gründung der Berliner ‘Sozietät für wissenschaftliche Kritik’ im Jahr 1826. Zusammen mit ihren jährlichen ‘Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik’ (1827-1846) unterstützte er dabei seine Freunde Eduard Gans und Varnhagen von Ense. Ziel dieser Zeitschrift war es, einen kritischen Überblick - bestätigt durch die Namen der Beitragenden - über die literarischen und philosophischen Werke der Zeit im Bezug auf den allgemeinen Fortschritt des Wissens zu geben. Das Journal war nicht ausschließlich im Hegelschen Interesse; mehr als einmal, wenn Hegel versuchte, über die anderen Redakteure zu herrschen, begegnete er heftigem und energischem Widerstand. Hegel trug mehrere Artikel zur Zeitschrift bei, darunter eine Kritik an Wilhelm von Humboldts Ausgabe der Bhagavad-Gita (1827), eine von Hamanns Schriften(1828) und positive Rezensionen von Büchern von Solger (1828) und Göschel (1829). Die Hefte der “Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik” können hier als PDF Dateien heruntergeladen werden.

Hegels letztes literarisches Werk, dessen erster Teil in der Preußische Staatszeitung (die späteren Teile werden zensiert), war ein Essay zum englischen Reformgesetz von 1831. Sie enthält in erster Linie eine Betrachtung ihrer wahrscheinlichen Auswirkungen auf den Charakter der neuen Mitglieder des Parlaments und über die Maßnahmen, die sie ergreifen könnten. In letzterem Zusammenhang führte er mehrere Punkte auf, bei denen England weniger getan hatte als viele kontinentale Staaten, etwa in Bezug auf die Abschaffung von Monopolen und Missbräuchen. Bei der Betrachtung der mit Grundbesitz, Jagdgesetzen, den Armen und der etablierten Kirche verbundenen Fragen, insbesondere in Irland, äußerte er ernsthafte Zweifel an der gesetzgeberischen Fähigkeit des englischen Parlaments im Vergleich zur Erneuerungskraft anderer Staaten Westeuropas.

Hegels Haus in Berlin - Am Kupfergraben4a

Haus Hegel - Am Kupfergraben 4a, Berlin (Holzschnitt Druck von 1870 - Stadtarchiv Stuttgart)

Das Haus am Kupfergrabem in Berlin, in dem Hegel seit [1820] gelebt hat (https://hegel-system.de/de/timeline.htm#1820) und schließlich starb (er hatte seinen Wunsch, in diesem Haus zu sterben, seiner Frau einige Jahre zuvor in einem Brief mitgeteilt). Das Haus existiert heute nicht mehr.

1831 gelangte die Cholera erstmals nach Europa. Hegel und seine Familie zog sich für den Sommer in den Vorort Kreuzberg zurück, und dort hat Hegel die Überarbeitung des ersten Teils seiner WISSENSCHAFT DER LOGIK abgeschlossen (veröffentlicht 1832). Zu Beginn des Nach der Wintersession kehrte er in sein Haus im Kupfergraben zurück. Bei dieser Gelegenheit kam es zu einem Streit zwischen ihm und seinem Freund Gans, der in seiner Ankündigung von Vorlesungen über Jurisprudenz Hegels Philosophie des RECHTS empfohlen hatte. Hegel, empört über das, was er als Protektion ansah, verlangte den Rückzug der Anmerkung. Am 14. November starb er nach einem Tag Krankheit ruhig im Schlaf. (Zu Hegels Tod siehe auch Horst Althaus’ Version in ‘Hegel und Die heroischen Jahre der Philosophie,’ München/Wien 1992). Seine Beerdigung war würdevoll, einer Person seiner Bedeutung angemessen. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof (Chausseestraße 126) neben Fichte und nahe Karl Solger begraben, an einem Ort, den er persönlich bei Solgers Beerdigung ausgewählt hatte. Die Grabstätten wurden auf dem Friedhof inzwischen umgebettet, die Nachbarschaft der Gräber von Hegel, Solger und Fichte wurde dabei aber beibehalten.

Hegel unterrichtet seine Schüler

“Hegel am Katheder” (Hegel im Unterricht) (Lithographie von 1828 von F. Kluger - Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar)

Diese Lithographie ist wahrscheinlich das Ergebnis eines live Porträts, das während einer von Hegels überfüllten Unterrichtsstunde gezeichnet wurde.

Hegel in seinem Klassenzimmer und der Eindruck, den er auf seine Schüler machte, wird durch den Bericht von Hotho charakterisiert:

„Als ich ihn aber nach wenigen Tagen auf dem Lehrstuhle wiedersah, konnt’ ich mich zunächst weder in die Art des äußeren Vortrags, noch der inneren Gedankenfolge hineinfinden.

Abgespannt, grämlich saß er mit niedergebücktem Kopf in sich zusammengefallen da, und blätterte und suchte immer fortsprechend in den langen Folioheften vorwärts und rückwärts, unten und oben; das stete Räuspern und Husten störte allen Fluss der Rede, jeder Satz stand vereinzelt da, und kam mit Anstrengung zerstückt und durcheinandergeworfen heraus; jedes Wort, jede Silbe loste sich nur widerwillig los, um von der metalleeren Stimme dann in schwäbisch breitem Dialekt, als sei jedes das Wichtigste, einen wundersam gründlichen Nachdruck zu erhalten.

Dennoch zwang die ganze Erscheinung zu einem so tiefen Respekt, zu solch einer Empfindung der Würdigkeit, und zog durch eine Naivität des überwältigendsten Ernstes an, dass ich mich bei aller Mißbehaglichkeit, obschon ich wenig genug von dem Gesagten mochte verstanden haben, unabtrennbar gefesselt fand.

Kaum war ich jedoch durch Eifer und Konsequenz in kurzer Zeit an diese Außenseite des Vortrags gewohnt, als mir die innern Vorzüge desselben immer heller in die Augen sprangen, und sich mit jenen Mängeln zu einem Ganzen verwebten, welches in sich selber allein den Maßstab seiner Vollendung trug.

Eine glatt einströmende Beredsamkeit setzt das in- und auswendige Fertigsein mit ihrem Gegenstande voraus, und die formelle Geschicklichkeit vermag im Halben und Platten am anmutigsten geschwätzig fortzugleiten.

Jener aber hatte die mächtigsten Gedanken aus dem untersten Grunde der Dinge heraufzufördern, und sollten sie lebendig einwirken, so mussten sie sich, wenn auch jahrelang zuvor und immer von neuem durchsonnen und verarbeitet, in stets lebendiger Gegenwart in ihm selber wieder erzeugen.

Eine anschaulichere Plastik dieser Schwierigkeit und harten Mühe labt sich in anderer Weise, als dieser Vortrag sie gab, nicht ersinnen.

Wie die ältesten Propheten, je drangvoller sie mit der Sprache ringen, nur umso kerniger was in ihnen selber ringt bewältigend halb und halb überwunden hervorarbeiten, kämpfte und siegte auch er in schwerfälliger Gedrungenheit.

Ganz nur in die Sache versenkt, schien er dieselbe nur aus ihr, ihrer selbst willen und kaum aus eigenem Geist der Hörer wegen zu entwickeln, und doch entsprang sie aus ihm allein, und eine fast väterliche Sorge um Klarheit milderte den starren Ernst, der vor der Aufnahme so mühseliger Gedanken hatte zurückschrecken Können.

Stockend schon begann er, strebte weiter, fing noch einmal an, hielt wieder ein, sprach und sann, das treffende Wort schien für immer zu fehlen, und nun erst schlug es am sichersten ein, es schien gewöhnlich, und war doch unnachahmlich passend, ungebräuchlich und dennoch das einzig rechte; das Eigentlichste schien immer erst folgen zu sollen, und doch war es schon unvermerkt so vollständig als möglich ausgesprochen.

Nun hatte man die klare Bedeutung eines Satzes gefasst, und hoffte sehnlichst weiterzuschreiten.

Vergebens.

Der Gedanke, statt vorwärts zu rücken, drehte sich mit den ähnlichen Worten stets wieder um denselben Punkt.

Schweifte jedoch die erlahmte Aufmerksamkeit zerstreuend ab, und kehrte nach Minuten erst plötzlich aufgeschreckt zu dem Vortrage zurück, so fand sie zur Strafe sich aus allem Zusammenhange herausgerissen.

Denn leise und bedachtsam durch scheinbar bedeutungslose Mittelglieder fortleitend hatte sich irgendein voller Gedanke zur Einseitigkeit beschrankt, zu Unterschieden auseinandergetrieben, und in Widersprüche verwickelt, deren siegreiche Losung erst das Widerstrebendste endlich zur Wiedervereinigung zu bezwingen kräftig war.

Und so das Frühere sorglich immer wieder aufnehmend, um vertiefter umgestaltet daraus das Spätere entzweiender und doch stets versöhnungsreicher zu entwickeln, schlang sich und drängte und rang der wunderbarste Gedankenstrom bald vereinzelnd, bald weit zusammenfassend, stellenweise zögernd, ruckweise fortreißend, unaufhaltsam vorwärts.

Doch wer auch mit vollem Geist und Verständnis ohne rechts noch links zu blicken nachfolgen konnte, sah sich in die seltsamste Spannung und Angst versetzt.

Zu welchen Abgründen ward das Denken hinabgeführt, zu welch unendlichen Gegensätzen auseinandergerissen, immer wieder dünkte alles bereits Gewonnene verloren, und jede Anstrengung umsonst, denn auch die höchste Macht der Erkenntnis schien an den Grenzen ihrer Befugnis verstummend stillezustehn genötigt.

Aber in diesen Tiefen des anscheinend Unentzifferbaren gerade wühlte und webte jener gewaltige Geist in großartig selbstgewisser Behaglichkeit und Ruhe.

Dann erst erhob sich die Stimme, das Auge blitzte scharf über die Versammelten hin und leuchtete in stillaufloderndem Feuer seines überzeugungstiefen Glanzes, wahrend er mit nie mangelnden Worten durch alle Hohen und Tiefen der Seele griff.

Was er in diesen Augenblicken aussprach, war so klar und erschöpfend, von solch einfacher Wahrhaftigkeit, dass jedem, der es zu fassen vermochte, zu Mute ward, als hätt’ er es selber gefunden und gedacht, und so gänzlich verschwanden dagegen alle früheren Vorstellungsweisen, dass keine Erinnerung der träumerischen Tage übrig blieb, in welchen die gleichen Gedanken noch zu der gleichen Erkenntnis nicht erweckt hatten.

Nur im Faßlichsten wurde er schwerfällig und ermüdend.

Er wandte und drehte sich, in allen Zügen stand die Mißlaunigkeit geschrieben, mit der er sich mit diesen Dingen herumplagte, und dennoch, wenn er das tädiöse Geschäft zu Ende gebracht hatte, lag wieder alles so klar und vollständig vor Augen, dass auch in dieser Beziehung nur die lebendigste Eigentümlichkeit zu bewundern war.

Dagegen bewegte er sich mit gleicher Meisterschaft in den sinnlichkeitslosesten Abstraktionen wie in der regsten Fülle der Erscheinungen.

In einem bisher unerreichten Grade vermochte er sich auf jeden, auch den individuellsten Standpunkt zu versetzen, und den ganzen Umkreis desselben herauszustellen.

Als sei es seine eigene Welt schien er damit verwachsen, und erst nachdem das volle Bild entworfen war, kehrte er die Mangel, die Widersprüche heraus, durch welche es in sich zusammenbrach oder zu anderen Stufen und Gestalten hinüberleitete.

In dieser Weise Epochen, Volker, Begebnisse, Individuen zu schildern, gelang ihm vollkommen; denn sein tief eindringender Blick ließ ihn überall das Durchgreifende erkennen, und die Energie seiner ursprünglichen Anschauung verlor selbst im Alter nicht ihre jugendliche Kraft und Frische.

Bei solchen Schilderungen wurde seine Wortfülle sprudelnd, mit treffend malenden Eigenschaftswörtern konnt’ er nicht enden, und doch war jedes notwendig, neu, unerwartet, und so kernhaft in sich selber beschlossen, dass sich das Ganze, zu welchem die einzelnen bunt durcheinandergewürfelten Züge vollständig sich rundeten, um nie wieder entschwinden zu Können, dem Gedächtnisse einzwang.

Solch ein Bild selbständig umzuändern blieb unmöglich; in so feste Formen war es ein für allemal ausgegossen.

Und dieser Darstellungsgabe vermochten sich selbst die eigensten Sonderbarkeiten und Tiefen des Gemüts, welche in Worte zu fassen vergeblich scheint, nicht zu entziehen.

Unersättlich war er in preisender Anerkennung des lobenswert Tüchtigen und großen, doch auch in Scharfe und Bitterkeit der stachlichsten Polemik bewies er die gleiche Gewalt.

Wie freundlich dagegen verklang das Liebliche und Zarte zu den anmutigsten Tönen; das Starke brauste gewaltig hin, ordnungslos verwob sich das Verworrene, das Barocke und Lächerliche widerte an und ergötzte, das Hassenswerte schreckte in dem gleichen Maße zurück, als das Sittliche und Gute hob und erquickte, das Schone leuchtete in mildem Glanz, das Tiefe vertiefte sich in seiner Rede, und wie das Erhabene über alle Schranken hinausragte, gebot das Heilige die ewige Scheu der Ehrfurcht.

Und doch bei aller Vollendung ließ es sich schwer entscheiden, ob er sich mehr der Dinge, oder die Dinge sich seiner mehr bemeistert hatten.

Denn auch hier blieb das Ringen nicht aus, und das Gefügige und Fertige selber verleugnete das saure Mühen trotz aller Erleuchtung des Genius nicht.”

(Hotho 1835, ‘Vorstudien für Leben und Kunst’)

ÜBER DIESE BIOGRAFIE, BENUTZE QUELLEN, DANKSAGUNGEN

Diese Hegel Biografie basiert auf dem Hegel Artikel in der “Encyclopaedia Britannica” von 1911, der damals von englischen Hegelianern geschrieben wurde. Alle Links, Ergänzungen und Korrekturen von den Hegel.Net-Autoren Kai Froeb und Maurizio Canfora nach den neuesten Hegel-Forschungen.

Neben den im Text angegebenen Quellen wurden insbesondere die folgenden Autoren und Werke herangezogen:

Vielen Dank an Martin Bondeli, Bern, und Beat Greuter, Zürich, für ihre umfangreiche Hilfe bezüglich der Rolle auf Hegel in Bern. Weitere Anregungen und positive Kritik sind sehr willkommen.

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